Riemann bezieht die Coburger mit ein: Die 500 Lebkuchen für den Advent lässt Inhaberin Irmgard Clausen bei einem heimischen Konditor herstellen, die Laugenbrezel-Buchstaben fürs Lesefest fertigt ein anderer Bäcker an, die Butterhörnchen für morgendliche Grundschulbesucher ein dritter. Mit acht Geschäften von der Kaffeerösterei bis zum Modeladen hat sie eine Kooperation gebildet: »Coburgs feine Häuser«, mit gemeinsamen Veranstaltungen wie einer Italienischen Nacht, in der jedes Haus typisch italienisch auftritt. Die Verankerung der Buchhandlung in der Stadt spült Kunden in den Laden. »Viele Kontakte entstehen en passant, beim Plaudern erhält man Informationen, die man wiederum nutzen kann«, sagt Clausen. Wer Rat von der Hausaufgabenhilfe bis zum guten Orthopäden sucht: Clausen kennt jemanden, der jemanden kennt. In der eigenen Kundenzeitschrift »Markt 9« werden im »Portrait« Mitarbeiter und Partner der Buchhandlung vorgestellt, vom Fahrradkurier bis zum Texter der hiesigen Werbeagentur. Bei der buchbezogenen »Fuffi-Frage« winkt ein Büchergutschein im Wert von 50 Euro. 2.500 Exemplare der Zeitschrift werden verschickt, 2.500 liegen im Laden aus. Im »Promi-Tipp« des Magazins stellen lokale Größen ein Buch vor, und zufällig ist die Diplom-Chemikerin im Naturkundemuseum auch Vorsitzende der Initiative Mentor-Lesespaß Coburg. »Wir versuchen, alle ins Netzwerk einzubinden«, beschreibt Clausen ihr Ziel. Dazu gehören auch Kindergärten, Kirchengemeinden, Schulen: »Bei Kooperationen müssen stets beide Partner spürbare Vorteile haben. Einfach zu sagen: ›Kauft eure Bücher bei Riemann‹, ist plump. Wir müssen immer überlegen: Was können wir anbieten?«
Und die Buchhandlung bietet eine Menge: Clausen sieht sich und ihre Mitarbeiter in der Rolle des Gastgebers. Die Schrift an der Eingangstür ist wörtlich zu nehmen: »Offen für Sie und Ihre Wünsche«. Immer wieder neugierig sollen die Coburger werden, weshalb Riemann eine fest angestellte Dekorateurin beschäftigt: Jede Woche gestaltet sie nach einem Clever werbenplan (die Mitarbeiter legen die Themen fest) eines der drei Schaufenster neu, in den Innenräumen zaubert sie mit wechselnden Ideen Wohlfühlatmosphäre. Auch das Verhalten der Buchhändler soll zum Verweilen anregen. Da wird nach dem werten Wohlbefinden gefragt, die Tür aufgehalten, einem Kind auf die Schulter geklopft, und fast immer sieht man ein Lächeln. Besonders in der ersten Etage wird es gemütlich: Im Roten Salon dürfen Stammkunden samstags mit ihrem liebsten Menschen frühstücken. Nur: Kaufen kann man sich das Frühstück nicht – es ist neben Rotwein oder Kinokarte eine der Prämien im Riemann’schen Bonusprogramm. Für jeden Einkauf ab zehn Euro bekommt der Kunde »Große Bs« fürs Bonusheft.
Die Frühstücksprämie mit Blick auf den Marktplatz ist der Renner: Wer einmal hier war, gibt den Geheimtipp weiter. Das ist subtiles Netzwerken. Ansonsten finden im Roten Salon Lesungen mit Persönlichkeiten aus der Region statt. Im Café nebenan können Kunden in Kalendern blättern oder sich bei Kaffee, Tee, Schokolade in Bücherstapel vertiefen. Samstags gibt’s frischen Kuchen, den die Mitarbeiterinnen abwechselnd selbst backen - Individualität ist Trumpf. Oder die Buchpicker, ein Leseclub mit Acht- bis 13-Jährigen, stellen hier neue Titel vor - was wiederum Publikum anzieht, -Eltern und Kinder. Und einmal im Monat können »leidenschaftlich Lesehungrige« für fünf Euro unter dem Motto »All you can read« in der Riemann’schen Hofbuchhandlung bis Mitternacht stöbern - was vor allem die Jüngeren mit Begeisterung wahrnehmen.
