Ausbildung im Handel

Mein Ausbildungsbetrieb ist insolvent – was tun?

3. März 2015
von Börsenblatt
Eigeninitiative ist gefragt: Was Azubis wissen müssen, deren Ausbildungsbetrieb Insolvenz anmeldet. Tipps und Wissenswertes zum Ausbildungsrecht.
Aktuell betrifft es die 32 Azubis von Weltbild, aber auch Azubis kleinerer Unternehmen kann es treffen: Der eigene Ausbildungsbetrieb meldet Insolvenz an. Was nun? Die Ausbildung abbrechen? Kündigen? „Schmeißen Sie auf keinen Fall Ihre Ausbildung hin!“, rät Burghard-Ulrich Körlin von der Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main. Erstens droht in diesem Fall eine Sperre durch die Arbeitsagentur (sprich: kein Geld), zweitens muss eine Insolvenz noch lange nicht das Aus für die begonnene Ausbildung bedeuten. Ausbildungsberater Körlin ist auf den Handel spezialisiert, mehrere tausend Azubis betreut er von seinem Büro in der Frankfurter Industrie- und Handelskammer aus. Gerade einmal neun Ausbildungsstätten für angehende Buchhändler gibt es in seinem Einzugsbereich. Ein Buchhandels-Azubi, der im Fall einer Insolvenz das Unternehmen wechseln möchte, kann dies über einen Aufhebungsvertrag tun. In der Region zu bleiben, wird aber wegen der begrenzten Anzahl von Stellen nicht leicht werden.

 

Es sei denn, man wechselt den Ausbildungsberuf vom Buchhandel zum Einzelhandel: Schreibwarenhändler oder Kaufhäuser, die ein Buchsortiment bieten, beschäftigen gerne in den Buchabteilungen entsprechend vorgebildete Azubis, bilden aber selbst Verkäufer oder Kaufleute im Einzelhandel aus. „Die bisherige Ausbildungszeit kann in der Regel voll angerechnet werden, da in beiden Fällen eine Ausbildung im Handel erfolgt“, erklärt Körlin. Ausbildungsangebote im Einzelhandel sind zahlreicher als im spezialisierten Buchhandel.

Eine Insolvenz ist nicht das Ende
Die Chancen, die begonnene Ausbildung auch während eines Insolvenzverfahrens im bisherigen Betrieb abzuschließen, stehen aber gar nicht schlecht: Als ein großes Kaufhaus im Insolvenzverfahren steckte, musste kein Azubi sich eine neue Stelle suchen. Das Unternehmen wurde vom Insolvenzverwalter weitergeführt und auch die Ausbilder wurden weiterbeschäftigt. Die Unternehmen gehen eine große rechtliche Verpflichtung mit einem Ausbildungsvertrag ein. Erst, wenn wirklich „dichtgemacht“ wird, das Unternehmen also wegen Geschäftsaufgabe schließt, erhält der Azubi die Kündigung. „Azubis gehören zu den letzten, die gehen“, erläutert Körlin. In diesen Fällen hilft die zuständige Kammer bei der Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz, wie z.B. im Jahr 2012 bei über 40 Azubis im Versandhandel, um die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Die finanzielle Sicherung ist über die Agentur für Arbeit sichergestellt. Anders als bei sonstigen Kündigungen (etwa wegen Fehlverhaltens des Azubis) oder einer Eigenaufgabe der Ausbildung, gibt es dann auch keine Sperre – der Azubi steht also nicht mittellos dar.

Verkürzen statt abbrechen
In einigen Fällen ist außerdem eine Verkürzung der Ausbildung sinnvoll: Im Falle des Buchhändlers (Ausbildungszeit: drei Jahre) kann ein Azubi mit Abitur 12 Monate verkürzen, mit mittlerer Reife um sechs Monate. Für eine Ausbildung als Verkäufer (reguläre Ausbildungsdauer: zwei Jahre) ist eine Verkürzung um sechs Monate möglich. Dies ist aber nur im letzten Drittel der Ausbildung möglich. Sind die Noten des Azubis schlecht, sollte keine Verkürzung versucht werden – Details sollte man am besten individuell mit dem Ausbildungsberater bei der IHK abklären.

Wichtig: Eigeninitiative ist gefragt! Als Azubi sollte man sich im Falle einer Unternehmensinsolvenz sofort bei der Agentur für Arbeit ausbildungssuchend melden und ein Beratungsgespräch bei der IHK vereinbaren. Die wird zwar auch eigeninitiativ im Falle einer Insolvenz auf Unternehmen und Azubis zugehen, aber vor allem bei kleinen, selbstständigen Unternehmen kann wertvolle Zeit verlorengehen, bis die IHK von der Schieflage erfährt.

 

Tipps in Kürze:

  • Setzen Sie sich für ein individuelles Beratungsgespräch schnellstmöglich mit Ihrem Ausbildungsberater Ihrer zuständigen IHK in Verbindung (siehe Ausbildungsvertrag).
  • Melden Sie sich sicherheitshalber bei der Arbeitsagentur ausbildungssuchend.
  • Kündigen Sie selbst keinesfalls!
  • Eine Insolvenz bedeutet nicht sofort die Einstellung des Geschäftsbetriebs: Bringen Sie nach Möglichkeit die Ausbildung im Unternehmen zu Ende.
  • Eine Verkürzung der Ausbildungsdauer um bis zu 12 Monate ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
  • Plan B: Informieren Sie sich über freie Ausbildungsstellen für den „worst case“ Geschäftsaufgabe: (boersenblatt.net, IHK-Lehrstellenbörse und die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit, Börsenverein-Landesverbände) und bereiten Sie sich auf einen Wechsel vor (wichtig: Aufhebungsvertrag, nicht Kündigung!).
  • Förderung: Viele Bundesländer bieten außerdem Förderungsmöglichkeiten: Das Land Hessen bspw. trägt sechs Monate, etwa im Falle eines insolvenzbedingten Wechsels des Ausbildungsplatzes, sämtliche Kosten des Azubis für den neuen Ausbildungsbetrieb. Der Azubi läuft also ein halbes Jahr „kostenlos“ mit. Den Antrag stellt der neue Arbeitgeber – Azubis tun aber gut daran, gleich bei ihrer Bewerbung auf die Förderung hinzuweisen – die Chancen stehen dann nicht schlecht, dass ein Unternehmen unter diesen Voraussetzungen auch kurzfristig einen Azubi aufnimmt.
  • Informationen und Beratung vermittelt die IHK