Jobprofil Hersteller: Konrad Seidel, MVS Medizinverlage Stuttgart

„Ohne Standards geht es nicht mehr“

2. März 2015
von Börsenblatt
„Die Ergebnisse meiner Arbeit kann ich regelmäßig in den Händen halten oder zumindest am Bildschirm betrachten:“ Seit Herbst 2007 arbeitet Konrad Seidel bei der Thieme-Tochter MVS Medizinverlage Stuttgart. Seit 2009 betreut er dort zusammen mit einer Kollegin die TRIAS-Titel.

Wer sind Sie und was machen Sie?
Mein Name ist Konrad Seidel, ich bin 38 Jahre alt und ich arbeite als (Buch-)Hersteller bei den MVS Medizinverlagen Stuttgart, die zur Thieme Verlagsgruppe gehören. Bei MVS erscheinen mehrere Imprints, darunter die Marke TRIAS, unter der die Verlagsgruppe Ratgeber vertreibt. Das ist der Bereich, in dem ich überwiegend herstellerisch tätig bin. Herstellerisch tätig zu sein heißt, dass ich die Verantwortung für die technische Produktion von Büchern (Satz, Druck und Bindung) und natürlich auch von E-Books trage. Immer wesentlicher wird dabei die adäquate Aufbereitung der Daten, die als Ausgangspunkt für die Erstellung der verschiedenen Publikationen dienen. Darüber hinaus bin ich aufgrund meiner Kenntnisse Ansprechpartner für die Kollegen im Verlag für die Bereiche XML und E-Books sowie verwandten Themen wie Stylesheets.

Was ist für Sie im Job unverzichtbar?
Wichtig sind ein guter Blick für Typographie und Gestaltung sowie technisches Verständnis. Letzteres ist meines Erachtens, von Randbereichen abgesehen, angesichts der Entwicklung der letzten Jahre in diesem Bereich (Stichwörter E-Books, XML) unverzichtbar. Ein Hersteller bewegt sich außerdem immer im berühmten Spannungsfeld von Termindruck, Kostenkontrolle und Qualität, diese Punkte muss er im Griff haben. Die Kostenseite ist in der Herstellung deswegen besonders relevant, weil in unserem Bereich ein wesentlicher Teil der Fremdherstellungskosten einer Buchproduktion anfällt. Da wir eine ganz klassische Schnittstellenposition innehaben und in Kontakt mit Dienstleistern, Kollegen und Autoren stehen, sind gute Kommunikationsfähigkeiten sehr hilfreich. Als Hersteller stehen wir im Verlag vor dem Erscheinungstermin einer Publikation als letztes Glied in der Prozesskette – Stressresistenz und Termintreue sind also auch gefragt.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Ich liste einfach mal die Dinge auf, die sicher regelmäßig anfallen: Kalkulieren, Umbrüche/Daten prüfen und mit Anweisungen weitergeben, Aufträge vergeben, Dienstleisterfragen klären, Aushänger kontrollieren, an Besprechungen teilnehmen, aktuelle Prozesse weiterentwickeln, Testen, EPUBs erstellen, Rechnungen prüfen und freigeben, Kollegen beraten, auf viele Mails antworten, Sonderaufgaben übernehmen …

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag in den letzten Jahren verändert?
Es klingt wie ein Gemeinplatz: Die Durchdringung des Arbeitsalltags mit technischen Systemen verschiedener Art hat sich nochmals erhöht: Verlagsinformationssystem, Content Management System, Einkaufsplattform, System zur Freigabe der Eingangsrechnungen, diverse Kommunikationsmittel, einschlägige Software, bei uns konkret auch die Vielfalt der E-Book-Reader oder -Anwendungen, und, und, und. Diese Vielfalt, nicht nur in diesem Bereich, war vermutlich ein Grund für eine zunehmende Standardisierung auch der herstellerischen Prozesse im Haus. Das heißt nicht, dass alle Bücher gleich aussehen und alles nach Schema F abläuft, aber ohne Standards, gemeinsame Absprache und Regeln wäre das derzeitige Produktionsvolumen nicht mehr zu stemmen.

Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften finden Sie besonders gut, um Ihren Job zu bewerkstelligen?
Kommunikationsfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit, Genauigkeit und technisches Verständnis helfen mir persönlich jeden Tag im Alltagsgeschäft. Wichtig erscheint mir auch die Fähigkeit, technischen Neuentwicklungen aufgeschlossen zu begegnen und diese möglichst effektiv zu nutzen.

Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften sind eher hinderlich?
Ein möglicher Anspruch auf 100 Prozent Perfektion in allen Dingen ist letztlich unwirtschaftlich und hinderlich bei der Bewältigung des Arbeitspensums. Das heißt nicht, dass ich hemdsärmelig alles durchwinke, aber in der zur Verfügung stehenden Zeit müssen in der Regel viele Sachen mehr oder wenig gleichzeitig und in der notwendigen Qualität erledigt werden.

Wie sind Sie zu Ihrem aktuellen Job gekommen?
Ganz klassisch. In der Stuttgarter Zeitung las ich eine interessante Stellenanzeige, auf die ich mich beworben habe. Der Anruf mit der Einladung zum zweiten Vorstellungsgespräch erreichte mich übrigens mitten im alpinen Gipfelanstieg – wie schön, dass das Handy Empfang hatte!

Welche Ihrer beruflichen Stationen waren wichtig, um den Job zu bekommen?
Ich war zuvor bei einem technischen Dienstleister für Verlage tätig und habe dort sehr viel in den Themengebieten XML, Datenhandling und Satzvorstufe gelernt – von diesem Wissen profitiere ich heute noch. Außerdem hat mich die Zeit dort für meine jetzige Zusammenarbeit mit Dienstleistern und anderen Geschäftspartnern sensibilisiert.

Welche Ausbildung/welches Studium haben Sie gemacht?
Auch hier war's klassisch. Zunächst absolvierte ich eine Ausbildung als Verlagskaufmann in Frankfurt am Main, anschließend ging's zum Studium nach Stuttgart an die Hochschule der Medien (Verlagswirtschaft und Verlagsherstellung, heute Mediapublishing).

War Ihre Ausbildung nötig, um Ihren jetzigen Job zu machen?
Ich glaube schon, dass engagierte Quereinsteiger aus „benachbarten" Branchen sich in unser Aufgabengebiet einarbeiten können. Meine Ausbildung erleichtert es mir aber unheimlich, den Blick fürs Ganze zu bewahren und auf Augenhöhe mit Kollegen aus anderen Bereichen oder Dienstleistern zu verhandeln.

Was treibt Sie an, jeden Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu gehen?
Motivierend ist für mich, dass unsere Bücher und Produkte vielen Menschen Hilfe anbieten sowie Lebensfreude vermitteln und das Sinnvolle unserer Arbeit damit greifbar wird. Als schön empfinde ich es auch, dass ich die Ergebnisse meiner Arbeit regelmäßig in den Händen halten oder zumindest am Bildschirm betrachten kann. Ich habe außerdem das Glück, in einem sehr angenehmen Team zu arbeiten.

Welche Aspekte Ihres Jobs machen Sie (un)zufrieden?
Stichwort Branchenstimmung: Ich kann die Zukunftssorgen der Buch-Branche und der Menschen, die hier arbeiten, gut nachvollziehen. Dennoch stören mich manchmal die Mutlosigkeit und Selbstbespiegelung, die zumindest zeitweise wahrnehmbar sind.