Wer sind Sie und was machen Sie?
Mein Name ist Britta Vorbach und ich bin freie Lektorin und Autorin für Kinderbücher und Kinderlernmedien. Ich bin Mitinhaberin des Büros für edukative Kindermedien in Frankfurt, das ich gemeinsam mit meiner Kollegin Annett Stütze führe. Wir schreiben und entwickeln selbst Kinderbücher und wir arbeiten als Redaktionsteam im Auftrag von Verlagen.
Wenn ich als Lektorin für ein Buchprojekt gebucht werde, dann kümmere ich mich darum, dass es vom Konzept- und Manuskriptstadium in ein druckreifes Produkt verwandelt wird. Im Kinderbuch sind das tatsächlich nach wie vor viele reine Printprodukte, die eher im zweiten Schritt digitalisiert werden. Dabei entwickle ich zum Beispiel mit den Autoren die Buchidee weiter und feile mit ihnen an ihren Gliederungen, Plotideen und Texten. Ich briefe Illustratoren dahingehend, was sie zeichnen sollen, gebe Feedback zu Illustrationsskizzen, suche Fotos bei Bildagenturen und stimme mich mit den Herstellern und Buchgestaltern über Layout sowie Typografie ab.
Ich bin also als Lektorin auf der einen Seite ein Sparringpartner und Korrektiv für Autoren, Illustratoren und Verlage. Auf der anderen Seite bin ich eine Projektmanagerin, die dafür sorgen muss, dass alle Beteiligten pünktlich und in der verabredeten Qualität ihre Ergebnisse abliefern. Meine Rolle als Lektorin bei Kinderbuchprojekten vergleiche ich gerne mit der einer Regisseurin im Theater: Sie treibt die Schauspieler (die Autoren), Bühnenbildner (Illustratoren, Fotografen, Covergestalter) und die Bühnentechniker (Hersteller) zu Höchstleistungen an, damit am Ende ein Stück aufgeführt wird, dass die Zuschauer(die Leserinnen und Leser) gut unterhält, informiert oder weiterbildet – je nachdem, was die Intention des Projektes ist.
Was ist für Sie im Job unverzichtbar?
Als Lektorin brauche ich Begeisterungsfähigkeit für neue Ideen, eine Art visionäres Vorstellungsvermögen (denn das fertige Buch wird ja von mir mitentwickelt und ist bei Projektstart noch nicht wirklich greifbar), großes Sprachgefühl und gute Allgemeinbildung, sehr gute Kommunikationsfähigkeit, absolute Zuverlässigkeit und den Willen, Dinge immer noch besser zu machen, als sie am Anfang sind. Für Kinderbücher ist es außerdem wichtig, in gewisser Weise selbst noch wie ein Kind zu denken oder sich auf jeden Fall sehr gut in die kindliche Perspektive hineinversetzen zu können.
Wie sieht eine typische Woche in Ihrem Arbeitsalltag aus?
Also, wenn ich mir meine To-Do-Liste meiner Lektoratsprojekte der letzten Woche ansehe, dann steht da zum Beispiel: Textlektorat für ein Jugendsachbuch abschließen und mit dem Autor die Überarbeitungen durchsprechen; Auftakttreffen mit dem Verlag zum Start einer neuen Reihe; Titelformulierung - und Werbetexte für ein Bilderbuch beim Verlag abgeben, Telefonat mit Illustratorin zur Überarbeitung ihrer Skizzen, Korrekturfahne eines Lernspielprojekts fertigstellen und an Herstellerin weiterleiten.
Das ist sehr abwechslungsreich! Mit dem Autor eines Entdeckerbuchs erörtere ich etwa, welche Situation in Christoph Kolumbus Leben so einschneidend war, dass sie sich als erzählte Szene für die Einleitung eines Kapitels eignet. Mit dem Verlag diskutiere ich, welche Reihen in einem bestimmten Segment am Markt sind und wie man sich mit einer neuen Reihe unterscheiden kann. Für Titelformulierungen brainstorme ich lustige Namen für eine Maus, die in die Welt hinausziehen will. Und mit der Illustratorin überlege ich, ob diese Maus besser eine Pilotenmütze oder einen Sturzhelm tragen sollte – und ob Mäuse eigentlich mit Enten reden können, um sie nach dem Weg zu fragen …
Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag in den letzten Jahren verändert?
Die Produktionszyklen, in denen Bücher entwickelt werden, haben sich stark verkürzt. Das bedeutet, dass viel mehr Dinge gleich beim ersten Wurf sitzen müssen und wenig Zeit für das Feilen und Überarbeiten bleibt. Da Bücher eigentlich ein „langsames“ Medium sind, setzt das eine immer größere Professionalisierung der Beteiligten auf allen Seiten voraus.
Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften finden Sie besonders gut, um Ihren Job zu bewerkstelligen?
Meine Kreativität, meine große Sorgfalt, mein Blick fürs Detail und meine Beharrlichkeit. Wenn eine Autorin mir am Ende eines Projekts zum Beispiel gesteht, dass sie mich zwischendurch gerne auf den Mond geschossen hätte, weil ich so hartnäckig verlangt habe, dass sie bestimmte Dinge überarbeitet, sie zum Schluss aber selbst sagt, dass ihr Text viel besser geworden ist, dann kann ich mir innerlich auf die Schulter klopfen.
Welche Ihrer persönlichen Eigenschaften sind eher hinderlich?
Tja, das verrate ich natürlich so öffentlich nicht ;-) … Aber es ist oft mein eigener Perfektionismus, den ich als Lektorin unabdingbar brauche, der mir manchmal in die Quere kommt. Denn es gibt immer einen vorgegebenen Zeitpunkt der Fertigstellung, auch wenn ich selbst gerne die 115 Prozent Ergebnisqualität angesteuert hätte.
Seit wann machen Sie Ihren Job als Lektorin?
Mein Einstieg ins Lektorat war im Jahr 2000 ein Volontariat in der Redaktion eines großen Kinderbuchverlags. In diesem Volontariat habe ich mein Handwerkszeug als Lektorin gelernt.
Wie sind Sie zu Ihrem aktuellen Job gekommen?
Nach verschiedenen Stationen in den Redaktionen zweier großer Kinderbuchverlage und vielen Jahren Berufserfahrung als festangestellte Lektorin habe ich mich 2013 als freiberufliche Lektorin und Autorin selbstständig gemacht.
Welche Ihrer beruflichen Stationen waren wichtig, um das zu tun, was Sie heute machen?
Als freiberuflicher Lektorin helfen mir natürlich das große Netzwerk an Kontakten in der Verlagsbranche und die umfassende Berufserfahrung, die ich als festangestellte Lektorin gesammelt habe.
Welche Ausbildung/welches Studium haben Sie absolviert?
Ich habe zuerst ein Studium und das dazugehörige Referendariat als Grundschullehrerin absolviert und bin über Praktika beim Radio und ein Volontariat bei einem großen Kinderbuchverlag in die Kindermedienbranche gekommen.
War Ihre Ausbildung nötig, um Ihren jetzigen Job zu machen?
Ja, unbedingt. In meinem Studium habe ich mir, neben Grundlagen in Pädagogik, Entwicklungspsychologie und Didaktik, literaturwissenschaftliches und sprachwissenschaftliches Fachwissen angeeignet. Das ist die Basis für meine Arbeit mit Kinder- und Jugendbüchern von der ich immer noch profitiere. Das eigentliche Handwerkszeug des Büchermachens habe ich dann im Praktikum und im Volontariat gelernt, das kann man sich in meinen Augen nur „on the job“ aneignen.
Was treibt Sie an, jeden Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu gehen?
Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie ein Buch entsteht: Am Anfang steht eine Idee, die eine Autorin, eine Illustratorin, eine Lektorin, eine Programmleiterin oder sonst jemand hatte und am Ende ist aus dieser Idee ein Buch geworden, dass man kaufen kann und das nicht nur mein Herz, sondern auch Kinder-und Elternherzen höher schlagen lässt. Diese Aussicht motiviert mich immer wieder aufs Neue.
Welche Aspekte Ihres Jobs machen Sie (un)zufrieden?
Unzufrieden bin ich mit der tendenziell schwierige Marktsituation in der Buchbranche, auch im Kinderbuch. Sie führt dazu, dass kaum noch Experimente gemacht werden und die Budgets immer schmaler werden. Die Bücher müssen „funktionieren“. Darunter leiden in meinen Augen die Innovation und die Vielfalt.
Zufrieden machen mich der hohe Anspruch der meisten Buchmenschen und die Passion, mit der sie ihre jeweilige Tätigkeit ausüben. Dieses große Maß an Engagement finde ich einzigartig. Und zufrieden machen mich begeisterte Leserinnen und Leser. Deshalb ist zum Beispiel die Leipziger Buchmesse ein echtes Highlight für mich. Sie ist ein richtiges Lesefest – so viele Kinder und Erwachsene, die gerne lesen und dort unbedingt „ihre“ Lieblingsautorinnen oder -autoren kennenlernen wollen, sieht man sonst selten auf einem Fleck. Sie zeigen, dass es einen enormen Bedarf für gute Bücher gibt.