eBuch-"Illuminati"-Prozess: Ein Kommentar von Preisbindungstreuhänder Christian Russ

"Zwei krachende Niederlagen"

18. April 2016
von Börsenblatt
Die Buchhändlergenossenschaft eBuch hat vor Gericht keine einstweiligen Verfügungen gegen Amazon und Lübbe wegen der kostenlosen Abgabe von "Illuminati"-E-Books durchsetzen können. Die Berliner und Kölner Richter konnten in einer Schenkung keinen Preisbindungsverstoß ausmachen. Doch eBuch-Vorstand Lorenz Borsche meint, darin eine Lücke des Preisbindungsgesetzes zu erkennen. Preisbindungstreuhänder Christian Russ nimmt dazu Stellung.

Reduziert man die Prozesssache "E-Buch / Illuminati" auf die Ergebnisse, so ergibt sich folgendes Bild: Von Anfang an hatte jeder Jurist, der Gesetzestexte lesen kann, die Auffassung vertreten, dass Buchgeschenke nicht der Preisbindung unterliegen. Nur Herr Borsche, E-Buch und deren Anwälte sahen das anders.

Nun haben sie sowohl vor dem OLG Köln als auch vor dem Berliner Kammergericht zwei krachende Niederlagen eingefahren. In Köln haben die E-Buch-Anwälte den Verfügungsantrag offenbar wegen Aussichtslosigkeit zurückgenommen, das Kammergericht hat den Verfügungsantrag komplett abgewiesen, und zwar nicht etwa – wie fälschlich berichtet wurde - wegen fehlender Eilbedürftigkeit, sondern weil es keinen Preisbindungsverstoß erkennen konnte. Dabei hat das Kammergericht den Anwälten der E-Buch ins Stammbuch geschrieben, den "unmissverständlichen Gesetzeswortlaut außer acht" gelassen zu haben.

Natürlich ist das ein ebenso mageres wie peinliches Ergebnis für Herrn Borsche und seine Truppe. Schließlich war im Februar noch jedes Abmahnschreiben mit einer freudetrunkenen Presseerklärung gefeiert worden, schließlich hatte Herr Borsche von einem zu 100 Prozent sicheren Prozesserfolg getönt und voller Stolz auf seine quasi unfehlbaren Anwälte verwiesen, die angeblich 90% ihrer Prozesse zu gewinnen pflegten. Alles nur geträumt.

Herr Borsche schreibt nun in einer Presseerklärung, schuld an den Niederlagen von E-Buch sei - das Preisbindungsgesetz. Nun ist es schon etwas seltsam, das Gesetz zu beschimpfen, wenn man vor Gericht verliert - aber dann kommt es noch dicker: Schuld an allem ist halt doch letztlich der Börsenverein…! Wie bitte…?!

Die Begründung für diese steile These muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Dem Börsenverein, so Herr Borsche, habe im Jahr 2000 der Weitblick gefehlt, das Gesetz gleich so zu formulieren, dass die E-Buch im Jahr 2016 Buchgeschenke durch Amazon verbieten kann. Ach so!

Nun ist es keineswegs so, dass es jemals in der Branche Common Sense gewesen wäre, man müsse Buchgeschenke verbieten. Daher hat sich im Jahr 2000 auch niemand so recht vorstellen können, dass so etwas im Jahr 2016 einmal ernsthaft gefordert würde.

Auch hatten wir im Jahr 2000 ganz andere Probleme als Schenkungen von Büchern oder E-Books. Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2000 stand das Verbot der deutschen Buchpreisbindung auf der Agenda einer Sitzung der EU-Kommission. Dem Börsenverein ist es seinerzeit gelungen, die Bundesregierung davon zu überzeugen, die Preisbindung durch ein Gesetz zu retten. Und noch im laufenden Jahr 2016 wird aller Voraussicht nach eine Änderung des Gesetzes erfolgen, das unter anderem eine grenzüberschreitende Preisbindung innerhalb der EU einführt. Das ist ein Erfolg, den vor kurzem niemand ernsthaft für möglich gehalten hätte. Angesichts dessen wird man das Börsenvereins-Bashing dort verschmerzen können, das Herr Borsche hier ja letztlich auch nur betreibt, um von den leeren Händen abzulenken, mit denen er nach all dem Großsprech jetzt dasteht.