EuGH-Urteil zum Verleih von E-Books

Börsenverein kommentiert: "Falscher Schritt"

10. November 2016
von Börsenblatt
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute entschieden, dass E-Books und gedruckte Bücher beim Verleih durch Bibliotheken unter bestimmten Voraussetzungen gleich zu behandeln sind. Demnach sollen Bibliotheken digitale Bücher verleihen dürfen, ohne mit den Verlagen und Autoren marktgerechte Lizenzverträge abzuschließen. Die Entscheidung des EuGH sei "ein falscher Schritt für die Weiterentwicklung des E-Book-Markts", so der Börsenverein. Update: Auch die europäischen und internationalen Verleger-Verbände zeigen sich nach dem Richterspruch besorgt.

"Der Verleih eines E-Books unterscheidet sich grundsätzlich von dem eines gedruckten Buchs. Digitale Bücher können praktisch unendlich vervielfältigt werden, ohne sich jemals abzunutzen",  sagt Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins. "E-Books sind in vielen europäischen Ländern, auch in Deutschland, ein noch junger, wachsender Markt. Etliche Verlage und Start-ups bieten mittlerweile auch Modelle für den temporären Zugriff auf E-Books wie Flatrates oder Leihmodelle an. Damit Verlage und Autoren für die Verbraucher weiter an nachhaltigen Geschäftsmodellen arbeiten und am Markt bestehen können, bedarf es stabiler Rahmenbedingungen. Wenn Autoren und Verlage nicht mehr mit Bibliotheken zu angemessenen Konditionen Lizenzen für die E-Book-Nutzung verhandeln können, erhalten sie keine marktgerechte Vergütung mehr für ihre Leistung. Letztlich wird das Angebot an hochwertigen und vielfältigen Inhalten und kundenfreundlichen Nutzungsangeboten langfristig zurückgehen", so Skipis.

Derzeit schließen Verlage mit den Bibliotheken Lizenzverträge für die Nutzung von E-Book- und Audiobook-Dateien. Dabei verhandeln sie für Autoren und Verlage eine angemessene Vergütung. Das sei nicht mehr möglich, wenn Bibliotheken jedes digitale Buch ohne Lizenzierung zum Verleih anbieten dürften, so der Börsenverein. Die Abgeltung würde dann über Verwertungsgesellschaften wie etwa die VG Wort erfolgen, was in zweifacher Hinsicht problematisch sei:

  • die Vergütung sei in der Regel geringer als bei Lizenzverträgen und damit nicht marktgerecht
  • die Verlage erhielten aufgrund der aktuellen Rechtslage keinen Anteil an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften und gingen somit beim E-Book-Verleih komplett leer aus − "was die Schrankenregelung zu einer verfassungsrechtlich problematischen entschädigungslosen Enteignung von Verlagsleistungen werden lässt", kommentiert der Börsenverein.

Anlass für die Entscheidung war die Klage der niederländischen Vereniging Openbare Bibliotheken (VOB) gegen die Stichting Leenrecht – eine Stiftung, die mit der Erhebung der Urhebervergütung betraut ist. Streitpunkt dabei ist der als "One-copy-one-user"-Modell organisierte Verleih.

Der europäische Verlegerverband FEP (Federation of European Publishers) bezeichnete die EuGH-Entscheidung in einer Mitteilung als "Schock" für die Verlagsbranche. Die Entscheidung stehe im Widerspruch zum Kerngedanken der europäischen Richtlinie zum Vermiet- und Verleihrecht, die sehr deutlich mache, wie wichtig es sei, zwischen physischen und elektronischen Produkten zu unterscheiden. Denn digitale Ausleihe bedeute letztlich: kopieren. Während sich ein Printprodukt nur einmal ausleihen lasse, könne ein elektronisches Exemplar an beliebig viele Nutzer gleichzeitig verliehen werden.

Die International Publishers Association IPA, in der 64 Verlegerverbände aus 59 Ländern weltweit vertreten sind, unterstützt die FEP-Erklärung. Es müssten jetzt alle Anstrengungen für angemessene technologische Maßnahmen unternommen werden - um Verlage vor den möglichen Folgen eines E-Book-Marktes zu schützen, der durch unberechtigte Ausleihe erodiere.

Eine Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofs erläutert die Entscheidung.