Antiquariatsverbände

ILAB-Präsident Michael Steinbach im Interview

6. September 2007
Redaktion Börsenblatt
Vor einem Jahr wurde der Antiquar Michael Steinbach zum Präsidenten der International League of Antiquarian Booksellers/Ligue Internationale de la Librairie Ancienne (ILAB/LILA) gewählt. Eine Zwischenbilanz.
Herr Steinbach, weltweit gehören nur etwa 2.000 Antiquare zur ILAB. Warum? Steinbach: Das liegt an der Struktur der ILAB als internationaler Dachverband. ILAB-„affiliate“ ist, wer Mitglied in einem der 20 nationalen Antiquariatsverbände ist. In die ILAB aufgenommen werden nur diese Verbände, und deren Zahl ist begrenzt. Zumal wir strenge Maßstäbe anlegen. Der Code of Ethics der ILAB schreibt dem professionellen Handel Regeln vor, denen müssen sich die Verbände in ihren Statuten verpflichtet zeigen. Als sich vor einigen Jahren zum Beispiel ein bestimmter Verband bewarb, hatte dieser 36 Mitglieder, von denen vor der Aufnahme 31 wieder austraten, weil sie sich den Ansprüchen der Liga nicht gewachsen sahen. Die ILAB-Mitgliedschaft versteht sich als ein Gütezeichen, insofern erscheint mir ein Stück Exklusivität durchaus erstrebenswert. Die nationalen Antiquariatsverbände verzeichnen konstante bis rückläufige Mitgliederzahlen. Sind angesichts sich wandelnder Branchenstrukturen neue Formen der Kooperation und Interessenvertretung notwendig? Steinbach:Gerade hier muss die ILAB auf vielen Ebenen ansetzen. Die Liga wurde 1947 gegründet, um den internationalen Handel zu fördern. Dieses Ziel ist aktueller denn je. Deshalb machen wir verstärkt Werbung für die ILAB und so auch für den einzelnen „affiliate“ mit Informationsständen auf den Antiquariatsmessen in London, Paris oder San Francisco. Wir haben eine Vorreiterfunktion, wenn es darum geht, den boomenden asiatischen Markt für die Antiquare zu öffnen. Daher unterstützen wir die im Spätherbst in Hongkong statt findende erste chinesische Antiquariatsmesse. Vielleicht entsteht so ein neuer ILAB-Mitgliedsverband in Asien. Wir sind strategische Partnerschaften mit der CINOA (internationale Vereinigung der Kunsthandelsverbände) und der IFLA (International Federation of Library Associations and Institutions) eingegangen. Und wir engagieren uns etwa bei der UNESCO hinsichtlich einer Vereinbarung über den Export von Kulturgütern, oder in Brüssel, wo es um eine mögliche Angleichung der Mehrwertsteuer geht. Doch eines ist mir bei aller Notwendigkeit zur Innovation wichtig: Wir dürfen nie vergessen, dass wir nicht mit einer x-beliebigen Ware handeln, sondern mit einem Kulturgut, das dauerhafter ist als alles, was die mediale Welt hervorgebracht hat. Leider schleicht sich dieser Gedanke zu oft aus den Köpfen vieler Antiquare. Aber auch wenn das Internet uns bisweilen anderes vorgaukelt: Nicht das schnelle Geld, sondern das vertrauensvolle Geschäft ist die Zukunft. So geht es nicht an, dass ein seltenes Buch im Netz weniger kostet als ein gutes Abendessen. Dieser Fast-Food-Mentalität, nach der auf Mausklick alles zu billigsten Preisen verfügbar ist, muss die ILAB entgegenwirken. ILAB-Kongress und -Antiquariatsmesse finden alle zwei Jahre in einem anderen Land statt. 2006 war beides von der Antiquarian Booksellers' Association of America (ABAA) in den USA geplant. Der Kongress ist ausgefallen, die Messe wurde von einem anderen Veranstalter übernommen. Was ist der Hintergrund? Steinbach: 2006 war die Resonanz nicht groß genug. Und es gab gravierende organisatorische Versäumnisse. Es hätten 250 Teilnehmer sein müssen, damit sich das Kongressprogramm rechnet. Das war nicht der Fall, also hat die ABAA den Kongress abgesagt. Die Messe hatte keine 50 Teilnehmer und konnte nur durchgeführt werden, weil ein kommerzieller Veranstalter dahinter stand. Die ILAB hat auf diese Missstände reagiert. Künftig muss jeder Verband einen soliden Finanzplan vorlegen, sonst bekommt er keinen Zuschlag für Kongress und Messe. Wir überprüfen das Prozedere nun laufend, die Veranstaltungen 2008 in Spanien werden in enger Kooperation zwischen den Spaniern und der ILAB vorbereitet. Ein anderes Thema: Die ILAB-Website hat eine vergleichsweise kleine Verkaufsplattform, ergibt so etwas angesichts der Konkurrenz überhaupt Sinn? Steinbach: Zu Anfang waren es um die 300 Teilnehmer, jetzt sind es mindestens doppelt so viele, und es kommen täglich mehr hinzu. Auch die Zugriffe auf die Suchmaschine haben sich drastisch erhöht, ebenso die Verkäufe. Seit einiger Zeit werben wir bei Google und konnten den Bekanntheitsgrad dadurch erheblich steigern. Aber unsere Website hat wesentlich mehr zu bieten als „nur“ die Suchmaschine. Sie wird regelmäßig aktualisiert mit Terminen, Messedaten, Katalogen der ILAB-Antiquare und Berichten aus dem internationalen Antiquariatsbuchhandel. Im Mitgliederbereich gibt es ein „security announcement“. In Zusammenarbeit mit Bibliotheken und Kriminalämtern gibt es dort eine Liste gestohlener Bücher. Scotland Yard hat so den Raub von 100 Karten aus der dänischen Nationalbibliothek aufklären können. Vor Ihnen liegt (mindestens) ein weiteres Jahr als ILAB Präsident. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz? Steinbach: Wir haben einiges erreicht, einiges angestoßen. Das ist nicht immer einfach bei den geringen finanziellen Mitteln, die einer ehrenamtlichen Organisation zur Verfügung stehen. Wir müssen offensiver Werbung in eigener Sache machen, nach außen in der Öffentlichkeit, nach innen in der Antiquariatsbranche. Wir haben als Antiquare nur eine Chance zu überleben, wenn wir miteinander arbeiten und nicht gegeneinander. Interview: Barbara Werner van Benthem