Gottesdienst im Laden

Buchhandlung statt Kirche

22. August 2019
von Börsenblatt
Die Wittlicher Altstadt-Buchhandlung hat ein neues Veranstaltungsformat getestet – mit vollem Erfolg.

Eine besondere Premiere fand am 6. November im rheinland-pfälzischen Wittlich (19.000 Einwohner) statt: Zum ersten Mal wurde hier ein überkonfessioneller Literaturgottesdienst in einer Buchhandlung veranstaltet. Es war Kaplan Carsten Scher von der katholischen Pfarreiengemeinschaft Wittlich, der mit dieser ungewöhnlichen Idee auf die Sortimenterinnen der Altstadt-Buchhandlung zuging. Gemeinsam dachten sie über einen passenden Titel nach – und wählten das Jugendbuch "Glück ist eine Gleichung mit 7" (Hanser) von Holly Goldberg Sloan aus – ein Titel, den Buchhändlerin Alexandra Marbach schon einmal im Vorfeld als Lieblingsbuch vorgestellt hatte.

Das Buch erzählt vom zwölfjährigen Waisenmädchen Willow, das auch noch seine Adoptiveltern verliert – und sich trotzdem seinen Charme und einen besonderen Blick auf die Welt bewahrt. Mit dieser Einstellung verändert die junge Heldin auch das Leben der Mitmenschen – eine Geschichte, die viele Ansatzpunkte für religiöse Themen und damit für einen solchen Gottesdienst bietet.

"Wir hatten anfangs nur 15 Stühle aufgestellt, aber dann kamen immer mehr Leute und der Laden wurde voll", berichtet Inhaberin Claudia Jacoby. Denn neben den Stammkunden der Buchhandlung besuchten viele Interessierte aus der Pfarreiengemeinschaft die kostenlose Veranstaltung. Eine Gruppe aus Ehrenamtlichen hatte den Literaturgottesdienst vorbereitet und beispielsweise eigene Texte verfasst, die zum Buch passen und im Gottesdienst vorgetragen wurden. Für den musikalischen Rahmen sorgte ein Organist, der den Gottesdienst auf seiner mitgebrachten Orgel stimmungsvoll begleitete. Musik, Texte, die Worte des Kaplans, die vielen Besucher – alles zusammen habe die Buchhandlung zu einem "Ort der Begegnungen" gemacht, so Alexandra Marbach.

Nach der Veranstaltung wurde das Buch zum Bestseller in der Altstadt-Buchhandlung; noch Monate später kamen Kunden in den Laden und fragten nach dem Buch "aus dem schönen Gottesdienst", wie Jacoby berichtet. Für die Inhaberin war die Veranstaltung nicht in erster Linie mit einem kommerziellen Ziel verbunden: "Es sollte eine bereichernde Veranstaltung werden, offen für alle Konfessionen."

Weitere Literaturgottesdienste an ungewöhnlichen Orten sind geplant – auch ein Kaufhaus oder ein Bestattungsinstitut könnte dafür infrage kommen. Die Atmosphäre der Schauplätze werde den Gottesdiensten ihre Einzigartigkeit verleihen, meint Claudia Jacoby. "Kirche heißt nicht nur, sonntags in den Gottesdienst zu gehen."

Kontakt zum Ideengeber:

Altstadt-Buchhandlung Wittlich

ClaudiaJacoby

info@altstadt-buchhandlung.biz