Kann, soll man die Konditionen zwischen Buchhandel und Verlagen gesetzlich regeln, vielleicht Obergrenzen für Rabatte festlegen? Oder hilft eher ein Kodex, eine freiwillige Vereinbarung, die es kleineren und mittleren Wettbewerbern möglich macht, auf dem Markt zu bestehen? Darüber wurde beim Landesverband Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen so engagiert wie auch etwas ratlos diskutiert in einer gemeinsamen Sitzung der Fachgruppen Herstellender und Verbreitender Buchhandel, die der eigentlichen Hauptversammlung am Mittwoch in Leipzig vorangestellt war.
Das Preisbindungsgesetz mache in der Konditionenfrage keine genauen Vorgaben, erläuterte dabei Adil-Dominik Al-Jubouri von der Rechtsabteilung des Börsenvereins. Es spreche nur davon, dass bei der Gestaltung der Konditionen der kulturelle Beitrag des Buchhandels angemessen berücksichtigt werden solle. Doch was angemessen ist, wissen wir nicht, skizzierte Al-Jubouri des Dilemma: Um die Stimmung aufzunehmen, sei er deshalb nach Leipzig gekommen.
Der Leipziger Verleger Mark Lehmstedt zeigte sich über die Konditionen auf das allerhöchste beunruhigt. Ich sehe bei 55, 60 Prozent keine Handhabe, das ist ein Problem, das den stationären Buchhandel und die Verlage fundamental trifft. Die Schutzfunktion der Preisbindung werde so unterlaufen, ein Weiterdrehen der Rabattschraube für eine weitgehende Marktbereinigung sorgen.
Karla Tentrup-Klein (St. Michaelis, Sangerhausen) bestätigte das aus Buchhändler-Sicht: Die Großen verhandeln strikt durch. Meine Kosten steigen und steigen, aber die Konditionen sind für mich nicht verhandelbar. Dass der Börsenverein kein Verfahren einleiten könne, um bei der Rabattspreizung für Klarheit zu sorgen, machte Al-Jubouri deutlich das könnten nur die Marktteilnehmer selbst. Nicht nur Frank Stübner, Vorsitzender der Fachgruppe Herstellender Buchhandel, plädierte deshalb eher für eine Art Verhaltenskodex: Es gibt ja Vereinbarungen, man muss prüfen, was noch zeitgemäß ist. Wir müssen miteinander sprechen statt die Sache juristisch anzugehen.
Zuvor hatte Jurist Al-Jubouri in einem Rundumschlag dargestellt, was die Rechtsabteilung derzeit an aktuellen Preisbindungsfragen beschäftigt darunter eine Weltbild-Annonce, die mit der Angabe früher 19,95 EUR jetzt nur 10 EUR wirbt. Der Hinweis, dass die Preisbindung für den Titel aufgehoben ist, fehlt. Auch die Handelskette Rewe sei abgemahnt worden, weil sie für einen Harry Potter-Roman den regulären Preis als Aktionspreis beworben habe. Die Marktleiter dieser Filialen haben meist keine Ahnung von der Preisbindung; wenn sie abgemahnt werden, geben sie in der Regel sofort die Unterlassungserklärung ab, so Al-Jubouri.
Zu Beginn der ganz normalen (weil ohne Wahlen stattfindenden)18. Hauptversammlung beschäftigte sich der Vorsitzende Wilfried Bengsch mit der Mitgliederentwicklung. Derzeit habe der Landesverband 548 Mitglieder und zur wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen gebe es ebenso viele Antworten: Die Wirtschaftsdaten zeigen eine vorsichtige positive Entwicklung, die gefühlten Temperaturen sind bei vielen Kollegen weit niedriger.
Die Finanzzahlen stimmten Schatzmeister Dieter Baer nachdenklich. Habe man 2007 mit einem Minus von 2000 EUR abgeschlossen, so weise der Plan für 2008 von vornherein ein Minus von 4000 EUR aus. Das ist ungewöhnlich, aber wir wollen bei den Leistungen für die Mitglieder keine Abstriche machen. Angesichts dieser Situation wurde der Vorstand einstimmig (bei einer Enthaltung) damit beauftragt, eine moderate Beitragserhöhung vorzubereiten.
Dann war natürlich auch die BAG Thema in Leipzig, Wilfried Bengsch äußerte Verwunderung, Entsetzen, Ungläubigkeit, Wut und Zorn« über die Vorgänge, am Ende stehe aber auch große Dankbarkeit, dass der Börsenverein die BAG aufgefangen hat.
Niemand plädierte dafür, die Ehrenamtlichen zur Rechenschaft zu ziehen und in Haftung für die Schäden zu nehmen, aber Michael Faber (Faber & Faber) forderte, es dürfe in Zukunft "keine Entlastung für ein solches Vergehen geben, denn das ist es und man muss es auch so geißeln.
Die damaligen ehrenamtlichen Aufsichtsräte nicht in Regress zu nehmen dieser Beschlussvorschlag zur BAG wurde bei vier Enthaltungen angenommen, allerdings mit der Ergänzung, dass der Vorstand des Bundesverbandes den Mitgliedern möglichst zu den Buchhändler-Tagen in Berlin einen detaillierten Bericht vorlegen soll zu den Ursachen der BAG-Krise, zur Rolle des Aufsichtsrates, zu den sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Zum Abschluss des Tages im Leipziger Haus des Buches war dann Friedenspreisträger Friedrich Schorlemmer zu Gast beim Landesverband. Was habe die Ostdeutschen noch zu sagen? Oder: Was bringen Ostdeutsche in die Demokratie ein? war sein Thema und auf den ersten Ansatz einer einfachen Antwort: Nichts folgte ein Rückblick vor allem auf die genutzten und vergebenen Chancen der Wende, der wunderbaren Selbstbefreiung, der unerwarteten Einheit. Schorlemmer warnte davor, DDR nur als die drei Kürzel Doping, SED und Stasi zu sehen, erinnerte an die große Zahl guter Schriftsteller, die wir hatten und an das Ernstnehmen von Literatur. Was die Zensur verdrängte, war wohl wichtig; die Zensur war ein Gradmesser wie heute die Spiegel-Bestsellerliste.
Schorlemmer blickte zurück auf die große Erfahrung, ohne Gewalt eine Diktatur abzuschütteln und demokratische Strukturen aufzubauen, fragte aber mit Blick auf 2009, den 20. Jahrestag der Wende: Läßt sich die Deutungshoheit des Westens über das Leben im Osten wieder zurücknehmen? Ich lasse mir ungern erklären, wie wir gelebt haben. Schorlemmers Fazit: Wir haben ein gescheitertes Experiment erlebt, aber man sollte nicht hinterher die Utopien wegwerfen, die damit verbunden waren und bleiben. Auch der zählt, der nicht zahlen kann. Das können die Ostdeutschen in die Demokratie einbringen.