Braucht Deutsch als Wissenschaftssprache einen eigens geförderten Schutzraum?
Erler: Deutsch ist die meistgesprochene Sprache in der Euopäischen Union. Wir starten also von einem hohen Niveau. Dennoch ist der Gebrauch von Deutsch kein Selbstläufer mehr, auch und gerade in der Wissenschaft nicht. Die Sprache des internationalen wissenschaftlichen Austausches ist heute unbestritten Englisch. Gleichzeitig wollen wir aber, dass die Arbeiten unserer Forscher und Sachbuchautoren, dass herausragende Veröffentlichungen schnell dem internationalen Publikum zugänglich gemacht werden. Mit unserem neuen Übersetzungsprogramm unterstützen wir die häufig notwendige Übertragung ins Englische.
Totgesagte leben länger, heißt es. Sind die Geisteswissenschaften eine aussterbende Gattung, wenn sie ein spezielles Förderprogramm nötig haben?
Erler:Ganz im Gegenteil! Vielmehr ist es erfreulicherweise so, dass die internationale Orientierung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland auch im Bereich der Geisteswissenschaften stetig zunimmt deutsche Universitäten suchen den Austausch. Aber auch in die Gegenrichtung besteht großes Interesse: Vor allem bei Studierenden aus den europäischen Nachbarländern, aus Nordamerika und Australien sind Geisteswissenschaften in Deutschland sehr beliebt. Unsere Mittlerorganisationen, wie der DAAD und die Alexander von Humboldt-Stiftung, machen sich das Interesse zu Nutze: Sie fördern in überdurchschnittlichem Maße Studierende und Nachwuchswissenschaftler in den Geisteswissenschaften. Geisteswissenschaften International ist ein weiterer Mosaikstein, der dazu beitragen soll, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Geisteswissenschaftler unter Beweis zu stellen.
Warum ist es Sache des Auswärtigen Amtes, sich hier zu engagieren?
Erler:Gerade in unserer heutigen multipolaren Welt müssen wir uns verstärkt dafür einsetzen, dass wir verstanden werden. Deutsche Sprache, deutsche Kultur sind keine Selbstläufer mehr. Nach der Förderung der deutschen Auslandsschulen und von Schulen mit verstärktem Deutschunterricht wird sich das Auswärtige Amt 2009 für die Außenwissenschaftspolitik einsetzen. Es muss in unserem Interesse sein, die deusche Hochschullandschaft zu internationalisieren: etwa durch eine stärkere Vernetzung ins Ausland. Dabei werden sie die über 200 deutschen Auslandsvertretungen unterstützen!
Ist das Engagement auf Dauer angelegt?
Erler:In der Kulturarbeit kann man nur auf längere Sicht Wirkung erzielen. Insofern muss unser Engagement von Dauer sein. Deshalb haben wir mit unseren Partnern dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Fritz Thyssen Stiftung - vereinbart, in drei Jahren Bilanz zu ziehen und gemeinsam zu entscheiden, wie wir unser Engagement weiterentwickeln.
Das Auswärtige Amt ist auch bei den Buchmessen Partner des Börsenvereins. Hat das Buch einen besonderen Platz im Kulturaustausch?
Erler:Deutschland steht für eine hohe Buch- und Lesekultur. Deutsche Kinderbücher zum Beispiel genießen weltweit einen sehr guten Ruf und feiern publizistische Erfolge, gerade im Ausland. Sie sind mehr oder weniger ein Selbstläufer. Wir wollen aber auch in anderen Fällen deutsche Verlage dabei unterstützen, deutsche Literatur nach außen zu tragen und ausländische Literatur ins Deutsche zu übersetzen. Daher fördern wir die Literaturvermittlung mit Übersetzungsprogrammen und preisen. Wir fördern aber auch jährlich über 20 Beteiligungen deutscher Verlage an ausländischen Buchmessen. Man kann also schon sagen, dass wir dem Buch als Medium eine hohe Bedeutung zu sprechen!
Für Wolfgang Frühwald, Jurysprecher beim Förderprogramm, deutet sich mit der Beteiligung des Auswärtigen Amtes auch eine Trendwende in der auswärtigen Kulturpolitik an ¬ weg vom Sparkurs, hin zum intensiveren Einsatz. Ist das so?
Erler:Die herben Einschnitte, die in den zurückliegenden Jahren in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu verkraften waren, haben wir seit 2006 auch dank der Unterstützung durch den Deutschen Bundestag zurückgenommen. Wir haben die Auswärtige Kulturpolitik aber nicht nur finanziell besser aufgestellt, sondern haben auch inhaltlich neue Akzente gesetzt. Dazu gehören die Reform des Goethe-Instituts, die Stärkung der deutschen Schulen im Ausland und die verstärkte kulturelle Zusammenarbeit mit unserem Nachbarkontinent im Rahmen der Aktion Afrika.
Das Förderprogramm:
"Geisteswissenschaften International Preis zur Förderung der Übersetzung geisteswissenschaftlicher Werke", ausgelobt von Börsenverein, Thyssen Stiftung und dem Auswärtigen Amt (Dotierung: 400.000 Euro im Jahr).
Bewerben können sich Verlage mit akademischen Publikationen aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften, die Titel ihrer Wahl mit einer kurzen Begründung vorschlagen. Einsendeschluss für die erste Runde ist der 1. Juni.
Die Ausschreibungsunterlagen können unter
abgerufen werden.
Informationen gibt es bei Anke Simon vom Börsenverein, Telefon: 069 / 1306-517, E-Mail:
simon@boev.de.