Ein Drittes Programm aus München

Random House mit neuem Rhythmus

24. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die Zweiteilung des Buchjahres ist längst größerer Flexibilität gewichen. Random House verabschiedet sich jetzt ganz von alten Traditionen und gibt einen völlig neuen Rhythmus vor: Das Unternehmen bietet dem Buchhandel nicht mehr zwei, sondern drei Programme an und schickt seine Vertreter im Herbst noch einmal auf die Reise. Ein Interview mit Marketinggeschäftsführerin Claudia Reitter und Vertriebsleiterin Susanne Lange.
Sind Traditionen nur noch dazu da, um über Bord geworfen zu werden? Lange: Wir sind große Anhänger buchhändlerischer Traditionen. Aber vielleicht kann man ja neue Traditionen begründen. Wir erfinden nicht die Branche neu, es geht darum, im kalendarischen Herbst ein drittes Programm anzubieten, das schließt eine zusätzliche Vertreterreise ein. Sowohl die Frühjahrs- als auch die Sommerreise bleiben. Wir haben festgestellt, dass die Abverkäufe im Buchhandel über das ganze Jahr relativ gleich sind, außer im Dezember, wo sie deutlich zunehmen. Für Buchhändler ist das eine altbekannte Tatsache, für uns in der Schärfe jedoch eine neue Erkenntnis. Künftig wollen wir das Sortiment zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Büchern versorgen und für das erste und das wichtige vierte Quartal gezielter neue Titel anbieten. Gibt es nicht nach wie vor stärkere und schwächere Monate für den Buchverkauf? Reitter: Es hieß immer, dass der Mai ein ganz schwacher Monat ist. Das mag früher auch so gewesen sein, hat sich aber längst geändert. Die Media Control-Zahlen zeigen das deutlich. Die Nachfrage des Lesers nach Büchern wird immer stärker durch die Berichte in den Medien geprägt. Was dort be- und verhandelt wird, suchen die Kunden im Buchhandel. Und die Journalisten selbst sind umgekehrt permanent auf der Suche nach Themen – die vielen Talkshows wollen auch versorgt werden. Lange: Zugespitzt formuliert: Wenn wir weiter der alten Tradition folgen, beliefern wir den Handel am Markt vorbei mit Büchern. Mit dem zusätzlichen Programm können wir den Markterfordernissen eher entsprechen. Ist die Dreiteilung für Sie also auch die Möglichkeit, sogenannte Schnellschüsse nicht mehr gesondert anbieten zu müssen, sondern sie ins Programm zu integrieren? Reitter: Ja, darum geht es auch. Der Buchhändler stöhnt bereits jetzt über die Vorschauenflut, die zudem immer früher über ihn hereinbricht. Sie erhöhen jetzt noch einmal den Druck. Reitter: Wir haben schon seit einiger Zeit zwei zusätzliche Vorschauen verschickt, die verlagsübergreifend Titel gebündelt haben. Die Vertreter waren sogar viermal unterwegs, allerdings nicht flächendeckend. Das heißt, der Buchhändler war es gewohnt, im April/ Mai und im November/ Dezember zusätzlich mit Novitäten bedient zu werden. Aber es stimmt: Was der Buchhandel zu bewältigen hat, ist enorm. Die Stärken des Buches liegen eher in Gründlichkeit und Nachhaltigkeit. Muss es sich dem Tempo der anderen Medien anpassen? Sollte man nicht an der Entschleunigung arbeiten? Lange: Das Tempo geben nicht wir vor, sondern die Leser und Mediennutzer. Analysen in großen Buchhandlungen haben gezeigt, dass Stammkunden alle vier Wochen ins Haus kommen und beim Rundgang durch die Buchhandlung immer wieder Entdeckungen machen wollen. Voraussetzung dafür sind nicht nur neu erschienene Titel – das Sortiment kann auch schlicht anders arrangiert werden. Der Monatsrhythmus wird von der Leserschaft bestimmt, das ist eine der entscheidenden Marktveränderungen. Durch die Medien wird besonders bei Sachbüchern ein Hype ausgelöst, am nächsten Tag stehen die Kunden im Buchladen und nach einem Monat ist das Thema möglicherweise durch. Buchhändler verzweifeln schier daran, dass sie erst die Nachfrage nicht schnell genug bedienen können, dann zu viele Bücher einkaufen und sie nicht mehr abverkaufen. Reitter: Das ist bei der Belletristik zum Glück anders. Das neue Modell bedeutet im übrigen nicht, dass die Bücher schneller, sondern gezielter produziert und vertrieben werden. Wir versuchen, dem einzelnen Buch einen profilierteren und eigenständigeren Auftritt zu geben. Das ist eine Entschleunigung! Werden elektronische die papierenen Vorschauen ablösen und zu noch weit größerer Aktualität und höherem Tempo führen? Reitter: Wir stellen ja schon lange die Vorschauen auch online zur Verfügung, aber die Betonung liegt auf auch. Wir wissen, dass viele Kunden sich gerne online vorab informieren, aber viele eben auch die gedruckten Vorschauen als Arbeitsgrundlage nicht missen wollen. Verlage wie Fischer oder Rowohlt bringen ihre Titel bereits seit längerem konsequent übers ganze Jahr verteilt auf den Markt, ohne jedoch ein zusätzliche Vorschau anzubieten. Braucht es diese, um die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen? Reitter: Es gab immer das Problem, dass Bücher, die von Januar bis März und vereinzelt noch im April erschienen sind, bereits in den im Dezember versandten Frühjahrsvorschauen angekündigt wurden. Die Vertreter waren dann von Januar bis April unterwegs. Zu diesem Zeitpunkt, also im April, wurden die Bücher aber längst vom Kunden nachgefragt, die Buchhändler mussten ihre Informationen über die Titel also anders beziehen. Ähnlich war es im Sommer. Jetzt hingegen sind Angebots- und Erscheinungszeitraum viel besser aufeinander abgestimmt. Die großen Sortimente haben mittlerweile ein komplettes Jahr im Blick und planen sogar darüber hinaus. Ihnen schulden wir eine größere Vorausschau. Die mittelständischen Kunden wiederum möchten von uns wissen, was in den nächsten zwei, drei Monaten passiert, auf welche Autoren sie setzen müssen. Lange: Die Stichworte heißen Entzerrung von Auslieferungsrhythmen und Konzentration auf verkaufsstarke Zeiten.So können wir das umsatzstärkste Quartal und den starken Januar noch punktgenauer bedienen. Will der Buchhandel denn überhaupt die Vertreter im Herbst noch mal empfangen? Lange: Dafür braucht es gute Argumente und starke Titel. Die Vorteile für den Händler liegen dann auf der Hand. Aber er muss natürlich noch Zeit für einen Termin frei räumen. Bei manchem gibt es noch ein gewisses Zögern. Wir müssen gemeinsam eine gute Lösung finden. Reitter: Endgültige Auskunft werden wir zum Jahresende geben können, wenn wir die Premiere hinter uns haben. Aber es ist natürlich wie bei allen neuen Dingen: Es muss sich einschwingen. Was sagen Ihre Vertreter? Reitter: Das Ganze ist natürlich eine Veränderung für das ganze Haus und gerade jetzt im Übergangsjahr eine enorme Herausforderung für alle. Da muss man gelegentlich ein bisschen Baldrian verteilen. Es ist für alle eine Umstellung, vor allem auch für die Programmmacher, doch eine, die ein gleichmäßigeres, intensiveres Arbeiten erlaubt. Es wird eine dritte Vertreterkonferenz geben. Aber weil wir insgesamt konzentrierter und fokussierter arbeiten wollen, ist der zeitliche Mehraufwand begrenzt. Machen Sie mehr Titel? Reitter: Nein. Wir glauben auch nicht, dass der Markt wirklich mehr Titel verträgt. Sind alle Verlagsprogramme übers Jahr betrachtet geeignet für eine Dreiteilung? Lange: Nein. Im ersten Schritt sind alle großen Verlagseinheiten einbezogen: Heyne, Goldmann, Blanvalet, btb. Wir rechnen aber damit, dass die Kollegen der anderen Verlage sukzessive auf das Angebot zurückgreifen. Unsere Programmmacher haben eher die Chancen gesehen, weniger mögliche Schwierigkeiten. Ihr Haus hat schon einmal eine Monatsauslieferung von Hardcovern versucht. Das Ganze aber wieder eingestellt ... Lange: Wir bauen nicht monatlich neue Programme. Wir suchen die passenden Monate für die entsprechenden Bücher, das heißt nicht, dass in jedem Monat gleich viele Bücher erscheinen. Reiter: Man muss das ganz genau planen und abstimmen. Aktionismus ist hier sicher fehl am Platz. Werden sich die Programme unterscheiden: im Sommer eher leichte Kost und im Herbst schwerere? Reitter: Nein. Wer unterhalten werden will, der will dies das ganze Jahr über. Und wer Anspruchsvolles lesen will, der beschränkt sich nicht auf bestimmte Monate. Werden Programme zusammengeführt, damit es bei kleineren Programmen so ausreichend Titel für die Dreiteilung gibt? Reitter: Nein. Die Individualität der einzelnen Verlage bleibt unangetastet. Aber ist es dann nicht nur eine halbe Lösung und sie produzieren mit einem Teil der Verlage weiter an den Wünschen des Kunden vorbei? Lange: Es steht allen Verlagen offen, wann sie einzelne Titel veröffentlichen. Es gibt dann eben eine zusätzliche Vorschau, oder ein Highlight, das besonders hervorgehoben wird. Welche Zuwächse erhoffen Sie sich? Reitter: Wir hoffen, das einzelne Buch erfolgreicher zu machen und auch die Remissionsquote zu senken. Wir wollen versuchen, jedem Buch eine längere Verweildauer zu geben und schätzen, dass der richtige Zeitpunkt und das richtige Marketing den Umsatz um fünf bis zehn Prozent erhöhen kann. Der Buchhändler hat nur begrenzten Raum, um Bücher zu präsentieren. Sie wollen dort monatlich Ihre Titel sehen. Das geht nur, wenn sie andere verdrängen. Reitter: So würde ich das nicht sagen. Letztlich entscheidet der Leser, was ihm gefällt. Wir machen Angebote und sehen das nicht als Kampfansage. Im übrigen werden die Kollegen in den anderen Verlagen sicher derweil auch nicht tatenlos sein. Wie hoch sind die Mehrausgaben im Marketing? Reitter: Wir werden nicht mehr Geld ausgeben, aber unser Marketing punktgenauer und maßgeschneiderter einsetzen.