Paschen & Companie

Paschen-Party in Wadersloh

24. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Der Regalbauer Paschen & Companie, seit Jahresbeginn Partner des Deutschen Buchpreises, feierte vergangene Woche im ostwestfälischen Wadersloh sein 125-jähriges Jubiläum. Als Festredner war Gottfried Honnefelder mit von der Partie. Wir veröffentlichen seine Rede im Wortlaut:
Lieber Jan Paschen, lieber Christian Paschen, liebe Familie Paschen, liebe Paschen & Companie, liebe Freunde, meine verehrten Damen, meine Herren! Annäherung an ein Bild Ein spätbürgerliches Genre-Bild aus dem Jahre 1883. Ein gestelltes Gruppenbild mit 21 Personen, mit 11 Damen und 10 Herren, alle sind festlich gekleidet, sie schauen den Betrachter mit ernster Miene an. Die Damen tragen einen sommerlichen Hut, zwei Damen halten einen Sonnenschirm, die Roben sind bis auf zwei hoch geschlossen. Die Damen sind schön anzusehen und – bemerkenswert, weil überraschend für die Zeit - in der Überzahl. Die Herren tragen Zylinder. Zwei Herren im Zentrum des Bildes haben Platz genommen, der eine hält seinen Zylinder in der Hand, der andere stützt sich auf seinen Stock, als wolle er aufbrechen. Selbstbewusstsein und Aufbruch! Die übrigen Personen umrahmen das Ausdruckszentrum der beiden. Es herrscht gespannte, statische Aufmerksamkeit – als wolle man die Bilanz eines ganzen Jahrhunderts in diesen Augenblick bannen. Dann die Verfremdung - der Hintergrund des Bildes. Wir sehen Regale. Bücherregale. Eine moderne Privatbibliothek, vor der die Gruppe sich versammelt hat. Unzweifelhaft: Wir sehen Paschen & Companie. Als Bildlegende lesen wir: „1883 – 2008“. Und weiter: „Paschen – 125 Jahre“. Und dass Paschen nicht allein von Geist und Ideen, nicht allein von Holz, Leim und Furnier abhängt, sondern von kulturellen Voraussetzungen, die das Unternehmen selbst nicht erbringen kann, zeigt ein kleines, aber selbstbewusstes Logo: „Partner des Deutschen Buchpreises“. Was sagt uns diese Annäherung an ein Bild? Offensichtlich dominieren vier Eindrücke - von denen ich hoffe, dass Paschen & Companie sie teilen kann: 1. Paschen versteht sich aus seiner eigenen Geschichte. 2. Paschen versteht sich als Familienunternehmen. 3. Paschen versteht sich als unabhängige Companie, deren Zukunft in der freien Entwicklung von Form, Funktion und Stil für einen definierten Markt liegt. 4. Paschen weiß, dass eine Zukunft in Unabhängigkeit nicht vom Unternehmen allein garantiert werden kann – und sei es noch so stark -, sondern dass seine Zukunft an kulturellen Voraussetzungen hängt, die es selbst nicht erbringen kann. Zum ersten Eindruck: Dass 125 Jahre eines Unternehmens nur eine Geschichte von Erfolgen und von Krisen sein kann, versteht sich von selbst. Dass ein solches Unternehmen aber nach 125 Jahren – in fünfter Generation in Familienbesitz - immer noch besteht - unabhängig, gesund und erfolgreich -, ist in keiner Weise eine Selbstver- ständlichkeit. Für Paschen war der Weg von Hamburg nach Westfalen im Jahr 1949 ein Neuanfang, aber er war auch das Zeichen des rechten Weges und einer glücklichen Hand. Und heute erscheint Hamburg - von Westfalen aus gesehen – für die zukünftigen Firmenaktivitäten nicht nur Vergangenheit zu sein. Zum zweiten Eindruck, zum Familienunternehmen: Ein Unternehmen – so haben wir gelernt – ist definiert durch Zweckrationalität. Seine Ziele richten sich nach Rentabilität, Produktivität und Wachstum. Im Gegensatz zum Wirtschaftsunternehmen ist die Familie nicht durch Zweckrationalität definiert, sondern durch Werte. Wenn wir die Familie nicht nur als biologische Reproduktionsanstalt verstanden wissen wollen,dann ist die Familie, zumal wenn sie alt ist, mehr als eine Generationskette. Ihr Wert liegt in der Kontinuität und in der Gemeinsamkeit von Generationen. Die Familie hat so etwas wie eine Wertgeschichte. Sie ist eine genuin kulturelle Größe, während das Wirtschaftsunternehmen seine Kultur, seine Philosophie, seine Corporate Identity erst sekundär als Mittel zum Zweck definiert - und dabei oftmals einer vermeinten Tradition geradezu hinterherhechelt. Keine Familie bleibt zusammen, nur um das Vermögen zu mehren, sondern um Kontinuität zu zeigen – amerikanische Wirtschaftshistoriker haben das unter dem Begriff der value history gefasst. Nach Hegel ist denn auch die Familie - wie der Staat - eine der großen gesellschaftlichen Institutionen. In eine Familie werden wir hineingeboren, wir übernehmen ihre kulturellen Wertmuster, in ihr werden wir zu der Person, die wir sind, und in ihr lernen wir, uns einzugliedern in soziale Zusammenhänge. Und wir können lernen, unterschiedliche Lebensansichten zwischen den Generationen und innerhalb einer Generation auszutragen. - Oder auch nicht. Im Wirtschaftsunternehmen ist die Funktion des Managers gefragt, von dem erwartet wird, dass er eine Unternehmenskonzeption entwickelt und diese in die Köpfe der Mitarbeiter „transportiert“. In der Familie ist der „Chef“ oder sind die „Chefs“ diejenigen, die das Wertprofil der Familie produktiv an die nächste Generation weiterzugeben imstande sind. Der Familienchef agiert nicht allein durch Zweckrationalisierung, sondern durch Vorbild. Und dadurch erhält ein Familienunter- nehmen seine Identität. Es ist jene Freiheit des Handelns, die der Familienchef als Unternehmer durch sein Vermögen, seine kulturelle Identität und seine Familientradition hat. Jene Freiheit des Handelns, die ihn sagen lässt: „Das tue ich für kein Geld“ oder aber „Dafür tue ich alles“. Er kann in diesem Sinne auch riskanter und risikofreudiger handeln – und das kann möglicherweise zu einer besonderen Quelle des Erfolgs werden. In jedem Fall gilt: Unter Umständen verdient man mehr, wenn man nicht auf Gewinn fixiert ist. Meine Damen und Herren, die Ambivalenz des Familienunternehmens liegt wohl darin, dass Familie einmal als Last empfunden wird, weil die Geburt nicht die Eignung verbürgt, und zum anderen die Familienkultur gesucht wird, weil sie nicht zu kaufen ist. Paschen & Companie scheint diese Ambivalenz zu kennen und sie für die Gestaltung seiner Zukunft zu nutzen – das zeigt das Bild von 1883. Der dritte Eindruck, den das Bild vermittelt, lässt den Betrachter fragen, was es bedeutet, unabhängig zu sein? Der Begriff der Unabhängigkeit deutet in mehrere Richtungen. Im politischen Kontext bezeichnen wir damit Länder oder Organisatio¬nen, die sich selbst regieren und nicht von jemand anderem regiert werden. Unabhängigkeit im Sinne von Freiheit zielt auf das Fehlen oder die Abwehr gegenseitiger Einflüsse. Im Bereich der Rechtswissenschaft heißt Unabhängigkeit wiederum etwas anderes, nämlich Souveränität. Sich selbst regieren, Abwehr gegenseitiger Einflüsse, Souveränität – das alles passt auch zur Typologie eines unabhängigen Unternehmens. Doch reicht es aus? Was fehlt, ist die zentrale Verfaßtheit der Eigenständigkeit. Sie hat zwei Seiten, eine unternehmerische und eine psychologische: Wer eigenständig – oder selbständig – ist, übt einen Beruf aus auf eigenes finanzielles und soziales Risiko. Und: Wer eigenständig ist, hat die Möglichkeit und das Selbstbewusstsein, in eigener Verantwortung Entscheidungen treffen zu können. Die unternehmerische und die psychologische Seite, zusammen sind sie der eigentliche Grund, sich selbständig zu machen. Mit eigener Verantwortung zeigt man die Bereitschaft und im Falle des Erfolgs die Fähigkeit, für das eigene Handeln, das Reden und das Unterlassen, einstehen zu können. Man nimmt sein Schicksal, um im Bild zu bleiben, in die Hand. Und nicht nur sein eigenes, sondern auch das anderer Menschen, die im Unternehmen und in seinem Wirkungsfeld beschäftigt sind. Zum vierten Eindruck, den der Hintergrund des Bildes von 1883 vermittelt, den Regalen einer modernen Privatbibliothek. Für Paschens Regale reicht die Begriffserklärung des Duden als eines Gestells mit Fächern nicht aus: Was wir sehen, sind ehältnisse für die Phantasie, Inszenierungen eines intellektuellen Inhalts, High End eines Jahrhunderte alten Ziels, einem Inhalt seine Form zu geben, Form und Inhalt zum Einklang zu bringen. Aus Liebe zu Ihren Büchern steht auf dem Briefbogen von Paschen Bibliotheken. Dienst an der Bibliothek also wird hier in Wadersloh geleistet. Arnold Gehlen hat die Summe aller Bibliotheken „das in die Außenwelt verlagerte Gehirn der Menschheit“ genannt. Weshalb? Weil die Menschen es sich kollektiv nicht leisten können, zu vergessen. Sind wir damit beim heimlichen Geschäftsprinzip von Paschen & Companie angekommen? Im siebten Jahrhundert nach Christus war Kalif Omar verantwortlich für eines der damaligen sieben Weltwunder, für die berühmteste Büchersammlung der Alten Welt, nämlich die Bibliothek von Alexandrien. Berühmt geworden, um nicht zu sagen berüchtigt, ist er dadurch, dass er diese Bibliothek eines Tages anzünden und verbrennen ließ. Er hatte überlegt: „Wenn die Bücher dieser Bibliothek ihrem Inhalt nach mit dem Koran übereinstimmen, sind sie unnütz. Wenn sie nicht mit dem Koran übereinstimmen, sind sie schädlich. Sie stimmen also mit dem Koran überein oder nicht überein, sie sind demnach unnütz oder schädlich. In jedem Fall also müssen sie verbrannt werden.“ In die Logikhandbücher der Alten Welt ist Kalif Omars Argumentation als Schulbeispiel für das eingegangen, was man ein Dilemma nennt. Meine Damen und Herren, mit Regalen von Paschen wäre das siebte Weltwunder nicht in ein solches Dilemma geraten. Nicht, weil Kalif Omar ins Nachdenken gekommen wäre, wertvolle Paschen-Regale zu verbrennen. Nein: die Leser der Bibliothek von Alexandrien hätten es nicht zugelassen. Denn die Phantasie und ihr Behältnis, der intellektuelle Inhalt von Büchern und seine Inszenierung im Regal wären für die Leser ine solche Einheit an Qualität eingegangen, dass beides nicht mehr von einander zu trennen gewesen wäre.- Doch genug der Lobesvisionen für Paschens Bibliotheken. Paschen weiß - so war der vierte Eindruck des Bildes -, dass eine Zukunft in Unabhängigkeit nicht vom Unternehmen allein garantiert werden kann, sondern dass eine solche Zukunft an kulturellen Voraussetzungen hängt, die das Unternehmen selbst nicht erbringen kann. Seit dem vergangenen Jahr ist Paschen Partner des Deutschen Buchpreises. Mit diesem großen, bedeutenden Engagement für den wirkmächtigsten deutschen Buchpreis, für die deutsche Gegenwartsliteratur also, und damit für das Leitmedium Buch verweist Paschen auf die kulturellen Voraussetzungen seiner eigenen Tätigkeit. Was ist der Unterschied zwischen Preis und Preis? Paschen kennt ihn. Die Engländer auch. Sie haben anders als die Deut- schen zwei verschiedene Worte in Laut und Schrift: price und prize. Preiswürdig kann im Deutschen beides meinen: preiswürdig und preisgünstig. Heute reimen sich nebeneinander: „Ohne Fleiß kein Preis“ und „Der Preis ist heiߓ. Paschen sucht die Verbindung von Qualität und Preiswürdigkeit, weil Phantasie und ihr individuelles Behältnis, weil kulturelle Werte und deren jeweils eigene Inszenierungen, weil das Buch und sein Regal auch für Paschens Kunden zusammengehören. Des vielen Büchermachens ist kein Ende seufzt der alttestamentarische Salomo im 12. Kapitel des Buches der Prediger. Wir wünschen Paschen & Companie an seinem 125-jährigen Geburtstag für die kommenden 125 Jahre, dass Salomo recht behält. Dass die Voraussetzungen für Paschens herausragende Geschäftsidee sich immer mehr verbreitern und gleichzeitig individualisieren. Dass die Familie und ihre Geschichte kraftvoller Dreh- und Angelpunkt unternehmerischen Handelns bleibt. Und dass die Phantasie der Bücher die Ideen des Unter nehmens beflügelt. Quod felix faustumque sit.