Welche neuen Geschäftsmodelle und Inhalte im Web 2.0 voranzutreiben wären darüber unterhielten sich auch die Verleger auf dem Wiesbadener Fachpressekongress. Wobei man den Begriff "Vorantreiben" vielleicht besser vermeiden sollte. Denn von Treiben oder gar Vorantreiben kann kaum die Rede sein. Man tastet sich eher heran an die neuen Geschäftsmodelle und diskutiert wieder einmal mit mäßiger Begeisterung über die anstehenden Herausforderungen. Zu diffus ist die Vorstellung von Geschäftsmodellen, Redaktionen und Produkten der zweiten Generation. Zu diffus sind die Aussagen der Experten, wenn Fragen nach Umsatz und Machbarkeit thematisiert werden. Schön wäre ein klarer Blick auf den Verlag 2.0. Immerhin hier und da blitzte in den Vorträgen der Funke einer guten Idee oder nützlichen Einsicht auf. Dafür ist man dankbar.
Aber dann kommen die immer gleichen Killerargumente: Der Markt ist zu klein, die Branche zu speziell, die Technik zu langsam, die Leser nicht internetaffin, und schließlich: Die Mitarbeiter wollen nicht, können nicht, dürfen nicht. Brauchbaren Rat gibt es allerdings auch von den einzelnen Vertretern der Generation 2.0 kaum, die sich aufopferungsvoll bemühen, die Fachpresse-Mediendinosaurier mit Community-Entwicklungsstrategien zu füttern. Diese landen da man dem Nährwert in der Praxis misstraut gern im hohen Bogen völlig unverdaut wieder auf dem Parkett; das ist nicht nur unappetitlich, sondern auch wenig sättigend.
Diese neuen Ideen stammen aus einer anderen Welt: Wenn man sich einmal richtig alt fühlen will, besuche man Web-2.0-Konferenzen oder sogenannte Barcamps offene Veranstaltungen, die von den Teilnehmern selbst konzipiert werden. Hier bekommt man eine Vorstellung davon, was Online-Medien für die Professionals von morgen bedeuten und welche Rolle Kommunikation im Informationsprozess spielt. Das inspiriert, macht Spaß aber nicht satt. Denn die wenigsten Konzepte sind eins zu eins auf die Fachinformation übertragbar, und viele idealistische Ideen taugen nicht für den rauen Alltag, in dem die Umsatzzahlen herrschen.
Aber es gibt auch Branchenpersönlichkeiten, die Brücken schlagen können und vormachen, wie es gehen könnte. Der US-Verleger Rick Kline, President von Gardner Publishing in Cincinnati (Ohio), zeigte dies in seinem Wiesbadener Workshop-Vortrag. Unter dem brachialen Titel »Developing an Internet Category Killer Strategy for B2B Publishing« führte er detailliert die verschiedenen Lernerfahrungen und noch offenen Herausforderungen seiner Online-Aktivitäten auf.
Rick Kline ist ein Verleger 2.0, auch wenn er biologisch betrachtet als Vater des Medien-Nachwuchses durchgehen könnte. Er hat eingesehen, dass das Online-Medium eine kontinuierliche Dynamik erfordert die Fähigkeit, das Angebot immer wieder neu zu erfinden und den sehr schnell entwickelnden Erwartungen der User anzupassen. Ob seine "Killer"-Botschaft beim Publikum angekommen ist? Die Rezeptur "Vom Verleger 1.0 zum Verleger 2.0" ist eigentlich ganz einfach: Sei authentisch, sei ein Teamplayer und lerne, lerne, lerne.
Wie sieht aus Ihrer Sicht der Verlag 2.0 aus?