Anders als in den Gastländern der Vorjahre gibt es in der Türkei zur Zeit offenbar keine Kontroverse über den geplanten Auftritt und das Einladungsprogramm. »Es wurde kein Autor ausgeladen«, sagte die Co-Vorsitzende des Organisationskomitees Müge Sökmen. Der Auftritt, der unter dem Motto »Ein Land in all seinen Farben« steht, solle die Vielfalt des Landes und seiner Literatur widerspiegeln, sagte der Journalist Dogan Hizlan und warb für eine vorurteilsfreie Sicht auf das Land: »In der Türkei vermischen sich Osten und Westen.« Mit einer Haltung des Entweder-oder würde man der türkischen Gesellschaft nicht gerecht.
Ähnlich äußerte sich für einen Kurzbesuch auch der aus Ankara angereiste türkische Kulturminister: »Wir wollen unsere Literatur in ihrer ganzen Vielfalt mit nach Frankfurt bringen.« So weit ihm bekannt sei, müsse derzeit kein Schriftsteller aufgrund des Paragrafen 301 eine Haftstrafe verbüßen. Nach dem umstrittenen Paragraf drohten bislang für die so genannte »Verunglimpfung des Türkentums« mehrjährige Haftstrafen. Nach der jüngsten Reform - jetzt muss sich die »Herabwürdigung« explizit auf den türkischen Staat beziehen - ist eine entsprechende Anklage zwar schwieriger geworden, verschwunden ist die Drohung aber nicht. »Der Paragraf muss ganz weg. Er ist eine Schande für unser Land«, sagt der Schriftsteller Mario Levi, dessen Roman »Istanbul war ein Märchen« jetzt bei Suhrkamp erscheint.
»Warum ist türkische Literatur im Ausland weitestgehend unbekannt?«, fragte die Journalistin Dilek Zaptcioglu. Ihre Antwort: Viele Autoren würden auf ihre politischen Aussagen reduziert: »Je verfolgter ein Autor ist, umso bekannter ist er auch.« Eine solche Sicht verfehle jedoch das Eigentliche, die literarische Qualität eines Werks. Die Hoffnung der Türken: dass die Frankfurter Buchmesse daran Entscheidendes ändert.