Buchpreisbindung in Frankreich

Novellierung vorerst vom Tisch

24. Juli 2015
Johannes Wetzel
Nicht nur Frankreichs Verleger und Buchhändler atmen auf, sondern auch die Kulturministerin Christine Albanel. Mitglieder ihrer eigenen parlamentarischen Mehrheit hatten ihr mit Antrag, die gesetzliche Buchpreisbindung statt wie bisher nach zwei nun schon nach einem Jahr aufzuheben, erheblichen Ärger bereitet. Der Abgeordnete Jean Dionis du Séjour zog seinen Vorschlag zurück, noch bevor es am Dienstag zur Abstimmung über das "Gesetz zur Modernisierung der Wirtschaft (LME) kam, das auch diesen Artikel beinhalten sollte.
Sein Kollege Christian Kert hatte seinen Gedanken, die Frist gar auf sechs Monate zu verkürzen, schon vorher begraben. Tatsächlich meinten alle betroffenen Ministerien und Parlamentskommissionen, das sei keine gute Idee. Christine Albanel stellte fest, dass die 1981 unter Kulturminister Jacques Lang eingeführte Buchpreisbindung in Frankreich "die Entstehung eines außerordentlich dichten Netzes von Vertriebsstellen" ermöglicht habe, in dem die "unabhängigen Buchhandlungen ihre Stellung halten konnten". Der Vorsitzende des Verlegerverbandes SNE, Serge Eyrolles, befürchtete insbesondere, die vorgeschlagene Reform zerstöre den Markt für Taschenbücher, "die in der Regel zwölf bis vierundzwanzig Monate nach Erscheinen der Erstausgabe" verfügbar seien. Der Abgeordnete aber warnte, die Sache sei für ihn nicht erledigt. Er hält die Vernichtung von jährlich angeblich 80 bis 100 Millionen nicht verkauften Büchern für einen Skandal – aus Gründen des Umweltschutzes. Gewiss mag insbesondere angesichts des Internet- Buchmarkts tatsächlich einmal eine Novellierung des Gesetzes notwendig sein, so die Kulturministerin vor wenigen Tagen in einem engagierten, bedenkenswerten Beitrag für die Tageszeitung "Le Monde": "Aber was würde bei Halbierung der Preisbindungsfrist geschehen? Die Kaufhäuser, die nur die Bestseller anbieten, wären versucht, gerade den Preis jener Bücher zu drücken, die es unabhängigen Buchhandlungen finanziell erlauben, alle anderen Titel anzubieten. [...] Ich liebe Mary Higgins Clark, vor allem im Sommer, aber auch Jean Echenoz, Pascal Quignard, Camille Laurens... und ich will die Nathalie Sarraute von morgen entdecken können. [..] Die Buchpreisbindung erlaubt die Bezahlung von qualifizierten Buchhändler und hohen Innenstadtmieten, die Finanzierung des verlegerischen Risikos und der Arbeit der Autoren; [...] Die Preise treibt dieses Gesetz gewiss nicht in die Höhe, im Gegenteil: In den letzten Jahren stieg der Buchpreis geringer als die allgemeinen Lebenshaltungskosten. England liefert ein wertvolles Gegenbeispiel. 1995 wurde dort der Fixed Book Price aufgegeben. Seitdem stieg der Durchschnittspreis für Bücher um 49,6 Prozent, gegenüber 27,6 Prozent Anstieg der Lebenshaltungskosten. [...] Und die Zahl der Leser ist sogar leicht zurückgegangen."