Buchhändlertage

Börsenverein fordert Respekt für geistige Schöpfung

24. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
"Der Börsenverein fordert von der Bundesregierung ein Konzept für eine sinnvolle Stärkung des Schutzes schöpferischer Leistungen und kein Flickwerk", sagte Vorsteher Gottfried Honnefelder heute in Berlin. boersenblatt.net dokumentiert seine Rede zur Eröffnung der Buchhändlertage.
"Jung, innovativ und mit langer Tradition – so präsentiert sich die Buchbranche auf den Buchhändlertagen 2008, zu denen ich Sie, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, herzlich begrüße und willkommen heiße. Ich begrüße Julia Franck, Buchpreisträgern 2007, die uns mit ihrer Anwesenheit daran erinnert, dass berufliches Handeln von Verlegern und Buchhändlern an Voraussetzungen hängt, die sie selbst nicht erbringen können. Ich begrüße Herrn Dr. Günter Krings, den Berichterstatter der CDU/CSU Fraktion für das Urheberrecht, der die Buchbranche auf der politischen Bühne bereits seit Jahren konstruktiv kritisch begeleitet und dem ich an dieser Stelle für sein Engagement beim 2. Korb und – aktuell – sein Engagement beim § 52a sehr herzlich danke. Das Thema Urheberrecht ist so hochkomplex, dass es nur sehr schwer vermittelbar ist. Umso dankbarer sind wir, dass Herr Dr. Krings uns mit seinem Expertenwissen partnerschaftlich zur Seite steht. Ich begrüße Herrn Hans-Joachim Otto, den Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, der heute den Eröffnungsvortrag hält und durch seine Anwesenheit unterstreicht, dass Wirtschaft und Kultur keine Antipoden sind, sondern dass beides ohne das jeweils andere nicht machbar wäre. Jung, innovativ und mit langer Tradition – so habe ich die Buchbranche eben charakterisiert. Jung: Jung präsentiert sie sich auf den Buchhändlertagen insbesondere beim Nachwuchsprogramm – erstmals hat der Börsenverein den zentralen Branchentreff des Jahres um die „Jungen Buchhändlertage“ erweitert. Bei diesem sogenannten Azubi-Parlament machen sich rund 100 Auszubildende Gedanken über das Thema Zukunft und Ausbildung und nähern sich den Zukunftsfragen der Buchbranche über Workshops und Fachveranstaltungen praktisch. Zudem präsentieren heute Auszubildende der Buchbranche sich und ihren Ausbildungsberuf bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan. Dieser Besuch ist ein Baustein in der Kampagne „Mach deinen Beruf bekannt“, mit der die Auszubildenden gegen das ihrer Ansicht nach verstaubte Image der Ausbildung in Verlagen und Buchhandel aktiv werden. Innovativ: Wie viel Innovation in der Buchbranche steckt, das demonstriert das „Forum Zukunft“, das in diesem Jahr unter der Überschrift „Bildung 2.0: Medienkompetenz“ läuft. Es versteht sich als Zukunfts-Lotse für die Branche und als Ideenpool für Innovationen. Ich begrüße an dieser Stelle Barbara Hahlweg von ZDF heute, die die Moderation des „Forums Zukunft“ übernommen hat, das im Anschluss an die Eröffnung hier startet. Während der gesamten Buchhändlertage präsentiert das Forum im Foyer Zukunfts-Projekte wie das E-Learning-Programm der Schulen des Deutschen Buchhandels und Projekte und Ideen rund ums Web 2.0. Mit langer Tradition: Eine lange Tradition hat die Buchbranche ohnehin. Von Gutenberg will ich dabei gar nicht sprechen, sondern nur daran erinnern, dass der Börsenverein bereits 1825 gegründet wurde und wir morgen unsere – immerhin – 182. Hauptversammlung abhalten. Und – jetzt schlage ich eine Brücke zwischen Innovation und Tradition – noch immer ist ein Buch ist ein Buch ist ein Buch. Oder nicht? Ein Buch ist ein gebundenes Buch, ein elektronisches Buch, ein Hörbuch? Also doch: letztlich - ein Buch! Der Inhalt bleibt, die Aufbereitung, der Vertrieb und die Nutzung ändern sich. Das hat Auswirkungen auf die Arbeit in Verlagen, Buchhandel und Zwischenbuchhandel und selbstverständlich Auswirkung auf die Arbeit des Börsenvereins als Vertreter der drei Sparten. Auch auf den Buchhändlertagen befassen wir uns deshalb mit vielen Facetten der Digitalisierung. Die Kultur der Menschheit basiert auf Wissen und der Weitergabe von Wissen. Dabei sind Verlage Pioniere, denn sie geben einer geistigen Leistung – dem Rohstoff – erst Form und Gestalt und machen diese Leistung so zu einem gewinnbringenden Produkt für Leser und Nutzer. Das gilt gerade im digitalen Zeitalter, wo Nutzer des World-Wide-Web von oft genug nutzlosen Informationen überschwemmt werden. Wird die Arbeit von Verlagen also einerseits um zusätzliche Publikationswege und –formen erweitert, so wird sie andererseits aber auch massiv erschwert, denn diese Wege und Formen führen letztlich zu einer Selbstbedienungsmentalität der Nutzer. Was im Netz steht, ist frei zugänglich, kostet nichts und kann von jedem und zu jeder Zeit genutzt und vervielfältigt werden. Rund 200 Komponisten und Musiker, Autoren und Verleger sowie Schauspieler und Filmemacher haben deshalb auch in einem offenen Brief zum Tag des geistigen Eigentums in diesem Jahr, die Bundeskanzlerin aufgefordert, den Schutz kultureller Werke in der digitalen Welt zur „Chefsache“ zu machen. Das sollte auch die Kritiker aufmerksam machen. Das Thema „Geistiges Eigentum“ gehört zu den zentralen Themen der modernen Gesellschaft und es ist essentiell für die Existenz von Verlagen, Buchhandel und Zwischenbuchhandel. Wer das nicht versteht, begreift nicht, was es heißt „zu verlegen“. Verlage setzen sich für Inhalte ein, von deren künstlerischer Bedeutung oder Relevanz für ein Sach- oder Fachgebiet oder von deren Nutzwert für den Leser sie überzeugt sind - und zwar in einem Maß, dass sie sich davon einen wirtschaftlichen Erfolg versprechen. Das ist Qualitätskontrolle, die selbstverständlich honoriert werden muss. Gerade im digitalen Zeitalter. Wenn jetzt in Kürze entschieden wird, ob die Befristung der Regelung zur genehmigungsfreien Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in den Intranets von Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufgehoben werden soll, der sogenannte § 52a des Urheberrechts-Gesetzes, dann stehen diese eben angesprochenen zentralen Eckpunkte des Verlegens zur Debatte. Nicht mehr und nicht weniger. Denn wenn die gesamte Kernzielgruppe einer Publikation diese tausendfach kostenlos und in Originalfassung zur Verfügung gestellt bekommt, dann lohnt sich das Verlegen nicht mehr. Der Börsenverein fordert von der Bundesregierung deshalb ein Konzept für eine sinnvolle Stärkung des Schutzes schöpferischer Leistungen und kein Flickwerk. Wenn in Deutschland der Respekt für geistige Schöpfungen fehlt, dann wird das Land seine Rolle als eine der führenden Kultur- und Bildungsnationen verlieren. Als Industrienation ohne Bodenschätze ist das Land in besonderem Maße auf geistig-schöpferische Leistungen angewiesen, wenn es im Wettbewerb der Informationsgesellschaften bestehen will. Hat die Entwicklung eines modernen Arbeits- und Sozialrechts Deutschland im 20. Jahrhundert zu einer erfolgreichen Industriegesellschaft gemacht, so ist es nun an Politik und Gesellschaft, das Urheberrecht zum Arbeitsrecht des 21. Jahrhunderts auszuprägen. Nur wenn der Staat diejenigen schützt, die vervielfältigungswürdige Inhalte schaffen, setzt er die nötigen Anreize dafür, dass solche Inhalte auch im digitalen Zeitalter noch entstehen können und in ihre Veredelung und öffentliche Bereitstellung investiert wird. Für Verlage, Buchhandel und Zwischenbuchhandel ist das die zentrale Herausforderung des Buchmarkts. Ich bin gespannt, wie Hans-Joachim Otto, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag, in seinem Eröffnungsvortrag die „Herausforderungen und Chancen des Buchmarkts aus Sicht der Politik“ definiert. Vielleicht entdecken wir Gemeinsamkeiten."