Sie haben große Verlage äußerst erfolgreich geleitet und auch kleinere. Der Slogan beim Pendo Verlag lautet: "Kleiner Verlag, Große Bücher". Ist diese Strategie letztlich doch nicht aufgegangen?
Christian Strasser:Pendo ist schon seit längerem kein Kleinverlag mehr, sondern hat mit 5 Millionen Euro Umsatz eine durchaus mittlere Größe. Dass er dabei nach nur 4 Jahren schwarze Zahlen schreibt, zeigt Ihnen, dass die Strategie zwar anders, aber sehr wohl aufgegangen ist: Der Verlag ist bestens in Schuss und für die Zukunft gut aufgestellt, und es freut mich, ihn in diesem Zustand übergeben zu können.
Sie haben den Pendo Verlag wieder groß gemacht. Etwa durch Jürgen Schreibers Buch über Gerhard Richter "Ein Maler aus Deutschland", Rochus Mischs Lebenserinnerungen "Der letzte Zeuge", aber auch durch die umstrittenen Bücher von Eva Herman. Bei diesen und natürlich auch anderen Pendo-Büchern war das Medienecho groß und die Verkaufszahlen müssen gestimmt haben. Hat das nicht gereicht, um Pendo als unabhängigen kleineren Verlag langfristig am Markt zu etablieren?
Strasser:Bei Pendo erscheinen in diesem Jahr über 40 Titel, wobei das Porträt der Nina von Stauffenberg bereits auf der Liste steht und sich bei den in dieser Woche erscheinenden Erinnerungen von Rochus Misch ein ähnlicher Erfolg abzeichnet. Wir hatten eigentlich in jedem Programm mindestens einen Erfolgstitel denken Sie neben den genannten nur an den Roman von Rajaa Alsanea oder die Autobiographie von Shirin Ebadi -, und ich glaube, dass auch das anstehende Herbstprogramm für weitere 2-3 Bestseller gut ist. Doch in der Tat braucht man wohl mehr als 10 Millionen Euro Umsatz, um auf Dauer fest etabliert zu sein. Deshalb war für uns auch die Frage, ob wir Verlage hinzukaufen, um dieses Ziel zu erreichen, oder die Anbindung an eine größere Einheit suchen sollen. Für letzteres sprachen dann sehr persönliche Gründe.
Macht es denn Ihrer Meinung nach heute in Deutschland überhaupt noch Sinn, mit einem kleineren Verlag gegen die Konzernverlage und die Buchketten reüssieren zu wollen?
Strasser:Man muss als Verlag, egal wie groß, nicht "gegen Konzernverlage oder Buchketten antreten, im Gegenteil, diese größeren ökonomischen Einheiten sind unerlässliche Hilfen beim Aufbau eines jeden Verlags, sei es in der Verwertung von Lizenzen oder bei Durchsetzen von Spitzentiteln. Pendo jedenfalls hat mit den großen Verlagen und den großen Buchhandlungen von Anfang an sehr gut zusammengearbeitet und dies sage ich, ohne das Engagement der mittleren und kleinen Sortimente, die uns von Anfang an mit Engagement under Leidenschaft unterstützt haben, schmälern zu wollen. Um sich erfolgreich aufzustellen, ist halt die ganze Bandbreite verlangt.
Ich darf nochmals die Frage stellen und jetzt ohne "Drumherum": Weswegen verkaufen sie den Pendo Verlag? Und: Seit wann tragen Sie sich mit dem Gedanken, dies zu tun?
Strasser:Ich trenne mich von Pendo ausschließlich aus persönlichen Gründen: In zwei Monaten werde ich 63 Jahre, und ich musste in diesem Jahr miterleben, wie nicht weniger als vier alte Freunde bzw. Weggefährten zum Teil sehr plötzlich starben. Der Gedanke, dass das Leben, insbesondere eines, das "mit Vollgas in dieser sich dramatisch wandelnden Branche gelebt wird, plötzlich zu Ende sein kann, diesen Gedanken konnte ich nicht verdrängen. Ich steige deshalb schrittweise aus und versuche gleichzeitig, mir einige Träume zu erfüllen. Verschweigen möchte ich aber auch nicht ein zweites Ereignis, das mit zu meinem Entschluss geführt hat: Als ich nämlich zu Beginn dieses Jahres unser Programm den Filialleitern einer der großen Buchhandlungen auf einer Börse vorstellte und die Hälfte der Anwesenden nicht wusste, wer Stauffenberg überhaupt war und entsprechend das Buch über seine Witwe auch nicht kaufen wollte, wurde mir klar, dass ich wohl nicht mehr in diese neue Buchhandelslandschaft passe. Dass dann das Stauffenberg Buch dann doch unter den ersten zehn auf der Bestsellerliste landete, spricht für sich.
Mit welchen potentiellen Käufern waren Sie im Gespräch auch mit Random House? Und welche Gründe haben Sie bewogen, an Piper, bzw. an Bonnier zu verkaufen?
Strasser:Ich habe ausschließlich mit Piper verhandelt. Dieser Verlag war mein Wunschkandidat, und die Gespräche verliefen freundlich, fair und zügig.
Welche Zukunft hat Pendo bei Piper? Glauben Sie, dass es Programmeinschnitte geben wird?
Strasser: Piper war schon immer mein Lieblingsverlag, da die qualitative und strategische Programmstruktur meinen eigenen Vorstellungen sehr nahe kam. Pendo wird seine Eigenständigkeit erhalten und seine programmatische Linie auf Basis der bisherigen Struktur ausbauen.
Doris Jahnsen ist seit November 2006 Mitverlegerin und geschäftsführende Verlegerin. Sie wird in Zukunft Pendo und den eben erst gegründeten Fahrenheit Verlag leiten. Wie wichtig ist für Sie diese Personalentscheidung von Piper? Ist diese Besetzung und damit auch die Fortführung Ihrer gemeinsamen Programmgestaltung ein Verhandlungspunkt gewesen, den Sie bei Piper eingefordert haben?
Strasser: Für Piper stand von vornherein außer Frage, dass Doris Janhsen weiterhin die Verlage leitet, eine Tätigkeit, die sie de facto mit mir zusammen weitgehend schon seit ihrem Eintritt ausübte. Durch die Anbindung an Piper ergeben sich dabei viele neue Möglichkeiten, so dass ich zuversichtlich bin, dass aus eins plus eins drei werden kann.
Und noch eine Personalfrage gilt es zu klären. Volker Neumann ist bei Pendo Mitglied der Geschäftsführung und verantwortlich für die Bereiche Vertrieb und Marketing. Wird er diese Position auch in Zukunft einnehmen?
Strasser: Volker Neumann hat beim Aufbau von Pendo sehr mitgeholfen, sein Vertrag war von vornherein zeitlich begrenzt und endet zum 30. Juni, also nächste Woche. Gleichzeitig lag die tägliche Vertriebs- und Verkaufsarbeit schon länger in den Händen von Susanne Starnes, deren Einsatz es entscheidend zu verdanken ist, dass Pendo sich so schnell und so gut im Buchhandel etablieren konnte.
Wie sieht es mit dem Verlagssitz Zürich aus. Bleibt er erhalten?
Strasser: Die historische Verpflichtung von Pendo gegenüber der Schweiz wird auch weiterhin Bestand haben. Piper ist sich dieser Tradition bewusst.
Es heißt, Sie würden sich nun schrittweise ins Privatleben zurückziehen. Ähnliches hat man von Ihnen schon einmal gehört. Glauben wird es allerdings niemand. Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?
Strasser: Seit damals sind über vier Jahre vergangen, und ich hoffe in der Tat, dass dieser schrittweise Rückzug mir dieses Mal gelingt, was ja nicht heißen muss, dass ich völlig ohne Bücher leben werde.