Wie wichtig sind heutzutage noch literarische Stoffe für heimische Fernseh- und Kinofilmproduktionen?
Uschi Reich: Sie sind unerlässlich. Es ist immer noch einfacher, aus einem literarischen Stoff einen Film zu machen selbst wenn man sich sehr weit von ihm entfernt als alles neu zu erfinden. Der Autor hat sich ja schon einmal viele Gedanken gemacht über die Charaktere, über den Verlauf der Handlung und vieles mehr. Das Alles erleichtert die Arbeit für die filmische Umsetzung sehr.
Inwieweit nützt der Bekanntheitsgrad eines Schriftstellers einer möglichen Filmrealisation?
Reich: Das ist sehr wichtig. Denn, ein Film braucht Öffentlichkeit, muss sozusagen zu einem "Event Produkt" werden. Somit ist eine schon vorhandene Bekanntheit des Stoffs wie des Autors beinahe unerlässlich. Das hängt auch damit zusammen, dass wir hier in Deutschland über wesentlich kleinere Werbebudgets verfügen als in den USA.
Tatsache aber ist auch, dass letztlich eher wenige literarische Stoffe von namhaften Autoren als Film realisiert werden.
Reich: Ja, aber das hängt damit zusammen, dass viele Romane einfach der Grundstruktur des Films widersprechen. Der Film definiert sich durch Handlung. Viele Bücher wiederum zeichnen sich durch sehr genaue Charakterschilderungen, durch eher philosophische Betrachtungen und Ähnliches aus. Damit ist die Zahl der Bücher, die man verfilmen kann, doch eingeschränkt.
Schriftsteller sind keine Drehbuchautoren. Und dennoch hat man das Gefühl, dass anglo-amerikanische Schriftsteller öfter so an ihre Stoffe herangehen, dass sie filmtauglich sind. Machen deutschsprachige Autoren etwas falsch, wenn sie ans Schreiben gehen?
Reich: Ich denke, dass fast die gesamte angelsächsische und amerikanische Literatur aufs Erzählen einer Geschichte angelegt ist. Der Unterhaltungsmoment steht hier stark im Vordergrund. Man sollte aber auch eines nicht vergessen: Nicht alle Bearbeitungen von anglo-amerikanischer Literatur sind große Filme geworden. Selbst hier gibt es keine Garantie. Denn das literarische Erzählen ist eben viel komplexer als eine Filmhandlung. Und zu behaupten, deutschsprachige Autoren würden beim Schreiben ihrer Texte etwas falsch machen, möchte ich mir nicht anmaßen. Sie erzählen einfach anders. Jüngere Autoren bei uns schildern gern Seelenzustände und das Lebensgefühl ihrer eigenen Generation. Da muss man bei jedem einzelnen Buch nachschauen, ob eine filmische Adaption des Stoffs sinnvoll ist oder nicht.
Wie man bei der Veranstaltung "Book meets Film" sehen konnte, bemühen sich Verlage verstärkt um Film- und Fernsehverwertung ihrer literarischen Stoffe. Machen die Verlage eigentlich alles richtig bei der Präsentation ihrer Bücher?
Reich: Die größeren Verlage sind sehr aktiv geworden, das betrifft vor allem Verlage von Kinder- und Jugendbüchern. Man weiß eben heute aus Erfahrung, dass ein erfolgreicher Film auch nochmals den Buchverkauf enorm beflügeln kann. Allerdings sollten Verlage bei der Vergabe von Filmrechten einen langen Atem haben. Denken Sie zum Beispiel an die Tabor Süden Reihe von Friedrich Ani oder gar an die sehr gelungene Verfilmung von Martin Walsers Novelle "Ein fliehendes Pferd".
Wie gehen Sie persönlich mit literarischen Stoffen um?
Reich: Ich orientiere mich an den Verlagskatalogen und auch an den Buchzusendungen. Ich sage aber oft: Das ist sicherlich ein interessanter Stoff, aber der braucht noch zwei, drei Jahre bis man ihn für den Film "entdeckt". Leider bringen Verleger oftmals nicht diese Geduld mit, sondern wollen relativ schnell ihr Buch unterbringen. Und das ist nicht immer von großem Erfolg gekrönt. Ich bin sicher nicht jemand, der erst einmal viele Optionen erwirbt, damit die literarischen Stoffe vom Markt sind. Ich überlege mir sehr genau, wofür produziere ich, warum optioniere ich gerade diesen Stoff und wann kann ich ihn auch wirklich realisieren.
Sollten kleinere Verlage, die keine eigene Filmrechteabteilung haben, mutiger sein und ihre Stoffe selbstbewusst präsentieren?
Reich: Ja, durchaus. Wir lesen schon alle Verlagszusendungen und prüfen sie auf mögliche Filmtauglichkeit. Natürlich dauert das seine Zeit. Geduld ist wie gesagt von Nöten. Oft reicht aber auch ein Tipp oder ein Kurzexposé, damit wir uns dann die Sache anschauen. Wenig Sinn machen breite Aussendungen. Gezielte Ansprache führt eher zum Erfolg. Zum Beispiel habe ich jetzt durch einen Verlag eine junge Autorin kennengelernt. Das Buch, das ich von ihr gelesen habe, ist wahrscheinlich nicht so geeignet für den Film. Aber ich treffe die Autorin jetzt, weil es sein könnte, dass sie ein Drehbuch für uns schreibt. Auch das ist ein Weg. Daher würde ich mir von den Verlagen eines wünschen: Dass sie nicht nur Stoffe anbieten, sondern uns auch auf Autoren hinweisen, die möglicherweise als Filmautoren tätig werden könnten.