Eine Kriminalbuchhandlung zu führen das ist selbst schon ein Statement zum allgegenwärtigen Trend zu Spannungsliteratur. Den Krimifans ist sie als kleine Oase für ihre Lektüre willkommen.
Und so sollte auch Glatteis bei seiner Gründung im Jahr 2000 ein Buchladen sein, in dem die Kunden Krimis nicht nur aus den Bestsellerlisten finden. Ein Ort, an dem sie nicht von schöngeistigen Literaturbuchhändlern von oben herab die Auskunft bekommen, dass man DuMont Noir inzwischen leider eingestellt oder die Serie vom Distel Verlag nicht im Sortiment führe. Nachdem die Bücher von Jean-Claude Izzo bei Glatteis längst Topseller waren, bot ihn eines Tages eine Münchner Großbuchhandlung in ihrem Prospekt als neuen Geheimtipp an. Das hat uns amüsiert.
Inzwischen sind fast acht Jahre verstrichen, und die Situation hat sich grundlegend zugunsten des Krimis verändert. Die Zeiten sind vorbei, in denen wir Vorschauen bestimmter Verlage unbesehen beiseitelegen konnten; inzwischen scheint keiner mehr darauf verzichten zu wollen oder zu können , wenigstens einen Krimi im Programm zu haben. Seit Mankell & Co. regelmäßig die Hälfte der Bestsellerlisten bevölkern, hat sich der Virus »Krimi« rasant ausgebreitet. Der Stolz der literarischen Verlage ist gebrochen selbst Suhrkamp will nicht mehr ohne diese einst als »Schund« gescholtene Literatur sein.
Der Regionalkrimi wird epidemisch
Auch unter regionalen Gesichtspunkten breitet sich das Genre weiter aus: Vom Sylt- bis zum Chiemgau-Krimi erhält fast jedes Dorf seinen eigenen Mord. Ich sehe die Autoren und Lektoren förmlich vor mir, wie sie mit dem Finger über die Landkarte gehen auf der Suche nach einem Weiler, der noch nicht als Tatort entdeckt ist. Findet sich für einen Autor kein etablierter Verlag, wird schnell einer gegründet; offenbar glaubt sich jeder befähigt, einen Krimi zu schreiben.
Ein klarer Überblick scheint unmöglich, das Krimischlaraffenland unermesslich. Doch wenn man anfängt, sich durch den Kuchen zu fressen, verschwindet der Appetit sehr schnell viel zu viel Fett und Kohlehydrate, sehr wenig Proteine und Vitamine, um es in der Sprache der gesunden Ernährung auszudrücken.
Eine gute Orientierungshilfe bietet seit April 2005 die »KrimiWelt«-Bestenliste. Die hier aufgeführten Titel sind mit wenigen Ausnahmen sehr empfehlenswert. Da Krimileser jedoch Vielleser sind, ist diese Auswahl von zehn Romanen nur ein Tropfen auf den heißen Stein und reicht allenfalls für eine Woche.
Wer sich detailliert informieren möchte, findet Vieles in Internetforen wie Krimi-Couch, Kaliber.38 oder Die Alligatorpapiere. Sie dienen nicht nur Lesern, sondern auch Buchhändlern als Wegweiser durch den Krimidschungel.
Aber letztlich macht nur Selbstlesen klug. Und wo das allgemeine Sortiment an seine Grenzen stößt, weil es sich auch noch um die allgemeine Literatur, um Ratgeber, Kochbücher und mehr kümmern muss, fängt die Arbeit für den Krimibuchhändler erst an: nämlich Romane zu empfehlen, die nur aus Platzmangel keinen Platz auf der Bestenliste gefunden haben und die auch noch von keinem Rezensenten entdeckt wurden. Aber dafür gibt es sie ja die Kriminalbuchhandlungen. Wer sonst sollte die Leser auf Figuren wie Maurice Laisse oder Wyatt aufmerksam machen?
Zur Person
Monika Dobler ist Inhaberin der Krimibuchhandlung Glatteis in München, die sie im Jahr 2000 mit Gabriele Fauser gegründet hat.