Schade. Wäre es nach mir gegangen, hätten Sie auf dieser Seite eine fette Überschrift vorgefunden und darunter ein weißes Blatt. Es wäre ein Zeichen dafür gewesen, dass ich erstens sprachlos und zweitens ratlos bin und dass ich drittens finde, dass sich da jeder selbst seine Gedanken machen sollte.
Nun gut, die Chefredaktion wollte mal wieder nicht. Wahrscheinlich hat sie gleich gerochen, dass das der Anfang vom Ende wäre, ganz nach dem Muster: Sie wollen, dass wir Ihre Bücher im Regal haben? Sie wollen, dass wir sie auch zeigen? Auf den Tischen? Im Fenster? Mit Display? Länger als drei Tage? Kostet alles extra. So auch bei mir: Sie wollen einen Text? Mit Überschrift? In ordentlichem Deutsch? Pünktlich? Nun gut, dieses Mal ist noch alles »all inclusive«, aber nächstes Mal
Also: drei Kollegen haben sich vor einigen Wochen über die Praxis gewisser sogenannter Marktteilnehmer geäußert, welche Forderungen von Großbuchhändlern in einem Ausmaß entgegenkommen, das die Grenzen des Erlaubten überschreitet, und wir wollen gleich festhalten, dass jenseits der Grenzen des Erlaubten das Verbotene beginnt.
Sofort ereifern sich andere über die Anonymität der drei, vielleicht möchten sie gern mit nacktem Finger auf sie zeigen, statt zu erwarten, dass die Preisbindungsbrecher einen Namen bekommen. Oder weiß in Wahrheit wirklich jeder in der Branche alles, und das schon längst? Bin ich der einzige Blöde, der nur hier und da was von seinen Vertretern hört? Warum sagen dann nicht alle alles, und zwar »all inclusive«?
Der Punkt ist ja nicht, dass hier wieder mal klar wird, dass auch in der Buchwelt das Geld regiert, sondern dass es so viele als selbstverständlich akzeptieren, mit einem Schulterzucken. Es ist ja keine Empfehlung, dass die Summe der Rabatte und Boni den halben Ladenpreis nicht übersteigen darf, sondern Spruchpraxis des Kartellamts. Und was für eine Rechtsauffassung haben die, die da aus eigenem Ermessen meinen, die 50 Prozent seien nicht mehr zeitgemäß, also könnten es auch getrost 55 sein? Oder demnächst 60.
Veit Heinichen, einer unserer Klugen, hat kürzlich im österreichischen »Anzeiger« vehement darauf hingewiesen, dass die Preisbindung in erster Linie der Vielfalt des Marktes dient, und was für ein unschätzbares Gut das ist. Darüber hinaus, könnte man noch sagen, verkörpert der gebundene Ladenpreis (mit einer knappen Handvoll weiterer Vereinbarungen) das Selbstverständnis, Selbstgefühl und Selbstbewusstsein unserer Branche: ihr anerkanntes Besonderes. Wir handeln eben nicht nur mit Papier und Druckerschwärze, sondern mit Buchstaben, Wörtern, Sinn (und es ist kein schönes Gefühl, glauben Sie mir, so etwas zum hundertsten Mal auszusprechen und zu wissen, wie sinnlos das ist).
Als Bert Brecht sagte, erst komme das Fressen, dann die Moral, da hat er keine Vorschrift formuliert, sondern einen bedauerlichen Tatbestand. Missstände verlangen Aufklärung, auf welchem Wege auch immer. Aufklärung aber verlangt Konsequenzen, und das ist nun einmal Sache unseres hochverehrten Börsenvereins, der sich aus seiner Deckung ruhig ein wenig hervorwagen dürfte, verdammt noch mal. Damit unsere Wege, wenn schon nicht nach Rom, dann wenigstens nicht nach Manchester führen.