Beide Strategien sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille, die zum einen aus einem starken chinesischen Nationalismus mit dem Wunsch nach einem positiven Außenbild besteht und zum anderen mit dem absoluten Herrschaftsanspruch der KPCh.
Die Kontrolle der politischen Meinung ist für ein totalitäres System unabdingbar. Hinzu kommt eine kulturelle Komponente, die die Wahrung des Gesichts, auch des kollektiven Gesichts, als oberste Priorität hat.
Was in Tibet passiert, ist nach Meinung der kommunistischen Führung nicht für die Weltöffentlichkeit bestimmt. Das effiziente Krisenmanagement in Sichuan hingegen soll der Welt die Leistungsfähigkeit des chinesischen Systems und der chinesischen Katastrophenhilfe zeigen. Der Großteil der chinesischen Bevölkerung steht hinter dieser Vorgehensweise. Die berechtigte internationale Kritik wird als kollektiver Gesichtsverlust verstanden. Die Proteste gegen westliche Firmen in der letzten Zeit haben gezeigt, wie sehr die anti-westliche Propaganda der Regierung auf den fruchtbaren Boden des verletzten Nationalstolzes fällt. Der Stimmungswandel unter chinesischen Intellektuellen zeigte sich in den letzten Wochen unter anderem daran, dass der Spruch Sei doch nicht so CCTV (Das staatliche chinesische Fernsehen) durch Sei doch nicht so CNN abgelöst wurde.
Spannend wird es schließlich, wenn die Olympischen Spiele am 8. August in Peking beginnen. Die chinesische Führung zeigte sich selten so nervös im Umgang mit Demonstranten und westlichen Medien wie im Vorfeld zu diesem Großereignis. Einerseits fürchtet sie Demonstrationen für das tibetische Volk und Menschenrechte, andererseits soll international das Gesicht gewahrt werden. Einen positiven Aspekt hat die westliche Berichterstattung über die chinesische Olympiaproblematik immerhin: Für Juli wurden Gespräche mit der tibetischen Exilregierung angekündigt.
Im März beschloss die Kommunistische Partei ein Sendeverbot für den Platz des himmlischen Friedens während der Spiele. Westliche Berichterstatter werden wohl auf Bilder von staatlicher chinesischer Seite angewiesen sein. Einige ausländische Sportler haben für die Eröffnungszeremonie entsprechende symbolische Gesten angekündigt. Wo dann die chinesischen Kameras hinblicken werden, bleibt fraglich. Wir können uns also auf in jeglicher Hinsicht spannende Spiele freuen.