Mein erster Roman, »Der neue Koch«, erschien im Herbst 1997 im Züricher Ammann Verlag und wurde in den zwei Jahren seiner Hardcoverausgabe keine 2.000-mal verkauft. Es gab einen begeisterten Verleger, der sich durch nichts abschrecken ließ, das schmale und sonderbare Buch zu veröffentlichen. Selbst ein Leseexemplar wollte er sich von seinen kaufmännischen Beratern nicht ausreden lassen. Kommt heute ein Leser mit einer Taschenbuchausgabe und möchte sie signieren lassen, warne ich ihn: Dieses Buch wird keine einzige seiner Erwartungen erfüllen. Es hat nichts mit dem Fräuleinwunder, nichts mit der jungen Berlin-Literatur Ende der 90er Jahre oder meinen später vielstimmig angelegten Romanen zu tun. Keine Spur vom beschwingten Erzählen der Jahrtausendwende. Diesen Roman braucht niemand. Pioniersmut. Verleger wie Ammann haben es möglich gemacht, dass Autoren wie ich in unserer Literaturlandschaft wachsen konnten. Die Effizienz, das Kalkül, das unmittelbar kaufmännische Interesse, dessen Einsatz sich noch in derselben Saison würde rechnen müssen, spielte bei seiner Entscheidung zum Druck keine Rolle.
»Die Mittagsfrau« hat sich in den ersten Monaten allein im Hardcover 400.000-mal verkauft, für bislang 28 Übersetzungen wurden die Lizenzen vergeben, derzeit werden die Filmrechte verhandelt. Es geht um ein Buch, das binnen vier Wochen und noch vor dem Buchpreis auf der Bestsellerliste den Platz 14 und gleich darauf Platz 1 erklomm, ein Buch, von dem mein Verlag, S. Fischer, vermutet, dass es auch ohne den Buchpreis ein Durchkommen gegeben hätte. Dank an den Buchhandel, der auf die exzellente Verlagsarbeit so reagiert hat wie selten.
Ein solcher Erfolg macht misstrauisch, er lässt Gründe suchen, die jeder für sich allein haltlos wären. Es gibt mehr gute Romane als den einen, es gibt mehr gut und professionell arbeitende Verlage, mehr Verlage, in denen ein Buch Begeisterung erzeugt und Funken sprüht, mehr Verlage, die Leseexemplare verschicken und gute Konditionen anbieten, mehr vor Leidenschaft sprühende Vertreter, mehr umsatzwillige und lesefreudige Buchhändler, es gibt mehr junge, vielversprechende Autoren, es gibt schließlich sogar mehr Buchpreise als den einen. Was hier zusammen kommt, ist etwas Besonderes. Etwas, das ich versuche mit Glück zu umschreiben.
Vor allem aber möchte ich die Vielfalt in unserer Literatur loben. Wie häufig höre ich Klagen, es gäbe zu viele Titel, niemand könne sie alle lesen und es lasse sich keine Orientierung darin schaffen. Journalisten jammern über ein zu großes Mittelmaß in dieser Fülle. Sind das nicht Luxussorgen? Wir müssen uns nicht mit Thailand messen, wo mir ein Journalist mitteilte, der Thai lese durchschnittlich sieben Zeilen im Jahr entsprechend wachse dort kaum eine zeitgenössische Literatur. Selbstverständlich kann eine Sprache nicht durchgehend Nobelpreisliteratur und Bestseller hervorbringen. Aber ist es nicht gerade unsere große bunte Wiese, auf der im Schatten manch greller Blüte die zarte wachsen kann, die kein Verkaufsschlager wird und noch keinen Aufmacher im Feuilleton erhält. Ich möchte ohne die Übersetzungen der Werke von Agota Kristof und Emmanuel Bove nicht sein, möchte Autoren wie Fleur Jaeggy, Jacqueline Moser und Jörg Albrecht entdecken. Wie leicht ist es da, über manches Mittelmaß hinwegzusehen, wie wären wir arm ohne unsere Vielfalt.
Unübersichtlich oder schön bunt wie bewerten Sie die Literaturlandschaft?
Julia Francks Rede kann hier angehört werden: