Die Verlage und ihre Anforderungen an funktionierende Prozesse in der Herstellung sind sehr unterschiedlich. Wie abstrakt muss der Versuch bleiben, Standardprozesse zu entwickeln, die für alle gelten?
von Berg: Das ist natürlich genau das Problem daran. Aber wenn man erst mal verstanden hat, dass es einem hilft, vom Arbeitsalltag zu abstrahieren, lernt man auch, warum die Arbeit der Berliner Werkstatt Herstellung so nützlich ist. Geht es nicht ein bisschen einfacher? Das hören wir immer mal wieder von Kollegen, die mit neuen Ergebnissen konfrontiert sind. Aber eigentlich tun wir ja etwas »ganz einfaches«: Wir beschreiben Prozesse und Workflows, die allgemeingültig und überall anwendbar sein sollen das ist unser Anspruch und gleichzeitig das Abstrakte daran.
Sind Verlage in ihren Prozessen und Workflows am Ende gar nicht so unterschiedlich, wie sie immer denken?
von Berg: Das ist meine Überzeugung und gab mit den Anstoß zur Gründung der Werkstatt 2005. Bei Holtzbrinck, wo ich früher tätig war, haben die einzelnen Konzernverlage lange Zeit darüber intensiv diskutiert, ob sie zu Vereinheitlichungen kommen können. Haben wir einheitliche Partner für Aufträge, haben wir einheitliche Abläufe, wie bewerten wir Auftragsstrukturen? Um solche Fragen ging es. Am Ende stand eine gemeinsame Einkaufsplattform der Beweis dafür, dass man über eine große Verlagsgruppe hinweg zu Standards kommen kann. Außerdem muss niemand die Werkstatt-Vorschläge zur Prozess- und Workflow-Organisation bis ins Detail befolgen. Uns geht es vielmehr um ein Benchmarking: Was mache ich, was machen die anderen, kann ich etwas besser machen?
Die Verlage, die sich in der Werkstatt engagieren, stehen durchaus in Konkurrenz zueinander. Gleichzeitig werden sehr interne Details diskutiert. Ziehen da alle mit?
von Berg: So ein Projekt lebt immer davon, dass einige mutiger sind als andere. Wir hatten das große Glück, dass insbesondere die Kollegen von MairDumont sehr engagiert und sehr offen waren. Sie haben die Standardprozesse im eigenen Haus umgesetzt und jetzt auch das Thema Workflows in Angriff genommen, wie inzwischen einige andere Kollegen auch. Erst Fakten sammeln, dann gemeinsam bewerten. So gehen wir vor und lernen alle sehr viel dabei.
Sie haben die Einkaufsplattform bei Holtzbrinck schon angesprochen. Sind Standards eher was für die Großen der Branche?
von Berg: Wir hoffen, dass wir damit allen helfen können, einen besseren Job zu machen. Kleinere Verlage haben sicher eine andere Ausgangslage. Aber optimal zu arbeiten, nicht unnötig Aufwand zu betreiben darauf kommt es bei ihnen noch viel mehr an. Wir haben unsere Ergebnisse zu den Standardprozessen ja im Herbst 2007 in Buchform vorgelegt mit 43 Teilprozessen, die sich in relativ kurzer Zeit durcharbeiten lassen. Jeder kann sich danach selbst die Frage stellen, ob ihm das nutzt. Das Werkstatt-Team steht auch jederzeit für Auskünfte zur Verfügung und für Kritik. So ein Projekt ist schließlich immer ein Geben und Nehmen.
Werden Standardprozesse durch das digitale Publizieren wichtiger?
von Berg: Genau deshalb haben wir bei der Definition außen vor gelassen, welche Art von Produkt am Ende der Kette steht. Denn letztlich geht es darum, Inhalte für einen bestimmten Markt zusammenzuführen. Wir kommen nicht umhin zu lernen, in Content-Kategorien zu denken. Weil wir nur dann offen sind für alles und uns keine unnötigen Ketten anlegen. Natürlich ist das gedruckte Buch immer ein Weg aber eben nur einer von mittlerweile vielen.
Müssen vor allem die Publikumsverlage hier noch ihre Hausaufgaben machen?
von Berg: Bei Fachverlagen liegt es einfach näher, digitale Kanäle zu bedienen. Aber auch die Publikumsverlage lernen, Strukturen einzuziehen, die ihnen den größtmöglichen Horizont zur Vermarktung ihrer Inhalte eröffnen, wie es gerade bei Droemer versucht wird. Workflows und Prozesse werden dabei helfen, neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Und das geht nur, wenn sie nicht strikt produktbezogen definiert werden.
Wo sehen Sie die größte Baustelle in den Verlagen?
von Berg: Wir reden von Verlagen, weil wir glauben, dass wir wissen, was Verlage tun. In der Vergangenheit haben sie dafür gesorgt, dass Bücher gedruckt werden mit einem Inhalt, für den es einen Markt gibt. Die Prozesse, die Workflows, die wir definieren, orientieren sich aber gar nicht mehr daran, dass sie in einem solchen Verlag stattfinden, sondern sie sind an den Content gebunden, der für jede Art von Nutzung in verschiedensten Märkten aufbereitet werden muss. Der Rahmen dafür kann Verlag heißen aber auch ganz anders. Das dürfte für die Verlage die größte Herausforderung sein, weil damit auch die derzeitigen Geschäftsmodelle hinterfragt werden.
Nach den Standardprozessen haben Sie sich nun die Workflows vorgenommen. Wann ist die Arbeit der Werkstatt abgeschlossen?
von Berg: Wir hoffen, dass wir nach unserem nächsten Treffen im September auf der Frankfurter Buchmesse Zwischenergebnisse vorstellen können und vielleicht schon im Frühjahr 2009 mit den Workflows fertig sind. Natürlich habe ich mich auch schon gefragt, welche Themen es danach noch geben könnte. Ich selbst beschäftige mich derzeit viel mit Meta-Daten, weil ich glaube, dass das Suchen und Finden von Inhalten in Zukunft eine dramatische Rolle spielen wird. Das wäre eine Möglichkeit und sicher eine lohnende Aufgabe.
Weitere Informationen rund um die Herstellung im Verlag gibt es auf 24 Seiten im neuen BÖRSENBLATT Plus Herstellung, das der aktuellen Printausgabe beiliegt. Die Themen: Warum Verlage kräftig in die Ausstattung ihrer Bücher investieren. Warum der Arbeitsmarkt für Hersteller floriert. Und warum es sich lohnen kann, die Bildbearbeitung zurück in den Verlag zu holen.