Anlass für die Presserunde war das gemeinsam mit der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) durchgeführte Digitalisierungsprojekt, das Teil einer umfangreichen Initiative zur Digitalisierung der gemeinfreien Bestände der Bibliothek die in diesem Jahr ihr 450-jähriges Bestehen feiert ist.
Im Februar 2007 waren Google und die BSB im Rahmen einer Public Private Partnership übereingekommen, ca. eine Million Bücher mit insgesamt 250 Millionen Seiten aus dem 17.19. Jahrhundert zu digitalisieren und online verfügbar zu machen. Inzwischen, so Klaus Ceynowa, stellvertretender Direktor der Bibliothek, seien 30.000 Titel mit einem Datenvolumen von 70 Terabyte (70.000 Gigabyte) digitalisiert und online zugänglich gemacht worden. Das Projekt soll voraussichtlich 2010 abgeschlossen werden.
Die (möglicherweise unberechtigte) Vorfreude mancher Teilnehmer, endlich technische Details des Google-BSB-Projekts zu erfahren und die häufig zitierten Scan-Roboter von Google in Augenschein zu nehmen, wurde allerdings enttäuscht. Im Digitalisierungszentrum der BSB wurde zwar der Scanprozess live vorgeführt jedoch an einem anderen Objekt: Die Mitarbeiter der Arbeitsstelle waren gerade dabei, Titel einzuscannen, die im Rahmen eines DFG-Projekt eingescannt werden. Unter anderem wurde gerade ein Buch aus dem 16. Jahrhundert eingelesen mit Unterstützung eines Operators, der den Vorgang überwacht.
Die Google-Blackbox blieb also auch in München geschlossen. Pressesprecher Stefan Keuchel deutete nur vage an, die Digitalisierung finde in von Google angemieteten Räumen "innerhalb der Grenzen des Freistaats Bayern" statt. Als Grund für die Verschwiegenheit nannte Keuchel den Umstand, das Google eigene Hardware- und Softwarelösungen für sein Digitalisierungsprojekt entwickelt habe, und warb um Verständnis dafür, dass man diese nicht öffentlich präsentieren wolle.
Es scheint aber, so ließ er durchblicken, einen wesentlichen Unterschied zum Verfahren der BSB zu geben. Während die von der BSB verwendeten Scanner der österreichen Firma Treventus (Wien) die Daten wie ein Staubsauger einlesen, arbeitet Google beim Bibliotheksprojekt mit Kameras, die jeweils eine komplette Doppelseite eines Buchs belichten und dies jeweils zweimal, um Fehler korrigieren zu können.
Schneller und rabiater läuft der Scan-Prozess bei den lieferbaren Titeln ab, die im Zuge des Verlagsprogramms von den Verlagen angeliefert werden: Dort wird der Buchrücken abgesägt, und anschließend werden die einzelnen Seiten des Buchblocks von Hochgeschwindigkeitsscannern eingezogen und eingelesen ein Verfahren, bei dem innerhalb einer Stunde mehrere Tausend Seiten digitalisiert werden können.
Im ersten Teil des Pressegesprächs referierte Google-Managerin Annabella Weisl den Stand des Buchsuche-Verlagsprogramms, an dem in den USA und Europa zahlreiche Verlage (in Deutschland etwa Springer, de Gruyter, Hueber und Lucius & Lucius) teilnehmen, die ihre Buchdaten voll erfassen lassen, aber überwiegend nur eingeschränkt online zugänglich machen.
Wolf Dieter Eggert, Geschäftsführer des Hueber Verlags, demonstrierte den Pressevertretern, wie die Google-Buchsuche die Auffindbarkeit der Titel aus dem Verlagsprogramm erleichtert. Selbst totgeglaubte Titel aus der Backlist verzeichneten plötzlich hohe Zugriffszahlen für den Verlag ein Indiz, dass diese Titel für die Käufer nach wie vor interessant seien. Eggert betrachtet Googles Buchsuche als "effizientestes Modell" für seinen Verlag, ergänzte aber, dass Hueber auch andere Plattformen, darunter auch die brancheneigene Lösung libreka!, nutze.
Aktuelle Zahlen zum Google-Verlagsprogramm in Deutschland wollte Pressesprecher Stefan Keuchel nicht nennen. Weder die Zahl der teilnehmenden deutschen Verlage noch die Zahl der eingesandten Titel wird von Google herausgegeben. Klar scheint indes zu sein, dass die derzeit kommunizierte Zahl von einer Million digitalisierter Titel weltweit inzwischen deutlich überschritten sein dürfte und sich möglicherweise bald der Zwei-Millionen-Marke nähert.
Im Rahmen des Bibliotheksprogramms will Google mit seinen 29 Partnerbibliotheken (davon sieben in Europa; zuletzt: Stadtbibliothek Lyon) insgesamt 15 Millionen urheberrechtsfreie Titel (in mehr als 100 Sprachen) digitalisieren. Sollte die Zahl der Partner steigen, würde sich auch die angepeilte Gesamtzahl deutlich erhöhen.
BSB-Vize Klaus Ceynowa mochte auf die Frage, wieviele Bücher überhaupt digitalisiert werden könnten, keine Antwort geben. Er schätzt aber, dass ein solcher Prozess mindestens 50 Jahre in Anspruch nehmen könnte. Ein weiter Weg also noch bis zur virtuellen Bibliothek von Alexandria ein Weg, der zugleich mit vielen Rätseln und einer Portion Geheimniskrämerei behaftet ist.