Verstaut in einem mattschwarzen Lederfutteral ähnelt der Reader einem klassischen Organizer, den man auch aufrecht ins Regal stellen könnte. Befreit man den Kindle von seiner Hülle, liegt er gut in der Hand: Das eisgraue Gehäuse ist an den Seiten abgeflacht, die gummiartige Batterieabdeckung auf der Rückseite verhindert das Wegrutschen des Geräts.
Auf der Rückseite befinden sich zwei Schalter, einer für den Lesebetrieb, der andere für den Netzbetrieb. Allerdings kann man sich derzeit nur in den USA in das Whispernet von Amazon einwählen, browsen und E-Book-Titel herunterladen. Deutsche Tester oder Fans müssen sich zunächst mit den Titeln begnügen, die auf dem Kindle vorinstalliert sind.
Schaltet man das Gerät ein, erscheint wenige Sekunden nach dem Startbildschirm (mit dem Brand »amazonkindle«) entweder das Inhaltsverzeichnis oder die letzte Seite, die man gelesen hat (Memory-Funktion). Wir rufen nun testweise »The Last Lecture« von Randy Pausch auf, den Bestseller des US-Professors, der vor seinen Studenten eine Vorlesung über sein bevorstehendes Ende gehalten hat.
Vor einem matt-hellgrauen Hintergrund erscheint der Text in klar umrissenen, gut lesbaren schwarzen Lettern. Die Lesequalität ist einwandfrei und unterscheidet sich kaum von der eines sauber gedruckten Buchs. Einem schlecht gedruckten Taschenbuch ist der E-Ink-Display sogar überlegen. Lesen lässt sich bei jedem Lichteinfall, und das matte Schutzglas über der Displayfolie erzeugt kaum störende Lichtreflexe (etwa bei künstlichem Licht).
Der Bildschirm des Kindle ist mit einer Diagonale von sechs Zoll zwar relativ klein im Gegensatz zu anderen Lesegeräten oder einem handelsüblichen Taschenbuch, dafür ermüdet das Auge jedoch nicht so schnell wie bei manchem Printprodukt. Das Textbild ist dank der E-Ink-Technologie stabil, es gibt klein störendes Flirren oder Flackern. Energie verbraucht das Gerät ohnehin nur beim Ein- und Ausschalten, Umblättern oder Suchen. Ist eine Seite aufgebaut, fließt kein Strom mehr. Deshalb kann man mit dem Kindle bis zu 20 Stunden ohne Ladeprozess arbeiten.
Das Umblättern ist denkbar einfach: Eine langgestreckte Taste am rechten, abgeschrägten Gehäuserand muss nur leicht gedrückt werden, damit die nächste Seite aufgebaut wird. Das dauert vielleicht einen Moment länger als das physische Umblättern mit Daumen und Zeigefinger. Am linken Rand befinden sich zwei weitere Schalter, der obere zum Zurückblättern, der untere ebenfalls zum Vorblättern ein Service, über den sich Linkshänder freuen dürften.
Das Besondere am Lesegerät von Amazon ist das Tastaturfeld, auf dem vor allem die "Search"-Taste unentbehrlich ist. Mit ihr lässt sich die Suchfunktion aufrufen, die nicht nur die Suche nach Begriffen in den geladenen Büchern, sondern (bisher allerdings nur in den USA) auch in Wikipedia und im gesamten Web ermöglicht. Die Suchbegriffe selbst lassen sich über die Buch- oder Zahlentasten eingeben.
Elegant gelöst ist die Menüauswahl: Ein neben dem Bildschirm eingelassener Scroll-Balken mit einem verschiebbaren kleinen Quadrat (das sich auch in ein langgestrecktes Rechteck verwandelt, wenn eine gesuchte Textpassage angezeigt wird) sorgt für die Bedienerführung. Darunter sitzt ein kleiner, drehbarer Scroll-Knopf, der auf Druck den gewählten Inhalt aufruft.
Um die ersten Leseeindrücke zusammenzufassen: Es ist wie auch bei anderen Lesegeräten der E-Ink-Generation ein ganz anderes, komfortableres Leseerlebnis als bei allen früheren E-Books (z. B. Rocket eBook, Franklin eBookman). Natürlich wäre auch am Kindle einiges zu verbessern. Man wünscht sich vielleicht einen größeren Bildschirm, Farbe statt Graustufen. Doch man wundert sich nicht mehr darüber, dass das Gerät in den USA bis Jahresende möglicherweise 380.000-mal verkauft sein wird (wie ein Citigroup-Analyst behauptet hat).
Mehr zum Thema E-Books lesen Sie im aktuellen Börsenblatt 33 / 2008 auf den Seiten 11 (Meinung von Nikolaus Hansen) und 20 bis 22 (dort auch eine Übersicht über die wichtigsten aktuellen Lesegeräte). Die Meinung von Nikolaus Hansen finden sie auch auf boersenblatt.net (siehe Link unten).