Peking 2008 – eine Zwischenbilanz

24. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die Olympischen Spiele in Peking haben ihre Halbzeit hinter sich. Grund genug für eine kurze Bilanz hinsichtlich des Umgangs der Medien mit China und Chinas mit den Medien.
Die ausländischen Medien sprangen mit China nicht gerade zimperlich um. Kein Tag verging ohne Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit oder den unmenschlichen Umgang des Systems mit den Sportlern. Einiges fiel unter das Stichwort Vorverurteilung, anderes lässt sich nicht leugnen. Was ist also dran an der Kritik an Chinas Medienpolitik? Schon im Vorfeld wurde von ausländischen Journalisten Kritik am eingeschränkten Internet-Zugang im Pressezentrum geübt. Die Seiten ausländischer Nachrichtenmagazine und chinakritische Webseiten waren gesperrt. Pikant war, dass das IOC im Vorfeld freien Internetzugang im Pressezentrum versprochen hatte. Die chinesischen Organisatoren nannten den Zugang hingegen ausreichend, da Berichte über die Spiele nicht beeinträchtigt seien. Auch das IOC verteidigte die Maßnahme, da sich freier Zugang nur auf die Sportwettbewerbe beziehe. Der Spagat der chinesischen Regierung scheint hier wie in anderen Bereichen gelungen – freier Zugang zu unbedenklichen Inhalten bei absoluter Kontrolle über politische Themen. Mit der Demonstrationsfreiheit nimmt es die Führung in Peking auch nicht so genau. Abgesehen von einzelnen Aktionen ausländischer Aktivisten hat es bislang keine öffentlichen Meinungsbekundungen gegeben. Kein Wunder bei der allgegenwärtigen Polizeipräsenz in Peking. Zwar wurden offiziell drei Protestzonen eingerichtet, in denen nach erfolgter behördlicher Genehmigung demonstriert werden darf. Von den bislang erfolgten 77 Anmeldungen von Demonstrationen wurde jedoch keiner statt gegeben. Nach Meldungen der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua beträfen fast alle Anmeldungen soziale Probleme, die umgehend gelöst und die Anmeldungen daher zurückgezogen wurden. Das Paradebeispiel chinesischer Medienpolitik zeigte sich jedoch bei der Eröffnungsfeier am 8. August. Sie wurde laut Hochrechnungen von mehr als 2 Milliarden Menschen weltweit gesehen, der Großteil von ihnen aus dem asiatisch-pazifischen Raum. Die meisten Kommentatoren waren hinsichtlich der technischen Qualität der Eröffnungsfeier begeistert: es soll die schönste Eröffnungsfeier aller Zeiten gewesen sein. Trotz einiger Ankündigungen wurde der Protest der internationalen Sportler wenn überhaupt durch Fernbleiben bekundet. Die interessantesten Vorfälle lieferten die chinesischen Organisatoren selbst. Die neunjährige Sängerin eines vaterländischen Liedes wurde kurzerhand durch ein hübscheres Double ersetzt. Livebilder des Feuerwerks waren nicht live, sondern am Computer bearbeitet, und 56 Kinder aller 56 chinesischer Minderheiten, die die chinesische Nationalflagge umrahmten, stellten sich auf Nachfrage als Han-Chinesen heraus – Mitglieder der Bevölkerungsmehrheit. Kritik an diesen Maßnahmen lehnten die Organisatoren als „kleinlich“ ab. Das Verständnis der Medien als Propagandainstrument scheint bei der politischen Führung tiefer zu sitzen als angenommen. Was bleibt ist das Bild perfekt durchgestylter Spiele – auf Kosten der Freiheit. Damit bleibt ein fahler Nachgeschmack. Noch sind die Spiele nicht vorbei. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass sich in China in Punkto Meinungs- und Pressefreiheit etwas radikal ändert. Vielleicht sind die wirklichen Veränderungen auch nicht so offensichtlich und bahnbrechend. Wer hätte vor zehn oder zwanzig Jahren gedacht, dass man einmal in Peking über die nicht gestattete Demonstrationsfreiheit berichten dürfe. Ob diese kleinen Freiheiten den olympischen Spielen geschuldet sind, steht auf einer anderen Karte. Alexander Melzer studierte an der HTWK Leipzig Buchhandel/Verlagswirtschaft und an der FernUniversität Hagen Literaturwissenschaft und Soziale Verhaltenswissenschaften. Im Herbst 2005 schloss er das Studium in Leipzig nach einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in China mit einer Arbeit über den chinesischen Buchmarkt ab. Die Analyse des chinesischen Lizenzabsatzmarktes wurde im IKO-Verlag veröffentlicht. Momentan arbeitet er im Vertrieb des Evangelischen Verlagshauses.