In Ihrer Studie Neo-Nature machen Sie beim deutschen Konsumenten eine "neue Lust an der Natur" aus sind Konsum und ökologisches Bewusstsein nicht ein Widerspruch in sich?
Kirig: Nein, Natur und Konsum widersprechen sich heute nicht mehr. Natur wird immer mehr als Lebensraum verstanden, der eben nicht asketisch daherkommt, sondern auch mit Komfort, Bequemlichkeit und Genuss verbunden ist. Trotzdem treten die Verbraucher der Natur mit hohem Verantwortungsbewusstsein gegenüber.
Den Erfolg der Bionade, den Boom der Outdoor-Mode, aber auch Hape Kerkelings Bestseller "Ich bin dann mal weg" führen Sie für den aktuellen Neo-Nature-Trend ins Feld. Bedienen die Verlage die Öko-Renaissance schon intensiv genug, um davon zu profitieren?
Kirig: Ich denke, da gibt es noch eine Menge Spielraum für die Verlage. Insbesondere hochwertige Medien, die das Thema Natur mit Genuss, Komfort und Neuem Luxus kombinieren, haben enormes Potenzial - von Ratgebern, die edle Reisen in die Natur empfehlen, über Erlebnisberichte bis hin zu exzellent gemachten Outdoor-Kochbüchern, etwa von renommierten Sterneköchen. Den meisten Büchern in dieser Kategorie heftet derzeit noch ein Billig-Look an. Auch lokale Natur- und Genussführer kann es eigentlich kaum genug geben.
Sie sortieren dem Trend auch einzelne Zielgruppen zu. Welche ist für die Verlage besonders viel versprechend und warum?
Kirig: Alle vier Lebensentwürfe, die wir dem Neo-Nature-Trend zuordnen konnten, sind eine potenzielle Klientel für die Verlage. Der so genannte Nature-Pleasurist, der Natur als Neuen Luxus interpretiert, ist vermutlich am meisten an hochwertigen Ratgebern interessiert. Er will wissen, wie er Natur komfortabel genießen kann. Der Nature-Avantgardist, der vor allem der städtische Outdoor-Typ ist, sucht nach Tipps, um Natur in seinen Alltag zu holen, etwa über Outdoor-Cooking-Bücher. Der Natur-Pragmatiker, für den Natur in erster Linie eine Eventbühne darstellt, ist der klassiche Magazin-Leser, der nach den neuesten, extremsten Klettertouren sucht. Erlebnis- und Selbsterfahrungsbücher wie "Ich bin dann mal weg" sprechen am ehesten den Work-Life-Naturist an, der Natur als Selbstverwirklichungsraum erlebt.
Bei der Outdoor-Mode machen Sie auch einen Trend zu ökologisch produzierter Kleidung aus. Welche Zukunft hat das ökologisch produzierte Buch? Oder nimmt es der Kunde jenseits seiner Natursehnsucht nicht so genau mit dem Umweltbewusstsein?
Kirig: Ich denke, ökologisch produzierte Bücher oder Magazine bieten einen Mehrwert, der sehr wohl zum Kaufargument werden kann. Die Konsumenten möchten ökologisches Verhalten so unkompliziert wie möglich in ihren Alltag integrieren. Wenn sie also die Wahl haben zwischen einem konventionell produzierten Buch und einem ökologisch hergestellten Titel, bei dem vielleicht noch ein Teil des Verkaufserlöses an gute Zwecke geht, werden Naturliebhaber eher zu letzterem greifen. Die Kommunikation des Verlags ist dabei ganz entscheidend: Der Kunde muss wissen, dass der ökologische Anspruch keine Mogelpackung ist. Dann macht ein Wanderführer, der klimaneutral hergestellt wurde, durchaus Sinn.