Kinder- und Jugendbuch

Die Grenzen verschwimmen

24. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Die klare Trennlinie zwischen Jugendliteratur und Erwachsenenbelletristik wird immer durchlässiger. Zunehmend bieten Verlage Werke an, bei denen beide Zielgruppen im Blick sind.
»Wir werden nicht immer älter, wir bleiben länger jung«, lautet eine von Trendforschern wie Mathias Horx postulierte These. Dahinter verbirgt sich nicht nur das Bild des weltreisenden Rentners, sondern auch das früher abschätzig benutzte Bild des Berufsjugendlichen, der mit grauen Schläfen und Krawatte auf dem Skateboard zur Arbeit rollt und sich in der Welt von Hausse und Baisse genauso gut auskennt wie in der von Crooked Grind und Heelflip. Erwachsen zu werden hat heute nichts mehr mit klaren Übergangsritualen zu tun, sondern verblasst als Ziel setzung immer mehr. Erwachsen werden kann man ja auch später noch, wenn man denn dann eine Vorstellung davon hat, was überhaupt damit gemeint sein soll. Und vielleicht ist man es ja schon längst, ohne es gemerkt zu haben. In diesem Spannungsfeld wächst das Interesse daran, etwas über die Lebensentwürfe junger Menschen zu lesen. »Erwachsene haben heute viel mehr Lust auf Jugendbücher als früher«, bemerkt cbj-Jugendbuch-Programmleiterin Susanne Stark. Wie ein Blick in die Belletristik-Vorschauen zeigt, gibt es immer mehr beachtenswerte Romane, die sich um eine Hauptfigur im Teenageralter spinnen. Einzeltitel, die ein Zeitgefühl beschreiben oder durch das jugendliche Alter des Autors bestechen, haben schon immer Aufmerksamkeit erzielt. Vor allem, wenn sie sich nicht glasklar der Jugendliteratur zuordnen ließen. Als Klassiker jenseits von Goethes »Werther« gilt Salingers »Fänger im Roggen«, der 1962 das Genre des modernen Adoleszenzromans ebenso wie das der All-Age-Literatur begründete. Seine Nachfolger finden sich in allen Verlagen, eine Vielzahl davon bei Kiepenheuer & Witsch. Niven Govindens »Graffiti my soul«, laut Verlag ein Roman über »das Erwachsenwerden in den Zeiten von Hip-Hop und Handy, authentisch, eindringlich«, erschien im Frühjahr 2008, Alina Bronskys Debüt »Scherbenpark« über die 17-jährige Deutsch-Russin Sascha und ihr Leben zwischen katholischer Eliteschule und heruntergekommenem Hochhausghetto ist ein Spitzentitel im Herbst. Für den Roman »Schneeweiß und Russenrot« der jungen Dorota Maslowska gab es 2005 sogar den Deutschen Jugendliteraturpreis. »Das hat uns gefreut – aber auch überrascht«, erklärt Lutz Dursthoff, Cheflektor bei Kiepenheuer & Witsch. Als verkappter Jugendbuchverlag sieht man sich dort aber nicht: ­»Coole 16-Jährige schreckt das Etikett ›Jugendliteratur‹ eher ab. Besser also, wir etikettieren nicht und freuen uns, dass die Lebenswelten nicht mehr so getrennt sind wie früher«, so Dursthoff. Das funktioniert auch beim neuesten Titel von Nick Hornby, »Slam«, der in Großbritannien als Jugendbuch veröffentlicht wurde, hierzulande aber in einer Reihe mit Hornbys anderen Romanen steht. Mehr Lesergruppen Umgekehrt lief es bei Faiza Guènes »Paradiesischen Aussichten«. Ullstein kaufte den Roman beim Originalverlag Hachette als Erwachsenenbuch ein, Carlsen parallel als Jugendbuch ab 14 Jahren. Dank der unterschiedlichen Platzierung im Buchhandel erschließen sich so zwei unterschiedliche Lesergruppen. Ein Modell, das sich auch bei Federico Moccias »trendigen Jugenddramen« um die Liebe zwischen den 17-jährigen Babi und Step bewährt hat: Klappenbroschur bei List, Taschenbuch bei Ullstein und bei Carlsen. Einmal für Erwachsene, einmal für Jugendliche: Markus Zusaks »Bücherdiebin« erschien ebenfalls parallel bei Blanvalet und cbj, Alice Kuipers »Sehen wir uns morgen?« bei Krüger und Fischer Schatzinsel. (...) Den vollständigen Artikel können Sie heute im neuen Kinder- und Jugendbuch-Spezial des BÖRSENBLATTS lesen. Die Titelliste mit einer Auswahl an aktuellen, grenzüberschreitenden Romanen aus Jugendbuch- und Belletristikverlagen finden Sie nur hier auf boersenblatt.net Daniel Oliver Bachmann "Petting statt Pershing" Ullstein Taschenbuch, 2008 208 S., 8,00 Euro Sibylle Berg "Habe ich dir eigentlich schon erzählt ... Ein Märchen für alle" Hörcompany, 2008 3 Std. 30 Min.,19,90 Euro Troy Blacklaws "Malindi" Liebeskind, 2008 288 S., 19,80 Euro Alina Bronsky "Scherbenpark" Kiepenheuer & Witsch, 2008 288 S.,16,95 Euro Willa Cather "Lucy Gayheart" Manesse, 2008 352 S.,19,90 Euro John Connolly "Das Buch der verlorenen Dinge" Paul List, 2008 336 S., 16,90 Euro Joe Dunthorne "Ich, Oliver Tate" Rowohlt, 2008 384 S., 19,90 Euro Gunter Geltinger "Mensch Engel" Schöffling, 2008 272 S., 19,90 Euro Niven Govinden "Graffiti My Soul" Kiepenheuer & Witsch, 2008 288 S, 8,95 Euro Faiza Guène "Paradiesische Aussichten" Carlsen, 2006 144 S., 12,00 Euro Khaled Hosseini "Drachenläufer" Berlin Verlag, 2008 384 S., 10,50 Euro und bei Ueberreuter (Grossdruck), 2008 568 S., 19,95 Euro Catherine Jinks "Teuflisches Genie" Droemer Knaur, 2008 656 S., 12,95 Euro Sadie Jones "Der Außenseiter" Schöffling, 2008 420 S., 22,90 Euro Dirk Kurbjuweit "Zweier Ohne" Kiepenheuer & Witsch, 2008 144 S., 7,95 Euro Perihan Magden "Zwei Mädchen. Istanbul-Story" Suhrkamp, 2008 324 S., 9,90 Euro Henning Mankell "Der Zorn des Feuers" Oetinger, 2008 176 S, 12,00 Euro Anne Michaels "Fluchtstücke" Berliner Taschenbuch Verlag, 2004 368 S., 8,90 Euro Richard Milward "Apples" Blumenbar, 2008 254 S., 17,90 Euro Federico Moccia "Drei Meter über dem Himmel." Carlsen, 2008 400 S., 8,95 Euro Julie Myerson "Wie ausser Atem" Berlin Verlag, 2008 320 S., 19,90 Euro Charlotte Roche "Feuchtgebiete" DuMont, 2008 220 S., 14,90 Euro Tatiana de Rosnay "Sarahs Schlüssel" Berliner Tschenbuch Verlag, 2008 352 S., 7,90 Euro Mårten Sandén "Mias Glück" Oetinger, 2008 288 S., 13,90 Euro Dana Spiotta "Eat the Document - Die perfekte Tarnung" Kiepenheuer & Witsch, 2008 320 S., 9,95 Euro Anya Ulinich "Petropolis. Die große Reise der Mailorder-Braut Sascha" Goldberg. Roman dtv, 2008 420 S., 14,90 Euro Charlotte Wilde "Apollonia Cox. Im Auge des Taifuns" Pendo, 2008 320 S., 18,00 Euro