Es ist 60 Jahre her: Die Ländervertreter des neuen Deutschland treffen sich nach dem 2. Weltkrieg auf dem bayerischen Schloss Herrenchiemsee zur Klausur, um eine neue deutsche Verfassung zu entwerfen. Es entsteht das Grundgesetz, das bis heute ein sicherer Kompass für Deutschland ist.
Carlo Schmid kam aus Baden-Württemberg und führte die Sozialdemokraten bei dieser Formulierung der Grundfesten des Landes an. Mit Adenauer und dem liberalen Theodor Heuss hielt Schmid engen Kontakt. Heuss nannte Schmid übrigens später "das Silberbesteck im Proletarierhaushalt". Doch wer war diese Persönlickeit, die heutzutage nicht mehr viele kennen?
Ein über 800 Seiten starkes, autobiografisches Geschichtsbuch liefert Informationen aus erster Hand und möchte die Erinnerung stärken. Carlo Schmid schrieb seine "Erinnerungen" nach Abschluss seiner politischen Laufbahn, lebendig und gut lesbar, gespickt mit Anekdoten und voll historischem Hintergrundwissen von der Dreyfuss-Affäre bis zur Ost- und Entspannungspolitik.
Der Autor war einer der gebildetsten liberal-humanistischen Sozialdemokraten, einer der Großen im 3. Viertel des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Im französischen Perpignan geboren und in der Hölderlinstadt Tübingen aufgewachsen, wurde Carlo Schmid später Staats- und Völkerrechtler und hatte eine Professur an der Universität in Frankfurt. In der Arbeiterstadt Mannheim wurde er über 23 Jahre direkt in den Deutschen Bundestag gewählt. Er war Minister in der ersten großen Koalition von 1966 bis 1969 und danach Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Nebenbei übersetzte er Valery, Malrauy und Baudelaire und erhielt 1967 in der Paulskirche den Goethepreis der Stadt Frankfurt.
Seine "Erinnerungen" waren 20 Jahre lang vergriffen, jetzt sind sie im Hirzel Verlag wieder erschienen.