Mit guten Verkäufen und lebhaftem Besucherandrang an allen drei Tagen geht heute um 18 Uhr die 48. Stuttgarter Antiquariatsmesse zu Ende. Waren die Erwartungen im Vorfeld der Messe verhalten, so zeigten sich die meisten Aussteller überrascht und erfreut. Ein starker Euro, ein schwacher Dollar sowie die skeptischen Konjunkturprognosen konnten die Kauffreude der Bibliophilen nicht bremsen. Mit leicht steigenden Besucherzahlen herrschte gleich am Eröffnungstag eine lebhafte Atmosphäre im Württembergischen Kunstverein.
An vielen Messeständen entschied 2009 erstmals das Los, wer die begehrten Objekte aus dem Messekatalog mit nach Hause nehmen konnte. Aus Australien, von Hawaii, aus Frankreich und den USA waren Interessierte angereist, die das Gemälde erwerben wollten, das Johann Edlinger von James Cooks Matrosen Heinrich Zimmermann und dessen Ehefrau um 1782 angefertigt hatte. Zimmermann war Augenzeuge von Cooks tragischem Tod auf Hawaii, danach Leibschiffmeister am Starnberger See. Nun werden die Gemälde laut Losentscheid an Zimmermanns Geburtsort Wiesloch zurückkehren (Brockhaus/Antiquarium; 18.000 Euro).
Überhaupt war das Interesse rege, gerade an ausgefallenen Büchern, Autografen und Grafiken. Bei Nietzsches "Sokrates" in der Erstausgabe 1871 fiel das Los auf einen europäischen Händler am Stand von Daniel Thierstein (18.200 Euro), der auch ein Handexemplar Arthur Schopenhauers schon am ersten Messetag verkaufen konnte (5.700 Euro). Bei Haufe & Lutz losten sechs Interessenten um Karbergs "10 kleinen Negerlein" (1.400 Euro). Raffaels in Kupfer gestochene Skizzen der vatikanischen "Loggie" fanden bei Werner Greve per Los einen Interessenten (9.500 Euro), und bei Wolfgang Braecklein mussten ebenso wie im Antiquariat Die Schmiede mehrmals die Loskarten entscheiden. Braecklein konnte gut die Hälfte seines Angebots aus dem Messekatalog verkaufen, darunter Voss "Musenalmanach" (5.500 Euro). Bei der Schmiede waren es die Erstausgaben der Moderne von Kisch über Polgar bis zu Jakob Haringer, die bis zu 20 Interessenten für einen Titel zur Verlosung lockten. Ähnlich rege zeigten sich die Württembergica-Sammler bei Fons Blavus, wo die Stammbücher, eine Stuttgarter Zeitung von 1782 und ein Reutlinger Rezeptbuch begehrt waren.
"Die Passion siegt, sagt Jörn Günther und zieht damit ein positives Fazit der diesjährigen Stuttgarter Messe. Eine Reihe von Inkunabeln und illustrierte Bücher des 16. Jahrhunderts konnte Günther in Sammlerhände geben (14.000 bis 20.000 Euro). Heribert Tenschert äußerte sich ähnlich, zumal am "Stundenbuch für den Gebrauch von Rouen" ein ebenso starkes Interesse besteht (268.000 Euro) wie an einer Reihe von Meistereinbänden von Ignatz Wiemeler. Das niederländische Antiquariaat Forum konnte Duperreys "Weltumsegelung" absetzen (100.000 Euro). F. Neidhardt gab eine kolorierte Ausgabe der Schedelschen "Weltchronik" in den Handel, während die prachtvolle 1630 gedruckte "Biblia Sacra" bei Neidhardt einen privaten Liebhaber fand (5.200 Euro). Bei Reiss & Sohn fanden die acht naturhistorischen Prachtwerke Robert Fludds aus dem Messekatalog fast alle einen Abnehmer (zwischen 4.500 und 15.000 Euro). Das Inkunabel-Angebot des Messekatalogs zog viele Interessenten an, etwa die 1479 gedruckten "Fastenpredigten" beim Tresor am Römer (8.400 Euro). Christine Grahamer lobte wie viele Aussteller das interessierte und fachkundige Publikum der Stuttgarter Messe, und wurde dafür mit dem Verkauf von Agricolas Bergwerkskunde (12.500 ) und Geiler von Keiserbergs "Sermones" (5.500 Euro) belohnt. Franz Siegle war zum 25. Mal auf der Messe vertreten und konnte neben dem seltenen Arzneibuch von Clusius (4.000 Euro) die gesamte Eisenbahnliteratur seines Angebots in öffentliche Hände geben. Die beste Messe seit Jahren war es für Sabine Keune. Die Kinderbuchspezialisten beeindruckte mit ihrem "sprechenden Bilderbuch" (1.800 Euro) und zahlreichen signierten Kreidolf-Ausgaben.
Auch die Moderne setzte Akzente. Günter Linke, erstmals in Stuttgart vertreten, zeigte sich beeindruckt vom kunstinteressierten Kundenkreis. Kokoschkas "Träumende Knaben" (25.000 Euro) verkaufte er schon am ersten Messetag. Bei der Galerie Vömel fanden die Liebermann-Blätter ebenso ihr Publikum wie Jawlenskys "Liegender weiblicher Akt" (14.500 Euro), und die Galerie Valentien brillierte mit einem Grieshaber-Angebot, von dem zahlreiche Stücke an allen drei Messetagen in den Handel und an Privatleute verkauft wurden, darunter eine anonyme Silberstiftzeichnung von 1961 (8.500 Euro). Vier Kafka-Erstausgaben von der "Strafkolonie" (4.000 Euro) bis zu "Betrachtung" (9.000 Euro) waren bei Herbert Blank ebenso schnell vergriffen wie Wittgensteins "Tractatus" (3.000 Euro). Adrian Flühmann schließlich verkaufte "My Pretty Pony" mit 9 Originallithografien von Barbara Kruger (4.400 Euro).
Am Samstagabend waren 120 Gäste der Einladung zur Vernissage zur Ausstellung "Das doch nicht äussere" gefolgt. Das George-Archiv bei der Württembergischen Landesbibliothek hatte unter der Regie von Hannsjörg Kowark, Ute Oelmann und Christoph Perels eine beeindrucke Ausstellung mit Katalog zur Schrift- und Buchkunst Stefan Georges zusammengestellt. Der Katalog kann nach der Messe für 20 Euro bei der Verbandsgeschäftsstelle bestellt werden (48 S., zahlr. Abb., ISBN 978-3-9812223-1-9).
So war die 48. Stuttgarter Antiquariatsmesse eine "rundum gelungene Veranstaltung", sagt der Vorsitzende des Verbands Deutscher Antiquare Eberhard Köstler. Und weiter: "Ein Beweis mehr, dass sich der Antiquariatsbuchhandel antizyklisch verhält. Denn gerade in Krisenzeiten greifen die Menschen auf das zurück, was nicht vergänglich ist, sondern sich in einer 500 Jahre langen Tradition bewährt hat auf das alte Buch. Büchersammler sind unbestechliche Individualisten. Und wir freuen uns, ihnen auch in Zukunft Ende Januar in Stuttgart ein solches internationales Forum bieten zu können."