Meinung

Der Kapitalist im Porzellanladen

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Wir werden halt auf den Kaviar verzichten. Bloß: Das wird nicht reichen. Jochen Jung über eine Branche unter Druck.
###WERBUNG### Wenn es denn wahr ist, dass die Kunst immer die Nase vorn hat, dann muss auch wahr sein, dass es diejenigen, die die Kunst verbreiten, nicht als Letzte erwischt. Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass das, was wir hier abkürzungshalber noch einmal die Krise nennen – und wie es aussieht, haben wir es ja mit einer ziemlich krassen Krise zu tun –, dass das also das per se schon eher labile Verlagswesen ebenfalls voll erreicht. Aus New York meldet die dortige »Times« zum Beispiel, dass es bei den großen Verlagen mit den LachsAusternKaviar-Empfängen ab sofort ein Ende hat und man zur uramerikanischen Küche zurückkehrt. Zumindest so lange, bis die Börse wieder die ersten Erholungsanzeichen signalisiert. Die Kunst wird das nicht weiter kränken, und die Pseudo-Mickis werden schon Wege finden, Pizza und Leitungswasser ebenso chic zu finden wie siehe oben. Aus Frankreich hingegen meldet die »FAZ« nicht nur das dramatische Versagen teuer eingekaufter Garantie-Bestseller, sondern man befürchtet netterweise auch das Ende vor allem vieler Kleinverlage. Die ja, wie man weiß, schon immer ihre Bestseller viel zu teuer eingekauft haben. Nun denn, in Paris wird man sich die eine oder andere von den nicht ganz so fetten Austern wohl immer leisten können. Im Übrigen ist es auch dort nicht viel anders als bei uns: Die Kleinverleger können erst mal auf den einen oder anderen Lyrikband verzichten und dann mangels Angestellten sich selbst entlassen. Drei Wochen später macht man im Namen von Madame einen neuen Laden auf. Und in Deutschland? Warten alle gebannt auf das Dementi von Suhrkamp, das nicht kommt. Ist nichts zu dementieren, sagen die einen, man wird wohl noch in Ruhe umziehen dürfen, die anderen, und das dicke Ende kommt noch, sagen die, die immer so was sagen. Die Übrigen sind einfach dankbar, dass Suhrkamp seiner Rolle als Branchenunterhalter auf hohem Niveau weiterhin gerecht wird. Wahr ist aber vor allem, dass die sogenannte Krise tutti quanti seit einem halben Jahr im Gerede ist und nur wenig vorher die ersten nachhaltigen Anzeichen unübersehbar wurden. So schnell aber hören die Leute – siehe Weihnachtsverkaufsstatistik – nicht auf, Bücher zu kaufen. Mit anderen Worten: Auch die Buchbranche verhält sich zum einen wie die Börse und reagiert antizipatorisch und zum anderen so, wie es der böse Kapitalist immer schon tat: In Krisenzeiten lassen sich Fehler und Schwächen von vorher am besten, weil ohne viel erklären zu müssen, als notwendige Reaktion auf die gegenwärtige Lage »verkaufen«. Ja, der Kapitalist im Porzellan­laden: Er war ja noch nie besonders sympathisch, aber er war immer effektiv, in die eine oder in die andere Richtung, meist aber zum Glück in die eine. Dass es im Moment deutlich die andere ist, erweist sich auch in der Verlagsbranche. Und die wieder zeigt, dass, was auch immer sie Edles druckt, sie den Druck, den sie selber spürt, ohne besondere Rücksicht auch an ihre eigenen Leute weitergibt: Sie spart, sie schränkt ein, sie entlässt. In China wurde erst kürzlich das Jahr des Büffels eingeläutet. Dann ist ja vielleicht das Jahr des Bullen auch nicht mehr weit. Wir hoffen, was sonst. Zwischen Hoffnung und Resignation? Was tun, in Krisenzeiten wie diesen?