Die erzählenden oder beschreibenden Kommentare bei Filmhörspielen, wie schwer ist es eigentlich, diese Kommentare einzufügen?
Carolin Bunk: Eine generelle Antwort gibt es hier nicht. Existiert z. B. eine literarische Vorlage für den Film ist es viel einfacher einen Erzähltext zu schreiben, da wir hier auf den Originalerzähler aus dem Buch zurückgreifen können. Die Buddenbrooks sind hier ein gutes Beispiel. In dem Filmhörspiel konnte Heinrich Breloer viele der sehr poetischen und oder auch ironischen Erzählerpassagen aus dem Roman wieder verwenden, die in dem Film nicht zu hören sind.
Bei Kinofilmen ohne Romanvorlage ist es natürlich schwieriger und für den Hörspielbearbeiter eine Herausforderung den richtigen Ton der Geschichte zu treffen. Aber auch hier gibt es Unterschiede. In vielen Filmen, vor allem im Kinder und All Age Bereich, wird mit einer Erzählstimme oder aus der Ich-Perspektive der Hauptperson durch den Film geführt. Das macht es natürlich für die Umsetzung in die akustische Form interessanter, da wir so einen Einblick in die Gefühle, Gedanken und Motivationen der Hauptperson eröffnen ein Vorteil gegenüber dem Film.
Das was, wann und wie viel ist eine Gratwanderung: Soviel Erklärung wie nötig, um die Handlung zu verstehen, aber sowenig Text wie möglich, um die Dramaturgie der Handlung nicht auszubremsen. Jede Szene ist genau zu analysieren, wie sprechen die Personen miteinander, welche Geräusche sind im Hintergrund und wo muss sich der Erzähler einklinken und Hintergründe oder die Handlung erklären.
Muss man dazu nicht auch den Film immer wieder sehen oder auch das Buch öfter lesen, um den Blick für das, was erklärenswert ist, zu bewahren?
Carolin Bunk: Beides ist die absolute Voraussetzung für eine gute Bearbeitung. Erst wenn man das Buch und jede Szene des Films bis in die Einzelheiten kennt, ist eine hochwertige Bearbeitung möglich. Inhaltlich liegen die Dramatisierungen von Stoffen für Film und Hörspiel sehr nahe. Mit Klaus Richter, dem erfahrenen Drehbuchautor Joseph Vilsmaiers bei Die Geschichte vom Brandner Kaspar und bei den Buddenbrooks Heinrich Breloer selbst haben wir die kompetentesten Bearbeiter für die Hörspielumsetzung an Bord gehabt. Profis wie diese können sich sehr gut in die Perspektive des Hörers versetzen.
Wie fällt die Entscheidung, ob man und welchen Titel man als Filmhörspiel produziert? Gehen Sie auf Filmfirmen zu oder bekommen Sie Angebote?
Carolin Bunk: Wir haben in jahrelanger Arbeit ein sehr gutes Netzwerk mit allen großen Filmproduktionsfirmen und Filmverleihern aufgebaut, so dass wir viele Angebote direkt von dort bekommen. Darüber hinaus behalten wir den ganzen Kinomarkt im Blick, sichten regelmäßig alle Kinovorankündigungen und fragen dann auch gezielt an.
Was sind dann die Kriterien dafür, einen Titel auch wirklich umzusetzen?
Carolin Bunk: Die Entscheidung, ob wir ein Filmhörspiel produzieren ist abhängig von vielen Kriterien. Es hat sich herauskristallisiert, dass die Anzahl der Kopien des Films bzw. dann die Kinobesucherzahl nicht allein ein Garant für einen Hörbucherfolg ist. Ebenso wichtig für den Erfolg eines Filmhörspiels im Buchhandel ist eine durchgesetzte Buchvorlage und ein erfolgreicher Autor. Die erwartete Medienresonanz im Vorfeld zum Film ist natürlich auch ausschlaggebend. Außerdem sind natürlich die Hochkarätigkeit der Schauspieler und Regisseure zusätzliche Kaufargumente.
Die Produktionskosten sind sicherlich wesentlich geringer als bei einer normalen Hörspielproduktion, oder?
Carolin Bunk: Grundsätzlich lässt sich das nicht sagen. Wir beauftragen einen Autor, den Erzähltext zu schreiben, der dann gesondert im Studio mit einem Sprecher aufgenommen wird. Die anschließende Mischung der Filmtonspuren (Geräusche, Sprache und Musik) mit dem Erzählpart ist identisch mit einer normalen Hörspielproduktion und daher entsprechend aufwändig (bei den Buddenbrooks waren das z. B. 87 einzelne Tonspuren, aus denen unser Hörspielteam Serotonin die Buddenbrooks neu gemischt hat. Es fallen also nur die Kosten für weitere Sprachaufnahmen weg.
Ist diese Form nicht einfach nur eine kostengünstige Art der Dritt- oder Viertverwertung?
Carolin Bunk: Auf gar keinen Fall. Wie oben dargestellt, sind Produktionskosten um einiges höher als für eine Lesung. Darüber hinaus ist der Aufwand für die Rechteklärung sowie die Abstimmungen über Umsetzung, Cover, Booklet, etc. mit den Produktionsfirmen bzw. Verleihern im Allgemeinen wesentlich komplizierter. Ganz abgesehen von dem Zeitdruck unter dem die pünktliche Realisierung zum Filmstart oft steht.... Aber von den Produktionskosten einmal abgesehen, kostet natürlich jeder Programmplatz schon mal per se und sollte nur mit Titeln besetzt werden, die im Hinblick auf mediengerechte Umsetzung, Zeitpunkt der Veröffentlichung, Pricing, etc. optimal platziert werden können.
Besonders kommt diese Art der Hörspiele bei Kindern an. Lohnt sich das Geschäft mit den Filmhörspielen auch für Erwachsene?
Carolin Bunk: Die Zielgruppe ist sehr breit. Die Film-Hörspiele sprechen über Stoffe (Die Geschichte des Brandner Kaspar als Volksmärchen und Theaterstück, Buddenbrooks als Klassiker und Weltliteratur) und Autoren (Thomas Mann) sowohl den literarisch Interessierten als auch ein jüngeres Kino-Publikum an, das sich durch das Kino einen populären, ersten Zugang zu den Werken schafft. (Beispiel für den Verkaufserfolg: 17.000 verkaufte Exemplare von Buddenbrooks)
Haben Sie einen Favoriten in diesem Genre?
Carolin Bunk: Natürlich unsere Buddenbrooks. Das Besondere an diesem Filmhörspiel ist, dass Heinrich Breloer in den Erzählpassagen die sehr detailreiche und unverwechselbare Sprache Thomas Manns beibehalten hat. Durch diese Verdichtung der Filmszenen gewinnt die Geschichte in der Hörspielfassung noch einmal an Vielschichtigkeit.
Kann es sein, dass Filmhörspiele jetzt wieder vermehrt/häufiger produziert werden?
Carolin Bunk: Es gibt seit einiger Zeit einen Trend zu Filmhörspielen. Die Verlage setzen auf die Synergieeffekte mit den Filmproduzenten im Marketing und in der Presse. Die durch das Kino erreichte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, ist für das Filmhörbuch natürlich ein Gewinn.
Liegt das evtl. auch ein bisschen daran, dass man den Werbe-/Wiedererkennungseffekt vom Film nutzen will?
Carolin Bunk: Mit unseren beiden letzten Filmhörspielen hatten wir den großen Vorteil einen Monat vor Filmstart bereits im Buchhandel präsent zu sein. D. h. als die große Werbemaschinerie des Films anlief, war das Hörbuch im Handel schon erhältlich. Die umfangreiche Berichterstattung zu Buddenbrooks hat sicherlich zu unseren guten Verkaufszahlen mit beigetragen.
Welche Titel kommen demnächst bzw. an welchem Titel arbeiten Sie evtl. gerade?
Carolin Bunk: Wir arbeiten schon an einigen Herbsttiteln. Darüber kann ich Ihnen aber leider jetzt noch nichts Näheres sagen.