Podiumsdiskussion im Frankfurter Literaturhaus

Frankfurt stellt Suhrkamp den Stuhl vor die Tür

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Das Leben ist kurz, man soll seine Zeit auf Erden sorgsam nutzen. So gesehen, kam der Besuch der Podiumsdiskussion „Frankfurt ohne Suhrkamp – na und?“, die am vergangenen Sonnabend im Frankfurter Literaturhaus stattfand, einer glatten Verschwendung von zwei Stunden eines kostbaren Gutes gleich. Meint Holger Ehling, der für boersenblatt.net dabei war.
###WERBUNG### Denn mit Ausnahme eines weitgehend ahnungslosen Stocherns im Nebel der Motivation für den Umzug des Verlags konnten die Podiumsteilnehmer – die Autoren Eva Demski, Andreas Maier und Wilhelm Genazino, die Journalisten Arno Widmann (FR) und Hubert Spiegel (FAZ) sowie der Frankfurter Kulturdezernent Felix Semmelroth, angeleitet von Moderator Martin Lüdke – herzlich wenig bieten, was erhellend gewesen wäre. Natürlich ist es von gewisser feuilletonistischer Relevanz, wenn Eva Demski den Suhrkamp Verlag als eine Kreuzung aus „Kathedrale und Irrenhaus“ charakterisiert, wenn Wilhelm Genazino die „Mentalität eines Stiers“ beschwört, mit der Siegfried Unseld – im Gegensatz zu Ursula Berkéwicz - die Autoren seines Hauses in die Öffentlichkeit brachte, wenn Andreas Maier den Umzug als einen weiteren Schnitt in einer Kette von radikalen Schnitten empfindet, die seit dem Tod Unselds vollzogen wurden. Und es ist richtig, wenn Arno Widmann konstatiert, dass eine kulturelle Symbiose zwischen Suhrkamp und Frankfurt, wie sie in der teils hysterischen Frankfurter Lokal-Debatte beschworen wurde, schlichtweg nicht existiert, und zwar mangels Grundlage: Weder bietet die Stadt ein Klima, das in irgendeiner Weise den glorreichen 60er Jahren gleichkommt, noch ist der Verlag bemüht, seine Programme wirkungsvoll in der Stadt zu inszenieren. „Sechs Uneingeweihte reden über einen Abwesenden“ – so ähnlich könnte die dramaturgische Umsetzung dieser Diskussion durch den seligen Samuel Beckett betitelt sein. Man redete und spekulierte in gesetztem Tone vor sich hin – immer betonend, dass man ganz auf Seiten der Mitarbeiter sei, aber deren Schicksal müsse man jetzt doch gerade mal ausklammern, weil das in die Argumentation nicht hineinpasse und eigentlich könne man ja auch nur erahnen, was denn nun wirklich die Motivation sei. Als Gewinner fühlen konnte sich einzig Kulturdezernent Semmelroth: Niemand stellte die Frage, wie denn eigentlich die Stadt - die sich so gerne mit den fremden Federn schmückt, die Suhrkamp oder auch die Frankfurter Buchmesse bereiten – mit ihren Verlagen umgeht. Er könne sich vorstellen, dass nach dem Wegzug des Börsenvereins das Buchhändlerhaus im Hirschgraben zu einem Haus der Verlage werden könne, ließ er wissen. Geld sei dafür aber eigentlich nicht zu erwarten. Klar ist, dass es der Stadt Frankfurt mit dieser Podiumsdiskussion darum ging, dem Suhrkamp Verlag den Stuhl vor die Tür zu stellen. Und mit der rotzig-präpotenten Betitelung „…na und?“ gab man Geschäftsleitung und Mitarbeitern gleich noch einen kräftigen Tritt in den Hintern.