Gespräch mit dem Fußballtrainer Hans Meyer

»Menschen sind gern bequem«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Der Fußballtrainer Hans Meyer über Motivation und Glaubwürdigkeit in Krisenzeiten, über weiche und harte Chefs sowie über Dinge, die ihn kaputt machen. Im aktuellen BÖRSENBLATT lesen Sie mehr zum Thema Krise & Chance.
Sie sind in einer schwierigen Situation: Mönchengladbach steht auf dem letzten Tabellenplatz. Wie findet man da den richtigen Ton, die Balance zwischen Kritik und Ermunterung? Hans Meyer: Es gibt ja das Klischee, wonach man die Spieler stark reden muss. Das ist totaler Unfug. Die Mannschaft hatte als ich herkam aus acht Spielen vier Punkte geholt. Da wäre es absurd, zu sagen: Ihr seid richtig gut. Eine Verbesserung kann letztlich nur über harte Trainingsarbeit und das Miteinander gelingen. Wenn es zu viele Spieler gibt, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht gelernt haben, sich zu fordern, selbstkritisch zu sein, ist es schwer. Wie gelingt es denn, die Spieler zu motivieren? Hans Meyer: Dafür gibt es kein Wundermittel. Es sind unzählige individuelle Gesprächen, Situationen im Training, wo man auf Fehler hinweist und gleichzeitig lobt. Das ist wie bei einem guten Lehrer in der Schule, der spart nicht mit Kritik, aber lobt, wo er loben kann. Wenn ich von Motivation rede, dann versuche ich an irgend einer Stelle immer wieder das besondere herauszukehren. Die Spieler sind sich in der Regel nicht bewusst, in welch einer begnadeten Situation sie sich befinden: Dass sie gesund sind, viel Geld verdienen – mit ihrem Hobby. Da kann ich als Trainer erwarten, dass sie sich ins Zeug legen. Schluderei, Nachlässigkeiten – das dulde ich nicht. Das führt dann dazu, dass Sie Spieler scharf kritisieren? Hans Meyer: Ja, natürlich. Wenn Sie in vier Sätzen drei Fehler machen und Ihr Chef cholerisch ist, schlägt der Sie. Das würde ich natürlich nicht tun – aber wenn jemand nicht bei der Sache ist, das lass ich nicht durchgehen. Herr Meyer, Sie wirken wie auf 180... Hans Meyer: Immer schon, so war ich schon mit 28. Wie werden Sie mit dem Druck fertig? Hans Meyer: Ich bin 66, ich empfinde keinen Druck. Ich muss niemandem etwas beweisen und für mich bestehen beruflich und finanziell keine Notwendigkeiten. Aber es macht doch mehr Spaß, wenn es besser läuft, oder nicht? Hans Meyer:> Aber das ist doch logisch. Glauben Sie, dass Sie manchmal übers Ziel hinausgeschossen sind? Hans Meyer: Ganz sicher. Manches habe ich auch bereut. Wie autoritär muss ein Trainer sein, wie sehr darf er als Kumpel auftreten? Hans Meyer: Kumpel kann man gar nicht sein. Kumpanei ist Lumpanei. Wo die Grenze nicht klar ist, wird es poblematisch. Ein Trainer müsste sein wie ein guter Vater. Das ist nicht der streichelnde Vater, sondern der, der fordert, der sein Kind liebt – das geht gar nicht anders –, aber der alles dafür tut, dass das Kind auf eigene Beine kommt. Ich war 13 Jahre Trainer bei Jena. Das ist ganz sicher ein Indiz dafür, dass die Ansprache gestimmt hat. Nicht für jeden. Für manchen wäre sicher ein ganz Weicher besser gewesen. Das sind Sie nicht... Hans Meyer: Nein, sicher nicht. Das geht auch gar nicht als Fußballtrainer. Wenn man zu gefühlig ist, endet das in Inkonsequenz. So geht man unter. Ist das nicht tragisch, sagen zu müssen: Der war als Mensch zu gut für den Job? Hans Meyer: Ja, aber das ist doch ein Problem der Gesellschaft. Wenn ich meine Kinder so erziehen würde, wie ich selbst empfinde, dann wären Dinge prägend wie Harmonie, Solidarität, Mitgefühl für den anderen, gute, positive Kommunikation, dann würde ich sie anhalten, daran zu denken, dass es vielen Menschen schlechter geht. Doch dann liefen sie immer Gefahr, ein bisschen die Guten und zugleich die Dummen zu sein. Da das richtige Maß zu finden, ist nicht einfach. Sie können auf keinen Fall nur das Herz sprechen lassen. Das geht nicht. Fußballer sind wie alle anderen Menschen: durchschnittlich. Und der durchschnittliche Mensch ist häufig sehr bequem. Der durchschnittliche Mensch versucht oft, den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn man die Chance hat, ihm Führung zu geben, dann sollte man das tun. Das heißt, ihn von der Bequemlichkeit abhalten. Hans Meyer: Ja, zum Beispiel. Ich habe täglich Entscheidungen zu treffen, wo ich jemanden weh tue. Sie dürfen sich das nicht zu nahe gehen lassen, oder? Hans Meyer: Ich habe unglaublich viel Verständnis, aber darum geht es nicht. Wie schaffen Sie es selbst, sich zu motivieren? Hans Meyer: Ich habe immer am liebsten mit den Mannschaften gearbeitet, wo ich bei sieben von elf Spielern gar nichts sagen musste, weil sie heiß waren, gewinnen wollten – das war die beste Motivation für mich. Die aber, die man dauernd stoßen muss, wo man sich jedes Mal fragt: Was haben die für Probleme? – das ist aufreibend. Letztlich kann sich jeder nur selbst motivieren – durch entsprechende Leistungen. Der Trainer kann nur helfen. Dieses leidige Thema: Wie kannst du die motivieren, macht mich total kaputt.