Abwrackprämie für Bücher

Von wegen »undenkbar«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Was im milliardenschweren Konjunkturprogramm zur Krisenbewältigung noch fehlt: eine Abwrackprämie für viel genutzte Bücher. Von Ulrich Störiko-Blume, Verlagsleiter Boje.
Ein Lieblingswort von Politikern ist »undenkbar«. Dabei ist nichts »undenkbar« - es sei denn, das Angedachte ist nicht gewollt, soll also noch nicht einmal gedacht werden. Ist es etwa »undenkbar«, dass die Buchbranche eine Konjunkturspritze bekommt? Es ist genauso »undenkbar«, wie es die staatlichen Hilfen für Banken und andere Branchen bis vor Kurzem noch waren. Die Antworten der Politik auf die Weltfinanzkrise hat einige bisher »undenkbare« Maßnahmen gezeitigt. Öffentliche Gelder in dreistelliger Milliardenhöhe fließen, deren Beträge man bis vor Kurzem noch nicht einmal in Millionenhöhe laut auszusprechen gewagt hätte. Das freie Schalten und Walten des Marktes, bis vor Kurzem Glaubensbekenntnis Nummer 1, wird durch staatliche Interventionen ungeahnten Ausmaßes ersetzt. Ja, wir alle wissen, dass ein riesiger Teil der Arbeitsplätze in Deutschland von der Automobilindustrie abhängt. Es werden zwar vernünftige und tolle Autos bei uns gebaut, aber nicht genug verkauft. Was tut man da? Man bietet eine Abwrackprämie für Altautos an. 1,5 Milliarden Euro werden dafür bereitgestellt. Warum legt die Bundesregierung nicht ein ähnliches Programm für Bibliotheken auf? Das käme den Verlagen, dem Buchhandel, der Druckbranche und den Autoren zugute, vor allem aber der Bildung. Denn wir wissen auch alle, und jeder Politiker wird nicht müde, dies in jeder Sonntagsrede zu sagen, dass der wichtigste Rohstoff in unserem Land die Bildung ist – wenn sie denn tatsächlich in die Köpfe und Herzen vor allem der jungen Generation eingeht. Aber hier herrscht ja kerngesunder Wettbewerb – in Gestalt föderalen und parteipolitischen Gezänks. Eine Ganztagsschulbetreuung, die Voraussetzung für eine wirkliche Bildungsoffensive wäre, wird nicht umgesetzt. Besonders die Kinder bildungsferner Schichten, deren Potenzial man ja angeblich nutzen will, werden nachmittags dem Geflimmer des Fernsehens und dem Geklicke des Internets überlassen. Da die öffentliche Hand dieses Problem offensichtlich nicht wirklich angehen will, sollte sie den privaten Unternehmen, die hier engagiert sind, unter die Arme greifen. Gemeinsam könnten wir Bücher in die Hände nicht nur der bildungsaffinen Schichten bringen, sondern in die Hände aller Kinder – also in die Schulen! Die Buchbranche sollte sich nicht mehr damit zufriedengeben, dass sie den reduzierten Mehrwertsteuersatz und die Buchpreisbindung hat. Das reicht nicht, um immer nur brav »Danke, liebe Politiker« zu sagen – wir brauchen mehr. Zum Beispiel eine Bildungsinitiative in Höhe von einer Milliarde Euro, um den öffentlichen Bibliotheken in diesem Land einen Austausch ihrer alten, abgenutzten Bücherbestände und eine Ergänzung ihres Angebots an neuen Titeln zu ermöglichen. Mit einem solchen Konjunkturprogramm könnten für 10.000 Bibliotheken (bei einem durchschnittlichen Ladenpreis von 15 Euro) jeweils 6.666 neue Bücher angeschafft werden. Das entspricht etwa der Anzahl der jährlichen Neuerscheinungen im deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuch. Der Umsatz würde die Buchbranche beleben, die Bibliotheken wären dank eines renovierten und vergrößerten Angebots attraktiver und neue Bibliotheken könnten eingerichtet werden. Wer stellt sich da hin und behauptet, dies sei keine Investition in die Zukunft? Oder wird etwa heimlich schon gedacht: Bücher brauchen wir gar nicht mehr, wir bekommen doch bald alles als Download, und das über kurz oder lang umsonst? Liebe Politiker, investieren Sie lieber gutes Geld für gute Bücher statt gutes Geld für schlechtes Wirtschaften auszugeben!