Auswirkungen auf die vielen Buchmessen weltweit scheinen da zwangsläufig, denn besonders den Marketingetats geht es in Krisenzeiten entgegen aller Weisheiten, die die Werbewirtschaft verbreitet überall als erstes an den Kragen. Erstes Opfer der Einsparungen ist die BookExpo Canada: Die für das späte Frühjahr angesetzte Messe wurde abgesetzt, und der Veranstalter Reed Exhibitions der größte Messeveranstalter der Welt machte auch gleich noch einer neuen Publikumsmesse, die im September in Toronto hätte stattfinden sollen, den Garaus. Ob die Veranstaltungen im kommenden Jahr wiederbelebt werden, ist ungewiss. Das Gemurmel aus dem Hause Reed deutet nicht darauf hin.
Fachmessen sind immer Barometer für die Befindlichkeit einer Branche: Veränderungen bei der Zahl der Aussteller lassen Schlüsse zu auf globale und regionale Probleme oder Veränderungen in einzelnen Marktnischen. Beispiel Automobilindustrie: Dieser Tage machte die mächtige IAA die falschen Schlagzeilen - Mitsubishi bleibt weg, ebenso Continental und Federal Mogul, zwei der größten Autozulieferer der Welt, ob General Motors und Chrysler im Herbst noch in der heutigen Form Bestand haben, steht in den Sternen. Die weltweit aufgespannten finanziellen Rettungsschirme für die Automobilindustrie sind, so scheint es, noch nicht ganz groß genug.
Von Rettungsschirmen kann die Verlagsbranche nur träumen wie sieht es also aus bei den Buchmesse weltweit? Ein Rundruf bei den wichtigsten Messen fördert dieser Tage aber wenig Verwertbares zutage: Konkrete Zahlen Anmeldezahlen nennt niemand, mit der positiven Ausnahme von Oliver Zille von der Leipziger Buchmesse, der mit breiter Brust zu den krisenbedingten Rückgängen bei den Anmeldungen steht. Problem erkannt Poblem gebannt, möchte man da sagen die cleveren Sachsen haben den meisten Kollegen in dieser Beziehung einiges voraus.
Ansonsten, wie gesagt, war wenig Brauchbares zu vernehmen - aber alle geben sich zufrieden. Was dann wieder die Frage aufwirft, warum man denn dann so wortkarg ist. Oder redet man auf die Rüben und hofft, dass etwas wächst?
Einigermaßen klar äußert sich immerhin Juergen Boos, Chef der Frankfurter Buchmesse. Er gibt zu Protokoll, dass derzeit die Anmeldungen erfreulich seien: Sie lägen auf dem Stand von 2008. Gleichzeitig ist die Nachfrage weiterhin lebhaft und wir beginnen bereits die konkrete Hallenplanung. Auffällig ist, dass der Frühbucherrabatt dieses Jahr insbesondere von Ausstellern aus Nordamerika überdurchschnittlich genutzt wurde. Das hängt sicher damit zusammen, dass die Verleger aus dieser Region die Kosten stärker im Blick haben als etwa im vergangenen Jahr.
Die Frankfurter haben in Sachen Zurückhaltung, was die Anmeldezahlen angeht, immerhin ein gutes Argument auf ihrer Seite: Der offizielle Anmeldeschluss liegt gerade mal ein paar Tage zurück und eine große Zahl von Anmeldungen kommen noch bis Ende Juni zustande erst bei Redaktionsschluss des Katalogs kann man wirklich stimmige Zahlen erwarten, die sich dann aber erfahrungsgemäß bis zum Oktober noch deutlich verändern ein Trend aber wird dann erkennbar sein.
Die Aussage von Juergen Boos bestätigt die Vermutung, dass die Stimmung vor allem bei den anglo-amerikanischen Ausstellern (mit rund 1500 Firmen die zweitgrößte und für das internationale Geschäft wichtigste Ausstellergruppe in Frankfurt) in Richtung Konzentration der Ressourcen geht, wie das Schicksal der kanadischen Buchmessen ja auch zeigt. Allerdings steht wohl kaum zu befürchten, dass im Oktober das Prairiegras durch leere Gänge in Halle 8 rollen wird.
Brisanter wird es in dieser Beziehung für die Messemacher in London und in den USA. Auf Nachfrage in London zeigt man sich dort schmallippig: Zum jetzigen Zeitpunkt könne nichts Konkretes gesagt werden. Was eigentlich auch schon konkret auf Probleme hindeutet. Allerdings sieht man keine Anzeichen für eine Krise. Messe-Chef Alistair Burtenshaw: Die Anmeldungen von Ausstellern und Fachbesuchern sind so, wie wir sie erwartet haben.
Ah, ja.
Im Seminarprogramm zur Londoner Buchmesse soll der Situation aber Rechnung getragen werden mit einer Veranstaltung zu CSM (d.i. Corporate Social Responsibilty): Luxury or Necessity in a Credit Crunch? das ist zwar nicht auf die Verantwortung von Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern gemünzt, dürfte aber die um ihren (meist miserabel bezahlten) Job bangenden Galeerensklaven in den britischen Verlagen interessieren. Vielleicht ist die Londoner Aufholjagd gegenüber der Frankfurter Konkurrenz ja in diesem Jahr zum Stehen gekommen in der Reineckstraße wird man darüber keine Tränen vergießen.
Neben der abgesagten BookExpo Canada und der London Book Fair gehört auch die BookExpo America (BEA), die Ende Mai in New York stattfindet, zum Buchmesse-Portfolio von Reed Exhibitions (außerdem noch die ExpoLangue in Paris, die Tokyo Book Fair und die BuchWien). Die BEA, seit langem kränkelnd, sorgte Anfang Februar für Aufsehen mit Änderungen für die Zukunft: Vorerst soll Schluss sein mit der Rotation zwischen verschiedenen Standorten, bis 2012 bleibt die Messe am Hudson. Außerdem wurde ein Ausstellungstag gestrichen und die Messe vom Wochenende in die Woche hinein verlegt, zusätzlich gibt es einen eigenen Tag für Seminarprogramme.
Alles kein Ausdruck von Krisenmanagement, sagt BEA-Chef Lance Festerman, sondern Reaktion auf veränderte Kundenwünsche. Auch hier gilt: Für Zahlen sei es viel zu früh.
Die BEA ist allerdings ein Sonderfall: Schon vor der Übernahme der Messe durch Reed Exhibitions Mitte der 90er Jahre (seinerzeit hatte die American Booksellers Association die Messe auch den Frankfurtern angeboten) hatte die Messe unter deutlich schwindendem Zuspruch durch Buchhändler gelitten. Dieser Prozess setzte sich fort, auch der Versuch, der BEA in Chicago ein dauerhaftes Zuhause zu geben, scheiterte. Das Rotationsprinzip, mit dem unabhängigen Buchhändlern in dem Riesenland USA die Teilnahme an der Messe leichter gemacht werden sollte, wurde wieder eingeführt. Doch auch in den vergangenen Jahren setzte sich der Trend schwindenden Buchhändlerzuspruchs fort jetzt setzt die BEA ganz darauf, ein Marketinginstrument für die Verlage sein zu wollen. Dafür spricht auch die Ankündigung, zukünftig mehr Einflussnehmer in die Messe einbinden zu wollen. Ob das mit einem zweitägigen Mini-Event klappen kann, ist fraglich. Zumal internationale Aussteller, für die ein Tag mehr oder weniger keine große Rolle spielt, zukünftig noch ein weiteres Mal nachrechnen werden, ob sie bei der Messe präsent sein müssen oder ob sie nicht ihre geschäftlichen Ziele in den USA genauso gut und preisgünstiger auf andere Weise erreichen können.
In Paris, Moskau und Bologna war auf Nachfrage nicht einmal ein Mini-Statement zu erhalten man wird sehen, wie diese Messen über das Jahr kommen. Skeptisches Daumendrücken ist den Kollegen aber zugesichert.
In Europa dürften mit Ausnahme der drei internationalen Leitmessen in London, Bologna und Frankfurt alle anderen Probleme bekommen mit ausländischen Beteiligungen. Problematisch dürfte sich die Lage der kleineren Buchmessen in Mittel- und Osteuropa gestalten vor allem Prag, Budapest und Bukarest sind schon seit längerem notleidend und ihre Funktion als Vertriebsweg für ansonsten schlecht erhältliche Bücher ist seit längerem eigentlich obsolet. Warschau, wo man traditionell erst eine ganze Weile nach der Messe weiß, wie viele Aussteller teilgenommen haben, ist seit dem fehlgeschlagenen Frankfurter Versuch, gemeinsam mit dem polnischen Verlegerverband eine Konkurrenzmesse zu etablieren, ebenfalls ein Wackelkandidat. Vor allem der Verlust der Leitmessenfunktion für Osteuropa hat dem internationalen Geschäft im stalinschen Zuckerbäckerpalast deutliche Rückschläge verpasst.
Diese Vertriebsfunktion ist allerdings das Lebenselixier für die Buchmessen in der Arabischen Welt und in Afrika: Vom Golf wo die Buchmesse in Abu Dhabi gerade einen neuen Ausstellerrekord gemeldet hat bis in den Nordirak und in den Senegal hinein sind die unzählig vielen Buchmessen oft der einzige Weg, Bücher aus entlegeneren Regionen zu erhalten. Der ungebrochene Besucherstrom in Kairo, wo einmal mehr deutlich weniger Aussteller als im Vorjahr teilgenommen, unterstreicht diese Prognose.
Ähnlich sieht es in den meisten asiatischen Ländern aus: Peking ist weiterhin auf Wachstumskurs, die chaotischen Bücherschauen in Indien werden von Besuchern geradezu gestürmt, einzig die Buchmesse in Seoul scheint einmal mehr an Bedeutung zu verlieren: Ausländische Aussteller machen sich hier seit Jahren rar, und viele der wichtigsten koreanischen Verlage nehmen auch schon lange nicht mehr an der Messe teil.
Kommen wir zurück zum deutschsprachigen Raum, wo in Wien und Genf (ja, ich weiß, man spricht dort Französisch, aber gemach) ehrgeizige neue Projekte gestartet wurden. In Wien konnte man im vergangenen November einen spektakulären Erfolg (auf kleiner Basis) melden wenn man als Maßstab die Umsätze der Messebuchhandlung nimmt, die deutlich über den Zahlen lagen, die in den Vorjahren bei der durch die BuchWien abgelösten Bücherschau im Rathaus erzielt wurden. In Genf soll der deutschsprachige Teil der Messe, der bislang recht schmalbrüstig daherkam, von diesem Jahr an deutlich ausgeweitet werden nicht unbedingt der beste Zeitpunkt für den Start eines solchen Vorhabens.
Die neuen Initiativen in Wien und Genf stehen und fallen letztlich mit dem Zuspruch der deutschen Verlage, bei denen bislang eher unlustige Kommentare zu hören waren. Man wird sehen, ob im Laufe des Jahres tatsächlich noch substantielle Mittel in den Marketing-Etats der Büchermacher zwischen Bodensee und Flensburg vorhanden sind.
Holger Ehling war Leiter der Unternehmenskommunikation sowie stv. Direktor der Frankfurter Buchmesse und berichtet seit rund 20 Jahren als Reporter und Korrespondent für das Börsenblatt über die Buchmärkte der Welt.