Am 1. März 1999 ging für Michael Eschmann (geb. 1958) ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung: die Gründung seines wissenschaftlichen Versandantiquariats für Medizin in Dreieich bei Frankfurt am Main. Der in Mannheim ausgebildete Buchhändler und Antiquar war, nach einer längeren Tätigkeit in Berlin, 1996 der Liebe wegen ins Rhein-Main-Gebiet gekommen. Nach einem Intermezzo beim Antiquariat Tresor am Römer in Frankfurt am Main, machte er sich selbständig. 2000 erfolgte der Umzug nach Griesheim, drei Kilometer westlich von Darmstadt.
Michael Eschmann, seine Frau und drei Katzen wohnen dort im obersten Stockwerk eines Mehrfamilienhauses. Zwei kleine Arbeitszimmer in einem die fein säuberlich aufgestellten, neu bearbeiteten Titel, im anderen die rund 400 bis 500 Titel umfassende Handbibliothek ("vieles steht nicht im Internet") sind sein Refugium. Ergänzend zur Medizin ist inzwischen die Grafik (Porträts, Anatomie- und Berufsdarstellungen) hinzugekommen. Im ausgebauten Dachboden über der Wohnung hat sich Eschmann sein Lager eingerichtet momentan verwahrt er dort rund 3.000 Bücher und 4.000 Grafiken. Den Bestand hält er aus kaufmännischen Erwägungen so klein wie möglich ("Ich versuche mehr zu verkaufen, als zu kaufen"). Neueingänge stammen vor allem aus Medizinernachlässen; bei Professoren meist sehr gute Arbeitsbibliotheken mit vielen Kleinschriften und Sonderdrucken.
Zentral für seinen Geschäftserfolg sei die Kundenkartei, betont Michael Eschmann. Diese führt er, der seine Arbeitsweise als "sehr altmodisch" oder "traditionell" beschreibt, als reine Zettelkartei. Aufgenommen hat er etwa 2.500 Kunden mit zugehörigen Sachgebieten. 10 Prozent davon kaufen mehrmals im Jahr bei ihm. Gesucht werden Titel zu sehr speziellen Themen wie etwa Hypnose, Syphilis, Schmerztherapie, Pharmazie, Neurologie, oder Bauchspeicheldrüse. Daneben auch zur Psychiatrie und Geschichte der Medizin. Meist, um eigene Publikationen oder Forschungsvorhaben zu unterstützen.
Der für ihn optimale Verkaufsweg sei nach wie vor das gezielte Einzelangebot oder die Versendung kleinerer Speziallisten (bis zu 120 Titel) per Post oder E-Mail anhand seiner Kundenkartei. Umfangreichere (Varia-)Kataloge lehnt Michael Eschmann als zu teures Werbeinstrument ab. Bei seinen bislang acht bis neun Katalogen sei die Bestellquote einfach zu gering gewesen.
Und das Internet? "Für mich ist das Internetgeschäft nur eine Ergänzung", erklärt Eschmann. Übers Internet verkaufe sich Medizin recht schwer. Seit 2000 bietet er Bücher beim ZVAB an seit einigen Jahren mit rückläufiger oder stagnierender Verkaufsquote. Mit fünf Kollegen (mehr sollten es seiner Meinung nach nicht werden) betreibt er die Website "Antiquariate im Rhein-Main-Gebiet". Die Gruppe sei "mehr als ein Stammtisch und weniger als ein Verein". Man unterhalte die gemeinsame Angebots-Datenbank, treffe sich alle drei Monate zum Informations-Austausch, vermittle sich gegenseitig Kunden und helfe sich bei Bedarf. Der Zugriff auf die Rhein-Main-Seite, für ihn zufrieden stellend, erfolge meist über Google. Kritisch sieht er allgemein das Überangebot antiquarischer und gebrauchter Bücher im Internet und die Vielzahl an Plattformen.
Was hat sich seit 1999 in der Branche verändert? "Früher ist man den Büchern nachgerannt, heute rennt man den Büchern und Kunden nach." Ursache sei eine strukturelle Problematik im Antiquariatsbuchhandel, so Eschmann, die sich wesentlich durch ein Desinteresse der jüngeren Generation an historischen Dingen äußere. Das Internet habe diesen Prozess nur beschleunigt nicht verursacht. Wenn er heute eine Liste an 30 Neukunden verschicke, erhalte er in der Regel eine Resonanz, vor zehn Jahren waren es noch vier bis fünf. Und er schließt: "Es gibt keine universelle Lösung für das Elend im Antiquariat." Tauschen möchte er seinen Beruf jedoch um nichts auf der Welt.
Antiquariat Michael Eschmann
Wilhelm-Leuschner-Str. 153
64347 Griesheim
Tel. 06155/828441
Fax 06155/828442
Antiquariat.Eschmann@t-online.de
Text: Matthias Glatthor