Spätestens seit der »Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen«, dem deutschen Open-Access-Manifest vom 22. Oktober 2003, ist die Diskussion über die Zukunft wissenschaftlichen Publizierens voll entbrannt. Dabei lässt sich eine zunehmende Verhärtung der Positionen beobachten. So ist man schnell bei der Hand, denjenigen kritischen Stimmen, die sich öffentlich zu Wort melden, Traditionalismus, Interessenwahrung und Fortschrittsfeindlichkeit zu attestieren. Dies geschieht mitunter mit einer Vehemenz, die vermuten lässt, dass es weniger um den Austausch von Argumenten als um die Durchsetzung einer ideologischen Doktrin geht.
Dabei ist die wissenschaftspolitisch motivierte Direktive zum elektronischen Publizieren längst über das Stadium der Diskussion hinaus; sie ist manifest, wie das Beispiel der Universität Zürich zeigt, deren Budgetvergabe gekoppelt ist an den Zwang zur Online-Publikation, wahlweise begleitet von einem Printmedium. Jeder Wissenschaftler, gewohnt daran, frei zu forschen und die Ergebnisse dieser Forschung in einem Verlag seiner Wahl zu veröffentlichen, wird sich dazu verhalten müssen, und Gleiches gilt für jeden wissenschaftlichen Fachverlag.
Was steht auf dem Spiel? Wissenschaftliche Verlage geben mit ihren Buchpublikationen wissenschaftlichen Strömungen Profil, sie selektieren und organisieren Wissen; sie redigieren und layouten Texte. Sie kommunizieren diese Texte und verbreiten sie, sie sorgen für Medienpräsenz und geben dem Autor eine öffentliche Stimme, initiieren den Dialog und Diskurs zwischen den Disziplinen. Und sie tun es über ein Medium, das sich seit Jahrhunderten bewährt hat und das unverändert befähigt ist, den Forschungen des publizierten Autors eine gleichermaßen strukturierte wie würdige Form zu geben: das Buch.
Als Wirtschaftsbetriebe fungieren wissenschaftliche Verlage als außeruniversitäres, qualitatives Regulativ. Sie investieren in die in ihrem Programm publizierten Bücher, und kein seriöser Verlag kann es sich leisten, Investitionen in wissenschaftlich schwache oder formal fehlerhafte Bücher zu tätigen.
Ob man diese Praxis leichthin gegen eine summarische Präsentation wissenschaftlicher Forschung im Netz eintauschen möchte, ist die konkret zu verhandelnde Frage, die durchaus Anlass zu einiger Skepsis gibt – zumal das Problem der Finanzierbarkeit elektronischen Publizierens, allen Propagandismen zum Trotz, nicht gelöst ist.
In Zeiten des Wettbewerbs zwischen den Hochschulen ist zu konstatieren: Es wird immer mehr publiziert und immer weniger gelesen; dieses Verhältnis wieder auf ein gesundes Maß zu bringen, dazu scheint Open Access schlecht geeignet.
Im Gegenteil: Das Missverhältnis wird sich weiter potenzieren, mit Auswirkungen auf den interdisziplinären Austausch zwischen den Fakultäten. Provokant gefragt: Ist damit zu rechnen, dass die an das Buch geknüpfte Lesekultur abgelöst wird von einer Kultur des Copy & Paste?
Ob die Wissenschaftler künftig tatsächlich noch die Wahl haben, in welcher Form sie ihre Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich machen, diese Frage ist offen. Vergleichen können wird man die Publikationsformen erst dann, wenn repräsentative Ergebnisse zu Open Access in den Geisteswissenschaften vorliegen. Bis dahin könnte es für die wissenschaftlichen Verlage zu spät sein.