Alle Meinungsführer, ob »FAZ«, »Welt«, »Spiegel« oder andere große Blätter, haben sich in den vergangenen Wochen auf den Sony Reader PRS 505 eingeschossen und die Vielfalt an E-Book-Lesegeräten und -Inhalten, die es bereits seit Jahren gibt, weitgehend ausgeblendet.
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Vergessen wird meist auch, dass ein E-Book-Markt bereits existiert: Seit Jahren wird im B-to-B-Geschäft mit kompletten E-Book-Kollektionen und E-Content-Sammlungen gehandelt, und es wird massenhaft an PCs und auf Notebooks gelesen. Die öffentliche Aufmerksamkeit, die jetzt entsteht und auch bewusst erzeugt wird, richtet sich auf den Consumer-Markt, für den die flächendeckende Markteinführung des Sony Reader tatsächlich einen Wendepunkt darstellt.
Der Sony Reader wird nicht nur in den Buchhandlungen von Thalia und der Mayerschen vorrätig gehalten, er kann nicht nur ab sofort über Online-Händler wie Buch.de bestellt werden, sondern ist auch in zahlreichen Filialen anderer Buchketten wie Buch Habel oder Hugendubel erhältlich oder bestellbar. Neu ist nicht nur der Markteintritt des Lesegeräts, sondern auch die gleichzeitige Distribution der Inhalte.
Doch zeitgleich mit Sony betreten andere Anbieter den Markt: Die MVB verkauft ab sofort das Cybook und den iLiad über livendo und bietet außerdem eine steigende Zahl an E-Books über libreka! an, die über das Sortiment bestellt und vertrieben werden können. Buchkatalog.de hat inzwischen sechs verschiedene E-Book-Devices im Sortiment, darunter auch den chinesischen Reader Hanlin V 3, und bindet ab dem zweiten Quartal 2009 libreka! in seinen Download-Shop ein. Und soeben gibt der Hersteller des BeBook, die niederländische Firma Endless Ideas bekannt, dass der Preis für das Lesegerät unter 300 Euro gesenkt wird.
Damit nicht genug: Weitere Geräte- und Contentanbieter drängen auf den Markt – unter ihnen der Firmengründer Andreas Steinhauser, der mit seinem preisgünstigen Txtr Reader gegen die Konkurrenz antreten will.
Und auch Amazon, das mit der Apple-Allianz seine beiden Kindle-Versionen nun auch für den Daten- und Plattformaustausch geöffnet hat, wird nicht zögern, den deutschen Markt mit seinem E-Book-Angebot zu erschließen. Bei Amazon wird es die schiere Masse an Titeln und das drahtlose Download-Modell sein, dass den Wettbewerb auf eine neue Stufe heben könnte. In Großbritannien, so ist in diesen Tagen unter anderem vom Verlegerverband zu hören, rechne man in diesem Jahr mit der Einführung des Kindle. In Deutschland käme als Kooperationspartner für den Vertrieb ein Telekommunikationsanbieter wie T-Mobile oder Vodafone in Frage. T-Mobile hat es beim Smartphone G 1 von Google vorexerziert.
Amazon ist für Überraschungen gut: Es könnte durchaus sein, dass schon in den nächsten Tagen Neuigkeiten zur Kindle-Einführung in Deutschland kommen. Ein mögliches Vertriebsmodell für die Kindle-E-Books in Deutschland könnte so aussehen: Die Kunden kaufen die E-Books drahtlos über ein iPhone und übertragen die Dateien anschließend via Blutooth auf den Kindle. Das wäre zwar umständlicher als in den USA, aber würde den Mangel des in Deutschland fehlenden Whispernets beheben. Klar, dass es sich hierbei um reine Spekulation handelt.
Was die Medien am Massenstart des E-Books noch interessiert, ist natürlich das Medium selbst. Gefragt wird, ob die E-Book-Reader unser Leseverhalten verändern. Ob sie wirklich das versprochene Leseerlebnis bieten (sechs Feuilleton-Redakteure der »Welt« zeigten sich in der Ausgabe vom 9. März nach einem Test des Sony PRS 505 eher enttäuscht bis verärgert – und warten auf bessere Zeiten). Und es wird gefragt, ob das neue Medium das Schreiben verändert und neue Formen generiert. Die Diskussion um Hypertexte und SMS-Romane hat aber in der Vergangenheit schon gezeigt, dass es sich dabei um Randphänomene der Textproduktion und Literatur handeln wird.
Der 11. März 2009 bleibt – bei aller nötigen Differenzierung – doch als Datum haften. Ab heute darf kein halbwegs informierter Zeitgenosse mehr behaupten, er habe noch nie etwas von einem E-Book gehört. So gesehen, ist das E-Book als Massenmedium im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Und das ist immerhin ein Stück Mediengeschichte.