»Er hat die Gabe, Menschen um sich zu sammeln und miteinander zu verbünden. Er ist von großen Versprechen nicht zu beeindrucken. Die Verführung, sich verblüffen zu lassen, ist bei ihm nicht ausgeprägt. Eine Art strahlender Skepsis gehört zu der Ausstattung, mit der Dietrich Simon die Abenteuer des Büchermachens in zwei Welten bestand. Er hat in Jena Germanistik studiert, war seit 1963 Lektor für den Aufbau Verlag, wechselte zu Volk und Welt.
Im Kleinkrieg gegen die Zensur, den Devisenmangel und die Grenzen der Druckkapazitäten hat Dietrich Simon (mit anderen Kombattanten) westlich deutschsprachige Namen zum ostdeutschen Leuchten gebracht, zum Beispiel Karl Kraus, Canetti, Musil, Hermann Broch und zuletzt noch den verpönten Sigmund Freud. Zeitweilig wirkte Volk und Welt wie ein Buchclub der deutschen Gegenwartsliteratur in der DDR: Frisch, Koeppen, Rolf Hochhuth, 1987 endlich die »Blechtrommel« und und und.
Er führte den Verlag nach der Wende weiter, und viele Prominente wollten helfen: vom Bundespräsidenten Weizsäcker bis Günter Grass. Doch alle Erfolge, vor allem mit der großen Bulgakow-Ausgabe und den ersten Romanen von Thomas Brussig, konnten das Ende des Unternehmens 2001 nur hinausschieben. Den Abschied vom Verlag, der einst das literarische Tor der DDR zur Welt war, hat Dietrich Simon mit Tatkraft überstanden.
Im gleichen Jahr übernahm er die Geschäftsführung der privaten S. Fischer Stiftung und machte sich als Mittler höchst verdient: Wenn Leser in Russland, Polen, in der Türkei und in Südosteuropa heute etwas von deutscher Gegenwartsliteratur wissen, verdanken sie es dem Großprogramm an Übersetzungen, die von dieser Stiftung angeregt und finanziert werden. Eine Meldung besagt, Dietrich Simon habe sich im vergangenen Jahr zurückgezogen. Das wirkt wie ein Gerücht: Dieser Anstifter und Verbünder mit seinem ansteckenden Optimismus, der heute seinen 70. Geburtstag im Verborgenen feiert, kann gar nicht aufhören.«