Blog aus Abu Dhabi

Digitale Welt

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Eine der interessantesten Veranstaltungen, die ich hier auf der Messe besucht habe, war das Seminar „Business Potentials of Digital Publishing“ am Donnerstagnachmittag.

Das Thema ist für mich persönlich von großem Interesse, und nachdem ich bei der Einführung in den arabischen Buchmarkt ein paar abschätzige Bemerkungen über E-Books gehört hatte, war ich sehr gespannt, zu erfahren, welche Digitalisierungsprojekte in dieser Region vor sich gehen – und was arabische Verleger von der neuen digitalen Welt halten.


###WERBUNG###
Dalia M. Ibrahim vom ägyptischen Verlag Nahdet Misr Publishing & Printing – bei dem die arabischen Übersetzungen der Harry-Potter-Romane erschienen sind – hielt einen starken Vortrag über die Bedeutung von E-Content und, wichtiger noch, über die Notwendigkeit, diesen Content geschickt zu entwickeln und zu vermarkten. Das Potenzial von E-Books und anderen Formen digitalen Contents ist leicht zu erkennen, doch bis zur Entwicklung eines tragfähigen Modell ist es ein weiter Weg, wie Dalia Ibrahim in den letzten sechs Jahren bei Nahdet Misr erfahren musste, in denen dort viel Geld in Digitalisierungsprojekte gesteckt wurde, ohne einen entsprechenden Ertrag zu liefern.

Dalia Ibrahim und Diskussionsleiter Ramy Habeeb vom ägyptischen E-Book-Verlag Kotobarabia boten einen interessanten Einblick in die Internetnutzung in der arabischen Welt. Nach ihrer Aussage ist der Gebrauch des Internets im Zeitraum von 2000 bis 2007 zwar um 1000 Prozent angestiegen, aber nur 10 Prozent der Suchanfragen von arabischen Usern dienten „sinnvoller“ Information. (Das hat zugegebenermaßen etwas von einem Werturteil; zur Verdeutlichung: Die beiden betrachteten die Suche nach Informationen zu einem möglichen gesundheitlichen Problem als sinnvoll gegenüber Chatten und Instant Messaging als nicht sinnvolle Tätigkeiten.) Als logische Folge dieser Sachlage gibt es einen Mangel an hochwertigem Online-Content in arabischer Sprache. Laut Ramy Habeeb „gibt es, ganz anders als in der westlichen Welt, noch nicht einmal besonders viele private Webseiten“.

Diese Situation bietet enorme Chancen, weswegen Dalia Ibrahim die arabischen Verleger aufrief, in diesen Zukunftsmarkt zu investieren und mit der Entwicklung digitalen Contents zu beginnen, um sich ihren Marktanteil zu sichern. Um den Mangel an unmittelbaren wirtschaftlichen Anreizen auszugleichen, appellierte sie auch an Regierungen und nichtstaatliche Organisationen, Verlage finanziell zu unterstützen, die kulturell wertvollen digitalen Content entwickeln.

Ronald Schild, der die Volltextsuche Libreka! vertritt, gab einen professionellen, gut gegliederten und aktuellen Überblick über das Potenzial des E-Book-Markts. Er sprach sich dagegen aus, Amazon und Google den Markt beherrschen zu lassen, und plädierte stattdessen für ein offeneres System mit unterschiedlichen Vertriebswegen. Zudem bot er einige „Erfolgsrezepte“ für Verlage, die in die digitale Welt aufbrechen möchten: Piraterie unterbinden, das gesamte Programm – nicht nur die Bestseller – als E-Book anbieten, sich von den Tücken der digitalen Rechteverwaltung (DRM) befreien und „schnell sein“.

Das Ganze ist eine spannende Sache und bietet sogar eine potenzielle Lösung für die Vertriebsprobleme in der arabischen Welt: Statt weiter nach dem besten Weg zu suchen, wie man Bücher aus einem Land in ein anderes liefern und dort zu einem vernünftigen Preis verkaufen kann, könnte es eine Alternative sein, auf die Entwicklung von E-Books hinzuarbeiten, die von überall – zu einem möglicherweise günstigeren Preis – heruntergeladen werden können.

Noch eine weitere technikbasierte Lösung wurde mehrfach angesprochen: der dezentralisierte Druck kleiner Auflagen. In Grundzügen sieht das Modell vor, in jedem arabischen Land Buchzentren („Book Centers“) einzurichten, die mit Digitaldruckgeräten für kleine Auflagen ausgestattet sind. So könnten Versandkosten vermieden werden, indem z. B. ein ägyptischer Verleger sein Buch digital an die Buchzentren derjenigen Länder schickt, in denen es einen Markt dafür gibt (die einzelnen Länder haben unterschiedliche Zensurbestimmungen). Dort kann es dann in einer Auflage von 50 oder 300 Stück – oder so viel eben benötigt wird – gedruckt werden. (Als durchschnittliche Verkaufszahl eines Buches im gesamten arabischen Raum wird immer wieder 1.500 genannt.)
 
Bedauerlicherweise nahmen nur wenige arabische Verleger an der gesamten Sitzung teil. Alle Anwesenden beteiligten sich jedoch sehr engagiert und interessiert an der Diskussion über die zahlreichen Möglichkeiten des E-Publishings. Und Ramy Habeeb zufolge ist dies ein weiteres Marktsegment, an dem ausländische Verlage teilhaben könnten – und das dazu beitragen kann, die Beziehungen zwischen arabischen Verlagen und dem Rest der Welt weiter auszubauen.