Abu Dhabi läutet Abschied von Kairo ein

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Sie haben es im Lauf der vergangenen Woche auf boersenblatt.net lesen können: Die Abu Dhabi International Book Fair (ADIBF), die am Sonntag zu Ende ging, hat sich als Leitmesse im arabischen Raum etabliert. So lautet das zähneknirschende Fazit vieler arabischer Verleger, die den nassforschen Auftritt der Veranstaltung seit 2006 mit großer Skepsis betrachtet hatten. Und: Die Buchmesse in Kairo hat ihren Status als Leitmesse der Region endgültig verloren.
Grund für das Fazit ist die Tatsache, dass es den Veranstaltern mit Hilfe der Frankfurter Buchmesse gelungen ist, aus einem marginalen Buchverkaufsevent, das ein paar tausend Bücher in einem winzig kleinen Markt abzusetzen half, die einzige Messe in der arabischen Welt zu machen, die annähernd in einer gemeinsamen Gewichtsklasse mit den professionellen Events im Westen konkurrieren kann. Der Vergleich mit der Buchmesse im mexikanischen Guadalajara drängt sich auf: Auch hier entstand, allerdings in ungleich längerer Arbeit und mit ungleich viel weniger Geld, ein regionales Orientierungszentrum für den Buchmarkt, das inzwischen weltweite Bedeutung erlangt hat.

Dabei helfen natürlich die scheinbar immer noch unergründlich tiefen Geldbeutel der Emirate am Golf: Allein für die Subventionierung von Lizenzabschlüssen, die im Rahmen der Messe getätigt wurden, standen in diesem Jahr 100.000 US-Dollar zur Verfügung. Dieses Lockmittel zieht: Normalerweise ist die Vergabe einer Lizenz in den arabischen Raum betriebswirtschaftlich unsinnig, bei Verkaufspreisen von durchschnittlich zwei bis drei Euro für ein Buch und Auflagen von maximal 3.000 Exemplaren. Aber, dank der netten Golfer kommen ein paar Märker mehr in die Tasche ˆ wenn es denn der Wahrheitsfindung dient, sei es hingenommen. In jedem Fall ist ein solches Programm, das den geschäftlichen Interessen von Lizenzgebern- und nehmern Rechnung trägt, sinnvoller als die unermesslich hoch dotierten Programme zur Übersetzungsförderung, die aus Abu Dhabi und Dubai in die Welt gekommen sind: Nach großem PR-Geschäume dümpeln beide Programme vor sich hin, von den ambitionierten Zielen, die elementaren Texte westlichen und arabischen Gedankenguts zugänglich zu machen, ist wenig übrig geblieben. Was produziert wurde, scheint vor allem  zur Verlandung des Golfs beizutragen.

Die Arabo-Frankfurter hatten zu den Lizenz-Subventionen auch noch ein respektables Seminarprogramm auf die Schiene gestellt, auch dies ein Manko in der arabischen Welt. Wobei, wie bei all diesen Programmen, die Frage nach Wirkung und Nachhaltigkeit gestellt werden muss. Berichte aus Abu Dhabi zeigen, dass bei einzelnen Veranstaltungen das Interesse des Zielpublikums sich in engen Grenzen hielt. Immerhin: Man schreckte nicht zurück vor heiklen Themen, wie etwa der nach wie vor grassierenden Raubdruckerei. Im kommenden Jahr wird dann das Copyright Symposium der Internationalen Verleger-Union über Abu Dhabi hereinbrechen ˆ wohl eher von symbolischer als praktischer Bedeutung, aber wenn es hilft, das Bewusstsein für die Problematik zu entwickeln, dann sei auch dies hingenommen.

Abgehängt sind die Kollegen in Kairo: Dort hat die veranstaltende Staatsbürokratie es geschafft, aus der zweitgrößten Buchmesse der Welt einen bemitleidenswerten Basar zu machen, der seiner Funktion als Vertriebsveranstaltung für den gesamten arabischen Raum nur noch mühevoll nachkommen kann. Ich hatte im Februar dazu bereits ausführlich erzählt.

Ich selbst stand dem Projekt Abu Dhabi lange Zeit mit vehementer Ablehnung gegenüber. Ich zähle mich auch immer noch nicht zu den Freunden dieser Messe ˆ ich finde solche künstlichen Beglückungsprojekte, die nichts mit der Gesellschaft zu tun haben, in denen sie stattfinden, höchst fragwürdig. Aber: Abu Dhabi ist scheinbar auf gutem Wege, und wenn die Verlegerkollegen aus Ägypten, Libanon oder dem Maghreb einen Nutzen in der Sache sehen, dann freue ich mich für sie. Ein halbwegs funktionierender Buchmarkt in der arabischen Welt ist ja nicht nur im Interesse der Büchermacher in der Welt. Er ist auch von immenser politischer Bedeutung.

Bleibt die Frage, ob die hoch subventionierte Kunstveranstaltung Abu Dhabi längerfristig eine Daseinsberechtigung entwickeln kann, da ein tragfähiger Buchmarkt in diesem Teil der Region angesichts der sehr kleinen Bevölkerungszahlen wohl auf sehr lange Sicht nicht entstehen wird. Es wäre schön, wenn ein bisschen von der Professionalität der Messekonzeption und ˆorganisation auch in andere arabische Länder abstrahlen würde. Die arabischen Verleger lechzen danach, und sie hätten dieses Bemühen auch verdient. Denn was am Golf passiert, ist kein Wunderwerk. Und: Es geht auch kleiner. Man muss nicht im Libanon, in Marokko oder Ägypten ein weiteres Mal den Versuch unternehmen, ein Frankfurt in den Wüstensand zu rammen. Ein Besinnen auf Kundeninteressen würde an vielen Orten schon ausreichen, um mit begrenztem Aufwand erhebliche Verbesserungen zu erzielen.