Online-Buchhandel

Das Antiquaria-Programm des ZVAB

26. März 2009
Redaktion Börsenblatt
Über das im Herbst 2002 begründete Antiquaria-Programm des Zentralen Verzeichnisses Antiquarischer Bücher (ZVAB) können Buchhändler antiquarische Bücher für ihre Kunden bestellen. Der Status quo. Eine Zusammenfassung von Sarah König.

Zurzeit sind 10,2 Millionen Titel von 1.248 Antiquariaten verfügbar. Über 3.431 Buchhandlungen nutzen Antiquaria (Stand: 20. Februar). Die durchschnittliche Anzahl der Bestellungen pro Buchhandlung liegt laut Aussage des ZVAB bei circa 55 Titeln im Jahr. Pro Tag werden insgesamt rund 400 Titel geordert (Stand: Oktober 2008). Geht man von 365 Tagen aus, kommt man also auf circa 146.000 Titel, die jährlich über das Programm bestellt werden.

Direkt vergleichbare Angebote anderer Anbieter gibt es derzeit nicht; die Online-Plattform Zeusman, die einen ähnlichen Service für den Sortimentsbuchhandel anbot, hat im Sommer 2007 ihren Betrieb eingestellt.

Der folgende Bericht stützt sich auf Material und Informationen des ZVAB sowie auf eine E-Mail-Umfrage beziehungsweise direkten Kontakt zu Antiquaren und einigen Buchhändlern.

 

Antiquaria als Service für den Sortimentsbuchhandel

Auch wenn das ZVAB in einer kürzlich geschalteten Werbeanzeige im "Börsenblatt" eine Potsdamer Buchhandlung als Beispiel anführt, die im Schnitt 75 Bücher pro Monat (also 900 Bücher pro Jahr) über Antiquaria bestellt und einen Gewinn von über 4.000 Euro angibt, erscheint die Zahl von 55 Büchern pro Buchhandlung relativ gering. Nimmt man einen Preis von durchschnittlich 15 Euro für ein vom Kunden nachgefragtes antiquarisches Buch an und rechnet mit 5 Euro Aufschlag des Buchhändlers, bedeutete dies einen Umsatz von 1.100 Euro im Jahr. Daher stellt sich die Frage: lohnt sich Antiquaria für den Sortimentsbuchhandel überhaupt?

Zwar ist die Nutzung für Buchhändler kostenlos, fordert aber von den Sortimentern einen hohen Arbeits- und Zeitaufwand. Sie müssen sich zunächst mit dem Antiquaria-Programm beziehungsweise dem ZVAB vertraut machen und dem Kunden helfen, aus dem Angebot des ZVAB das adäquate Buch auszuwählen (etwa nach Preis, Erhaltungszustand oder Anbieter).

Der Buchgroßhändler KNV stellt in seinen Branchenprodukten eine Verlinkung zu Antiquaria zur Verfügung. Damit können bei Antiquaria registrierte Buchhandlungen aus der KNV-Datenbank heraus antiquarische Bücher recherchieren und bestellen. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, bei der Titelsuche in der Bibliografie in der Vollansicht einen automatischen Link zu Antiquaria anzeigen zu lassen.

Buchhändler können bei der Anmeldung bei Antiquaria selbst eine individuelle Gewinnspanne festlegen. Dies erfolgt entweder über Einstellung eines Fixbetrags, eines bestimmten Prozentsatzes oder durch eine Kombination aus beidem; in der Suchmaske des Buchhändlers wird dann der Endpreis angezeigt. Da für antiquarische Bücher keine Preisbindung besteht, ermöglicht der Handel mit ihnen dem Buchhändler im Vergleich zum üblichen preisgebundenen Sortiment eine freiere Kalkulation. Je nach Höhe der individuellen Gewinnspanne kann – laut Aussage einer befragten Buchhändlerin – der Gewinn an einem antiquarischen Buch daher höher sein als an einem Neubuch. Weil Antiquaria (mit 1.248 Mitgliedsantiquariaten) jedoch nur einen Teil des ZVAB-Gesamtbestands (1.800 deutsche Anbieter) widerspiegelt, ziehen es einige Buchhändler vor, direkt beim ZVAB, bei anderen Plattformen oder Metasuchmaschinen, wie Eurobuch, zu suchen beziehungsweise zu bestellen und dann nach eigenem Ermessen den Preis zu erhöhen (Eurobuch ist allerdings nicht befugt, in den Beständen des ZVAB zu suchen).

Als weitere Möglichkeit ist hier auch die Plattform Abebooks zu nennen, da sie auf der Website http://www.buchkatalog.de von KNV integriert ist. Unter der Rubrik "Antiquariat" kann man direkt bei Abebooks suchen. Zusätzlich gibt es bei der Detailansicht einiger Titel auf http://www.buchkatalog.de einen direkten Link zu einem entsprechenden Angebot bei Abebooks. Anders als das ZVAB stellt Abebooks jedoch keinen dem Antiquaria-Programm vergleichbaren Zusatzservice für Buchhändler zur Verfügung. Gegenüber der Suche auf anderen Plattformen bietet Antiquaria bei der gemeinsamen Recherche mit dem Kunden den Vorteil, dass der Kunde nicht sieht, wie viel der Buchhändler aufschlägt und dadurch Preisverhandlungen vermieden werden. Daher gab beispielsweise eine Buchhändlerin an, während der Recherche mit dem Kunden ausschließlich auf Antiquaria zu suchen, ansonsten aber auch über andere Plattformen zu bestellen.

Die meisten der befragten Buchhändler werteten Antiquaria als positiv und gaben an, dass die Teilnahme viele Vorteile biete und immer mehr Kunden den Service nutzen. Hat sich das Angebot einmal etabliert, greifen Kunden gerne wieder darauf zurück. Um den Service noch mehr bekannt zu machen und auch neue Kunden anzuwerben, bringen einige Buchhandlungen ein ZVAB-Antiquaria-Werbeplakat direkt an der Eingangstür an. Auf die Frage, ob der Zusatzservice lohnenswert sei, antwortete eine Buchhändlerin: "Unsere Kunden sind zufrieden, das ist viel wert!"

 

Das Service-Programm aus Sicht der Antiquare

Während auch viele Antiquare das Programm des ZVAB als positiv einschätzen und berichten, immer wieder Bestellungen zu haben, bemängeln andere neben der geringen Anzahl an Bestellungen die Zahlungsbedingungen (Lieferung auf offene Rechnung, 14tägiges Rückgaberecht). Manche Antiquare beklagen die "schlechte Zahlungsmoral" einiger Buchhändler, die sich mit der Begleichung kleiner Einzelrechnungen oft recht viel Zeit lassen. "Da werden Rechnungen auch unter 10 Euro (aus Prinzip) erst nach der ersten Mahnung beglichen. Kommunikation findet nicht statt." Einige der Befragten gaben sogar an, sich aufgrund dieser Probleme gar nicht erst bei Antiquaria anzumelden, beziehungsweise sich wegen unangenehmer Erfahrungen sogar wieder abzumelden.

Teilweise bevorzugen Antiquare deshalb eine direkte Zusammenarbeit mit Buchhandlungen, unabhängig vom Internet. Ein Antiquar (der nicht an Antiquaria teilnimmt) berichtet, Bestellungen direkt vom Sortiment schon vor Zeiten des ZVAB erhalten zu haben: "Das mag auch daran liegen, dass wir ein Spezialgebiet haben und der Sortimenter beim Spezialisten, mit dem er über Jahre hinweg gute Erfahrungen machte, lieber anfragt als bei einem ihm unbekannten Anbieter im Internet gleich bestellt."

Ein weiteres Problem für Antiquare besteht darin, dass einige Sortimenter häufig Rabatte fordern, die die Antiquare nicht in der Lage zu leisten sind. Solche Rabatte werden nicht über Antiquaria geregelt; wenn es dennoch welche gibt, basieren diese auf individuellen Vereinbarungen zwischen Antiquar und Buchhändler. Einer der befragten Antiquare bemerkt, dass sich zumindest das Zahlungsproblem dadurch beheben ließe, dass der Abrechnungsverkehr zwischen Sortimentern und Antiquariaten "über die BAG [Buchhändler-Abrechnungs-Gesellschaft] oder eine andere Clearing-Stelle" laufen würde.

Viele Antiquare sehen aus den eben genannten Gründen die Teilnahme wohl für sich als nicht lohnenswert an; einige erkennen schlicht "keinerlei Sinn" des Programms und glauben, dass es zudem viel zu wenig bekannt sei, um Antiquaren einen zusätzlichen Umsatz zu bringen.

Aus Sicht der Antiquare hängt der Nutzen der Antiquaria-Teilnahme stark vom Angebot des individuellen Antiquars ab, daher auch die kontroversen Einstellungen gegenüber dem Service. Ein Antiquar begründet seine Abwesenheit vom Antiquaria-Programm wie folgt: "Wir handeln mit Drucken des 17. bis frühen 19. Jahrhunderts und hatten den Eindruck, dass dieses Programm wohl nur etwas für diejenigen ist, die nach einem (kürzlich) vergriffenen (Taschen-)Buch suchen. Ein Kunde, der einen Reisebericht von Humboldt sucht, fällt in Ohnmacht, wenn er hört, dass dieser, wenn es denselben nicht neu gibt, im Preis drei- oder gar vierstellig ist."

 

Antiquaria als Zusatzangebot für den Kunden im Buchhandel

Diese Aussage wurde auch von den befragten Buchhändlern unterstützt: im Allgemeinen würden Kunden nach aktuelleren, vergriffenen Titeln suchen.

Seltene oder sehr teure Ausgaben werden in Buchhandlungen eher weniger nachgefragt.

Auch wenn es zunächst wenig plausibel scheint, dass Kunden in einer Buchhandlung gezielt nach antiquarischen Büchern fragen, kann insbesondere bei Titeln, von denen der Kunde selbst gar nicht weiß, dass sie vergriffen sind, das Angebot des Buchhändlers, das Buch für den Kunden zu suchen und ihm anzubieten es für ihn zu bestellen, sehr hilfreich sein. Auch für Kunden, die selbst kein Internet nutzen beziehungsweise nicht über die Internetplattformen bestellen wollen, kann Antiquaria einen sinnvollen Zusatzservice bieten.

Außerdem hat Antiquaria gegenüber der eigenen Suche auf Internetplattformen den Vorteil, dass der Buchhändler dem Kunden die Aufgabe der eigenen Recherche abnimmt und über Antiquaria aus dem – oft sehr umfangreichen – Angebot den Titel auswählt, der den Ansprüchen des Kunden am ehesten nahe kommt. Zudem muss sich der Endkunde bei Problemen mit der Bestellung nicht selbst mit dem (bei Bestellungen über das Internet für ihn anonymen) Anbieter verständigen. Das Rechnungsgeschäft läuft über die Buchhandlung und auch Rücksendungen (bei Nicht-Kauf) werden dem Kunden vom Buchhändler abgenommen.

 

Kooperation von Sortiment und Antiquariat als zukunftsweisendes Konzept

Auch wenn die Anzahl der Bestellungen über Antiquaria insgesamt noch relativ gering ist, kann das Angebot, trotz gewisser Probleme (zum Beispiel beim Zahlungsverkehr), für alle Beteiligten Vorteile bieten. Viele Buchhandlungen suchen heute die Möglichkeit nach einer Sortimentserweiterung. Wie sich zeigt, kann auch die Erweiterung um einen Antiquariatsservice oder eine eigene Antiquariatsabteilung durchaus erfolgreich sein. Unsere Umfrage hat in diesem Zusammenhang außerdem interessante Aufschlüsse über das Selbstverständnis von Buchhändlern ergeben. Viele Sortimenter sehen sich nicht als reine Neubuchhändler: "Die Suche und Besorgung von gebrauchten/antiquarischen Titeln ist generell genauso Aufgabe eines Sortimenters wie das Bestellen von neuen Büchern. Dazu ist Antiquaria als Unterstützung bestens geeignet. Zumal wir neue, gebrauchte und antiquarische Bücher unter einem Dach anbieten und dies bewusst als zukunftweisendes Konzept sehen." So die Aussage eines Buchhändlers.

Auch für Antiquare – zumindest für solche mit entsprechend breitem, allgemeinem Angebot – kann die Teilnahme am Antiquaria-Programm lohnenswert sein, zumal diese auch für Antiquare kostenlos ist (bei Verkauf über Antiquaria muss der Antiquar selbstverständlich die übliche Provision an das ZVAB zahlen).

Wir bedanken uns bei allen, die mit hilfreichen Informationen zu unserer Recherche beigetragen haben!