DAISY - ein Format für alle und jeden? (Teil 2)

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Über welche Funktionen verfügt also das Digital Accessible Information System? Nun, ein paar habe ich ja beim letzten Mal schon erwähnt. Aber es gibt noch etliche mehr. Denn die DAISY-Technik ermöglicht es unter anderem, Audiobooks um Textelemente zu erweitern.
So liegt der Inhalt also als Audiodatei vor, zugleich aber auch in einer Textversion. Folglich kann der Rezipient den Text, während er ihn sich anhört, komplett mitlesen. Zusätzliche Informationen, die der Hörbuchsprecher nicht aufgelesen hat, sind auf einer zweiten Ebene verknüpft und lassen sich über diese ebenfalls akkustisch erschließen. In diesem Fall trägt eine spezielle Sprachsoftware die anvisierten Zeilen vor. Der blinde Nutzer erlangt damit weit reichende Navigationsmöglichkeiten und Zusatzinformationen, welche sich ihm beim Abspielen eines gewöhnlichen, kommerziellen Hörbuchs nicht eröffnen. Inhaltsverzeichnisse, Überschriften oder Booklet-Texte sind für den Konsumenten damit ebenso auditiv verfügbar wie die Vita eines Autors oder das zum Buch gehörende Impressum.
Da man sich den Volltext des Buches über einen Computerbildschirm bzw. als Blinder mit der Braillezeile anzeigen lassen kann, besteht auch die Möglichkeit, die Schreibweise einzelner Wörter zu überprüfen. Dies ist besonders bei Fachtexten oder fremdsprachiger Literatur wichtig.
Das alles ist möglich, aber nicht wahrscheinlich. Denn viele der DAISY-Hörbücher werden nach wie vor in einer Fassung hergestellt, in der die zusätzliche Volltext-Datei nicht vorliegt. Und das bedeutet natürlich, dass sich längst nicht alle Teile des Buches auch lesen lassen.
Trotzdem ist DAISY eine kleine Sensation. Denn letztlich lassen sich Hörbücher in diesem Format nutzen wie jede andere Printausgabe. Weil ein DAISY-Titel in der Regel aus über tausend Tracks zusammengesetzt wird, muss nicht linear gelesen werden, sondern man kann auch leichter konsultierend oder selektierend lesen. So ist es dem Benutzer beispielsweise möglich, von Seite zu Seite zu blättern oder gezielt einzelne Kapitel anzusteuern. Das Hin- und Herspringen zwischen den verschiedenen Hierarchieebenen, in die der Text gegliedert werden kann, kommt ebenfalls in Frage. Diese Hierarchieebenen sind in einer Baumstruktur dargestellt. So sind zum Beispiel die verschiedenen Kapitel als eine Ebene und die in den einzelnen Abschnitten vorhandenen Unterkapitel als eine zweite Ebene angeordnet. Der Benutzer kann dann jede dieser Strukturstufen anwählen und damit zu einem bestimmten Auszug gehen, den er gerade hören möchte.
Weiterhin gibt es die Funktion, an ausgewählten Stellen ein Lesezeichen zu setzen. So lassen sich bestimmte Absätze markieren, wie ein Sehender sie in einer Printausgabe vielleicht mit einem Bleistift anstreichen würde. Darüber hinaus bietet das DAISY-Format den Vorteil, dass die Sprachgeschwindigkeit individuell gewählt werden kann. Mittlerweile lassen sich mit der DAISY-Version 3.0 sogar Tabellen, Bildbeschreibungen oder mathematische Schreibweisen darstellen. Und bald sicherlich noch eine Menge mehr. DAISY kennt keine Grenzen. Aber DAISY erscheint mir auch ziemlich kompliziert, zumindest in manchen Punkten. Und ob die Blinden überhaupt das Bedürfnis haben, Bücher so nutzen zu können wie Sehende, ist eine Frage, die zwar viele von ihnen mit Ja beantworten. Denn DAISY ist mittlerweile das meist genutzte Format von Menschen mit Sehbehinderung. Und selbstverständlich steht es auch allen anderen frei zur Verfügung. Doch ich greife nicht darauf zurück. Ich bin nun einmal kein Fan von DAISY, sondern bevorzuge die guten, alten Kassettenhörbücher. Damit meine ich jetzt aber nicht kommerziell vertriebene Auflagen. Ich spreche von Hörbüchern, die speziell und ausschließlich für Blinde hergestellt werden. Wo? Das verrate ich Ihnen beim nächsten Mal.