E-Books

»Nur Männer sind so bekloppt«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Sind E-Bücher und Lesegeräte wirklich ein Muss? Zu dieser Frage diskutierten zum Auftakt der Hauptversammlung des Börsenvereins Region Nord am Samstag in Rostock Markus Klose (Hoffmann und Campe), Wolfgang Erichsen (Erichsen & Niehrenheim, Kiel), Katrin Neuberger (libreka!) und Miriam Hofheinz (libri.de Internet GmbH).
Die Zahl von 35,8 Millionen Buchkäufern in Deutschland sei zwar relativ stabil, meinte Moderator Hans Huck-Blänsdorf, allerdings gehe die Käufergruppe bis 29 Jahre erkennbar zurück. Während das Entertainmentsegment um 30 % gewachsen sei, hätten sich die Verkäufe im Informationsbereich um 20 % verringert. Und das Lesen am Bildschirm nehme zu. »Um jedoch die Kirche im Dorf zu lassen: E-Books haben etwa 2008 in den USA nur mit 0,3 % zum Gesamtbuchumsatz beigetragen. Und wie groß ist das Interesse in den Buchhandlungen?«

Wolfgang Erichsen: Das Interesse ist groß – wenn der Preis genannt wird, wird das Interesse aber schon geringer. Die Entwicklung der Geräte erinnert mich an die 80er Jahre, als man ein gemeinsames Video-Format gesucht hat. Derzeit gibt es noch viel Glaskugel-Gucken, wie die Sache weitergeht.

Markus Klose: Wir wissen nicht, welche Standards sich durchsetzen werden, aber wir wollen gern überall dabei sein. Beim I-Phone bietet Hoffmann und Campe Leseproben, um zu schauen, ob es Bewegungen bei den Buchkäufen gibt.

Hans Huck-Blänsdorf: Eine Studie von Kirchner & Ruprecht prognostiziert: Wenn’s richtig gut läuft, werden bis 2010 zwischen 80.000 und 100.000 E-Book-Geräten und bis 2015 drei Millionen Geräte verkauft sein.

Katrin Neuberger: Damit erschließen wir neue Zielgruppen. Wir verlieren durch die E-Books keine Buchkäufer, sondern gewinnen andere Leser dazu.

Erichsen: Die Frage ist nur: Wer sind die Zielgruppen? Welcher Mensch braucht im Urlaub – das Beispiel wird ja gerne zitiert – wirklich 160  Bücher auf einem Gerät? Der Belletristikleser wird nicht die Zielgruppe sein, eher der wissenschaftlich Arbeitende.

Klose: Sicher, selbst das beste E-Book wird nicht besser lesbar sein als ein Buch. Aber viele sammeln Lieder etc. in I-Tunes, da gibt es eine regelrechte Sammelwut – warum nicht auch für Bücher?

Huck-Blänsdorf: Was halten Sie von Downloadstationen in der Buchhandlung?

Erichsen: E-Book-Stationen sind Schwachsinn – die Leute laden Texte abends um elf Uhr runter und gehen nicht extra in den Laden deswegen. Vielleicht sind wir Buchhändler dann eher als Agenten unterwegs, und zwar viel mehr im Fachbuch als in der Unterhaltungsliteratur.

Huck-Blänsdorf: Wieviel darf’s denn kosten? Am besten nichts. Also soll man es vertraglich wie bei Handys regeln?

Miriam Hofheinz: In den Niederlanden geben Zeitungsverlage bei einem Online-Abonnement den Iliad-Reader umsonst ab. Und wenn er bei Lidl für 99 Euro zu haben wäre, würden sich E-Books ziemlich schnell durchsetzen. Noch ist vor allem die Display-Technologie recht teuer. Aber es wird billiger werden.

Erichsen: Wer sich wirklich dafür interessiert, für den ist der Preis kein Hinderungsgrund, habe ich festgestellt.

Hofheinz: Unsere Kunden fragen schon, warum ein E-Book nicht viel billiger als das entsprechende Buch ist.

Klose: Der gleiche Preis ist prohibitiv, das wird nicht runtergeladen, haben wir gemerkt. Da sehe ich schnell die Gefahr des illegalen Downloads. Es ist fatal, aber die Käufer haben das Gefühl: Da hab’ ich ja nichts real in der Hand - wieso soll ich dafür etwas zahlen? Nur: Wenn man das alles erst langwierig erklären muss, ist man schon auf der falschen Straße. Und noch etwas bezüglich der Preise: Wer ist so bekloppt und kauft ständig die neueste Technologie für teures Geld? Nur Männer. Keine Frau tut so etwas.

Manfred Keiper (Die andere Buchhandlung, Rostock): Unsere Leser werden Romane wie Uwe Tellkamps »Turm« nicht auf dem E-Book lesen. Meine Erfahrung ist auch, dass Schüler den E-Book-Reader nicht wirklich interessant finden, das habe ich vorgestern gerade wieder am Welttag des Buches gemerkt, wo ich ihn Schulklassen gezeigt habe. Die Autoren werden aber neue Formen der E-Literatur entwickeln, etwa kurzteilige Fortsetzungsromane, und die können Erfolg haben.

Klose: Im Urlaub habe ich auf Sizilien am Strand, im Hotel, am Pool gelesen – das geht schon gut. Der Lesekomfort reicht aus, um eine Konkurrenz für das gedruckte Buch darzustellen.

Hofheinz: Und mit dem Verändern der Schriftgröße erreichen wir auch die älteren Leser, da bekommen wir viele Zuschriften.

Erichsen: Es ist wichtig, dass der Börsenverein da mit libreka! vorne dran ist bei der Entwicklung.

Klose: Der Markt wird sich entwickeln, und ähnlich wie in der Musikindustrie wird es am Ende nur einige wenige große Händler geben, die der Kunde aufsucht.

Neuberger: Aber der Kunde will sich nicht bei zehn Verlagen durchklicken, sondern verschiedene Themen auf einer Plattform suchen. Der Kunde kann sich bei seinem Buchhändler auf der Website alles anschauen, weil libreka! die offenen Buchseiten dafür bereitstellt.

Klose: In den USA gelingt das Lesen von Sony- und Kindle-Readern nur über WLAN, während der I-Phone übers Telefonnetz geht, was überall viel besser funktioniert. Deswegen sehe ich da bei den Readern noch keinen Siegeszug, sondern bei I-Phone.

Keiper: Der I-Phone ist der meist verbreitete E-Book-Reader. In den USA haben sich unabhängige Buchhandlungen zusammengetan, die E-Content offerieren und über Google-Maps ganz leicht zu finden sind.

Klose: Würden sich die unabhängigen Buchhandlungen im deutschsprachigen Buchhandel zusammenschließen, wären sie heute schon viel mächtiger als die Filialisten und könnten den Markt mitgestalten.

Muss man nun mitmachen?
Klose: Es verpasst im Moment keiner etwas, wenn er da nichts tut. Mal zur Illustration: Die meist heruntergeladene Leseprobe bei Hoffmann und Campe ist Bodo Kirchhoffs »Erinnerungen an meinen Porsche« mit 1300 Downloads.

Hofheinz: Buchhandlungen sollten schon Downloads auf ihrer Homepage bieten – der Kunde will das Buch ja möglichst sofort haben.

Neuberger: Die Sortimente müssen ihre Öffnungszeiten erweitern – im Internet sind sie 24 Stunden täglich erreichbar. Aktuell gibt es bei libreka! 11.000 E-Book-Titel, die die Buchhandlung auf ihrer Internetseite einbauen kann.

Klose: Man stellt sich das immer so leicht vor, als sei alles im Netz günstig bis umsonst. Aber die Verwaltung von E-Content über Server kostet auch. Und bei der ganzen Diskussion sollte man eines nicht vergessen: Ein Buch ist Content und Ausgabegerät in einem – perfekt.