Mobile Publishing

Inhalte fürs Handy: "Service is king"

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Verlage experimentieren mit Angeboten für Smartphones. Der Markt ist noch winzig, das Potential aber groß – nicht nur für iPhones. Beim Mobile Publishing Gipfel im Münchner Literaturhaus zeigten Experten, wie der Einstieg ins Geschäft mit mobilen Inhalten gelingen kann.

Das Marktforschungsinstitut Nielsen hat aktuelle Zahlen für die mobile Mediennutzung in Deutschland veröffentlicht. Demnach gibt es 66,6 Millionen Handynutzer in Deutschland. Aber längst nicht alle, nämlich nur 9 Prozent (6,2 Millionen), davon greifen mit dem Handy auf das Internet zu – eine Voraussetzung, um die meisten mobile Services von Verlagen überhaupt nutzen zu können.

»Zwar darf man das Mobiltelefon als neuer Absatzkanal nicht überbewerten«, meint Klaus Goldhammer, Managing Director der Goldmedia Gruppe. Allerdings sei die Nutzung stark wachsend und für jüngere Leute selbstverständlich. »Nichts tun ist für Verlage keine Lösung«.

Unter den Fachleuten beim Münchner Mobile Gipfel, veranstaltet von der Akademie des Deutschen Buchhandels, war klar: Besonders erfolgsversprechend sind Programme, die über den Text hinaus einen Zusatznutzen bieten. »Service is king« ist hier die Devise. Beispiele?

  • Der Reisebuchverlag Mair Dumont hat seine Marco Polo City Guides als iPhone-Application aufgemöbelt (3,99 Euro). Der Nutzer kann aus der Anwendung heraus ein Taxi rufen und Hotels direkt über HRS zu buchen. Hinzu kommen Userbewertungen, Fotouploads, ein Veranstaltungskalender sowie Rabattcodes für Events.
  • Die iPhones-Application »Pons Wörterbuch für Schule und Studium Englisch« (19,99 Euro) bietet zu den gängigen Wörterbuchinformationen einen interaktiven Vokabeltrainer und einen Vorleseservice.
  • Der Kartenhersteller Falk stattet seine Straßenkarten mit zusätzlichen Diensten wie Radarwarnungen und Gastrotipps aus (kostenlos).


Auch in den Marketing-Mix können Verlage mobile Endgeräte einbeziehen. Etwa durch sogenannter QR-Codes (kleine, mosaikartige Schwarzweiß-Grafiken) auf Printwerbung. Der User fotografiert den Code mit seinem Handy und erhält eine SMS mit Link auf das mobile Portal. Auf diesem Portal kann der User dann mobile Inhalte, etwa Leseproben, herunterladen und weitere Verlagsangebote nutzen.

Immer wieder zur Sprache kam die Formatevielfalt, mit der Verlage und Programmierer zu kämpfen haben. Genau wie Computer laufen Handys auf Betriebssystemen, auf die Verlagsangebote optimiert werden müssen. Auch wenn das iPhone in aller Munde ist – der Marktanteil der Apple-Software ist noch gering. Das Ranking der größten Anbieter sieht laut Marktforschungsinstitut Gartner (4. Quartal 08) so aus:

  • Symbian (Nokia) mit 47 Prozent Marktanteil
  • Research in Motion (Blackberry) mit 19,5 Prozent
  • Microsoft (Windows Mobile) mit 12,4 Prozent
  • Apple Mac OS (iPhone) mit 10,7 Prozent.
Google hatte bisher noch keinen signifikanten Marktanteil, da erst ein Gerät mit dieser Plattform im Handel war (derzeit neues Gerät in Planung).

Die meisten Agenturen optimieren Verlagsprogramme für alle gängigen Smartphones oder haben dies angekündigt. So auch die Berliner Agentur textunes, die ab Juni neben iPhone auch für andere Systeme produzieren will.

Bei soviel Vielfalt: Ist der Hype um das iPhone und den Application-Shop überzogen? »Nein«, meint Alexander Trommen, Chief Marketing Officer der Agentur United Mobile. »Von allen Smartphone-Besitzern sind iPhone-Besitzer am häufigesten im Internet. Trotz des geringen Markanteils konsumieren Sie im Schnitt 60 mal mehr Daten als andere Smartphone-Nutzer«, Das mache es für Verlage interessant, selbst Applicationen anzubieten. Der Markt mit den kleinen Handyprogrammen im Apple-Shop wächst rasant. Allein die Zahl der eingestellten Applikationen in der Rubrik Buch im deutschen Shop ist von 2 500 Programme Anfang März auf heute mehr als 3 700 gestiegen.

Wird das Smartphones den Lesegeräten den Rang ablaufen? Darauf gab es keine eindeutige Antwort. Allerdings sei die emotionale Bindung an das Handy, insbesondere das iPhone nicht zu unterschätzen. 24 Stunden sei das Handy immer dabei, sogar nachts liegt es am Bett. »Für viele Leute ist es die größte Strafe, wenn man ihnen ihr Handy wegnimmt. Sie fühlen sich nackt«, meint ein Teilnehmer. Allein diese Nähe könnte den entscheidenden Vorteil bringen.