Frau Kuo-Pechlivanidis, vom besonderen Ritual bei der Übergabe von Visitenkarten im Kontakt mit Chinesen haben bestimmt schon viele von uns gehört. Warum ist das so wichtig?
Kuo-Pechlivanidis: Man sollte beim Treffen mit einem chinesischen Geschäftspartner auf jeden Fall Visitenkarten dabei haben, sonst wird sich Ihr Gegenüber später nur schwer an Sie erinnern. Professionell ist es außerdem, wenn der Inhalt der Visitenkarte auf der Rückseite mit chinesischen Schriftzeichen dargestellt wird, oder wenigstens auf Englisch, damit Ihr Gegenüber feststellen kann, welchen Titel/welche Funktion Sie haben. Bei der Übergabe der Visitenkarte ist es dann wichtig, diese mit beiden Händen und für den Empfänger gut lesbar zu überreichen, damit drücken Sie Respekt aus.
Warum wird der Visitenkarte so viel Bedeutung beigemessen?
Kuo-Pechlivanidis: Ein Chinese liest aus einer Visitenkarte unheimliche viele Infos heraus. Zum Beispiel Status, Macht, Rang und die gesellschaftliche Stellung des Gegenübers. Diese Infos können dann auch gut für einen Gesprächseinstieg genutzt werden. Zum Beispiel: „Mensch Herr Wang, Sie sind noch so jung und haben schon so eine große Verantwortung in Ihrem Unternehmen übernommen.“ Man kann im Gespräch auch wichtige Infos wie etwa die Zahl der beschäftigten Mitarbeiter in einem Unternehmen herauskitzeln. Wenn man die Visitenkarte dann wegsteckt, sollte man sie auf jeden Fall an einer adäquaten Stelle unterbringen – zum Beispiel in der Brusttasche des Sakkos oder in einem Visitenkartenetui. Viele Chinesen lassen die Visitenkarte aber auch während des Meetings auf dem Tisch liegen, damit sie nicht vergessen, wen sie vor sich haben.
Welche Themen eignen sich als “Eisbrecher“ zu Beginn eines Geschäftstermins?
Kuo-Pechlivanidis: Chinesen sind glücklich, wenn sie gelobt werden und Anerkennung entgegengebracht bekommen – etwa könnte man die positive Entwicklung der chinesischen Wirtschaft trotz Finanzkrise hervorheben. Gern werden Chinesen auch für ihre Gastfreundschaft gelobt. Auch über den Erfolg ihrer Kinder oder über kulturelle Hintergründe und Sehenswürdigkeiten ihrer Heimatstadt sprechen die Chinesen gerne. Außerdem kommen ein paar Worte Chinesisch – etwa zu Begrüßung und Abschied ¬¬– bei Ihrem Gegenüber immer gut an. Sie sollten aber für alle Fälle einen Dolmetscher dabei haben, der neben der Sprache auch die Kulturen beider Länder kennt.
Welche Themen sollte man tunlichst vermeiden – vor allem bei einem ersten Kennenlernen?
Kuo-Pechlivanidis: Hinweise auf die Politik, Menschenrechtsverletzungen oder Internetzensur sind absolute Tabuthemen. Sie erzeugen bei Ihrem Gegenüber Unbehagen und Unsicherheit, weil er nicht weiß, wie er sich dazu äußern soll. Bei diesen Problemen handelt es sich um staatliche Maßnahmen, auf die der einfache Bürger keinen Einfluss hat. Vermeiden Sie am Besten Alles, was einem Chinesen das Gefühl der Machtlosigkeit geben könnte.
Welche Punkte der nonverbalen Kommunikation sollte man beachten?
Kuo-Pechlivanidis: Sie sollten den Blickkontakt mit Ihrem Gesprächspartner gelegentlich unterbrechen. Er könnte sich sonst bedroht fühlen, wenn Sie zu lange Augenkontakt halten. Ansonsten ist Händeschütteln durchaus üblich, allerdings sollte man von Bussis oder herzhaften Umarmungen absehen.
Welche Regeln gibt es für Geschäftsessen?
Kuo-Pechlivanidis: Gerne machen die Chinesen eine kleine Mutprobe mit ihren europäischen Gästen, in dem sie ihnen ungewöhnliche Dinge zum essen vorsetzen. Die Frage ist, darf man ablehnen? Wichtig ist es, keine angeekelte Mimik sondern erst einmal Interesse zu zeigen. Wenn es aber wirklich etwas ist, was Sie partout nicht essen mögen, dass können Sie durchaus auch höflich ablehnen und sagen: „Vielen Dank, aber ich bin daran nicht gewöhnt, danke aber ihrer Gastfreundschaft.“ Chinesen stoßen auch während des Essens gerne mal miteinander an – scheinbar völlig grundlos. Auch da können Sie irgendwann mit einem höflichen Hinweis darauf, dass Sie es nicht gewohnt sind so viel zu trinken, aussteigen.
Was gibt es in einem Gespräch noch zu beachten?
Kuo-Pechlivanidis: Man sollte wissen, dass Chinesen während eines Gesprächs oft Nicken und ja sagen. Das bedeutet jedoch erst einmal nur „ja, ich habe sie akustisch verstanden“ und bedeutet nicht automatisch eine Zustimmung. Es kann Ihnen also passieren, dass Ihr Gesprächspartner zu Ihren Ausführungen die ganze Zeit höflich nickt und am Ende sagt „Ich überlege es mir noch.“ Ein „nein“ werden Sie von einem Chinesen nicht hören. Eher wird er sagen: „schaun wir mal ...“, wenn er sich mit einer Sache nicht ganz sicher ist. Der Grund liegt wieder darin, dass Chinesen sehr harmonieorientiert sind und sich für die Zukunft jede Möglichkeit der Zusammenarbeit offen halten wollen.
Also ist es schwer, chinesische Geschäftspartner in einem Gespräch direkt auf eine Sache festzunageln?
Kuo-Pechlivanidis: Es ist durchaus üblich und auch sinnvoll, nach einem Gespräch wichtige Punkte kurz festzuhalten. Und einen Aktionsplan für das weitere Vorgehen zu machen. Nur mündlich Zugesagtes wird im Nachhinein nicht unbedingt eingehalten.
Interview
23. Juli 2015
Wenn China im Herbst Gastland der Frankfurter Buchmesse ist, wird es vermehrt zu Geschäftskontakten zwischen deutschen und chinesischen Verlegern kommen – gut zu wissen, auf welche kulturellen Unterschiede man dabei achten sollte. boersenblatt.net sprach mit Fang-ting Kuo-Pechlivanidis, die als interkulturelle Trainerin für den chinesischen Raum arbeitet.