Das seit April bestehende Weblog des Berliner Antiquars Rainer Friedrich Meyer bietet kritische Reflexionen zum Online-Handel. Die "reißerische" Überschrift (Meyer) des aktuellsten Beitrags, publiziert am 4. Mai, steht ganz in dieser Programm-Linie: "Angriff der Plattformklone" (http://meyerbuch.wordpress.com/2009/05/04/angriff-der-plattformklone/). Meyer sucht nach einer Begründung für das aus seiner Sicht zu konstatierende Scheitern der "Plattformklone", die seit Ende der 1990er Jahre versuchen, etwas vom Erfolg des "Platzhirschen" (gemeint ist natürlich das ZVAB) für sich abzuzweigen, aber längst in ihrer Entwicklung stehengeblieben sind. Die These, die Meyer vorträgt (und die nach Auffassung des Berichterstatters den Kern der heutigen Problemlage berührt), ist einigermaßen kompliziert, aber in ihrer theoretischen Sprengkraft nicht zu unterschätzen: "Meist dienen die Geschichten, die wir von der Vergangenheit erzählen, dazu, die eigene Position darzulegen und zu festigen: vor einem selbst wie vor den anderen. Damit verkehrt sich das aufklärerische Moment in sein Gegenteil. Obsoletes erführt seine scheinbare Berechtigung, die Fortentwicklung wird nebenbei behindert. Eine besondere Neigung zur statischen Existenz eignet einstmals notwendigen, zweckorientierten Gemeinschaften: bei ihrer Gründung noch progressiv, verlieren sie ihren Impuls und bewegen sich bloß noch per Masseträgheit. Was einmal begann, kann nicht falsch sein, dies wird zur vorherrschenden, beherrschenden Meinung […]." Eine weitere Konsequenz: "Abweichler" von der vorherrschenden Meinung werden innerhalb der Branche mehr oder weniger subtil mit Diskriminierung und Ausgrenzung bestraft.
Weiter heißt es bei Meyer: "Nur so läßt sich erklären, warum der Angriff der Plattformklone gescheitert ist: zum Zeitpunkt ihres Entstehens noch halbwegs auf dem laufenden, sackten sie durch ihre Innovationsunlust – denn die Imitatoren müssen stets etwas besser als die Originale sein, sonst verlieren sie ihre Berechtigung – ins Bedeutungslose. Das Netz ist nicht der Ort für Stillstand: Technik und Benutzergewohnheiten ändern sich schneller als je zuvor." Meyer kritisiert in diesem Zusammenhang das dogmatische Auftreten der Genossenschaft der Internet-Antiquare (GIAQ), die seit 2005 die Plattform Prolibri betreibt (auch der vorhergehende Absatz ließt sich als implizite GIAQ-Kritik): "Wird diese Tendenz zum Beharren noch durch Ideologie verbrämt, wie im Falle Prolibris, das sich immer zu den 'Guten' zählt, weil im Besitz einer Genossenschaft, sind die Chancen auf Veränderung minimal."
Meyers Schlussfolgerung: "Der Angriff der Plattformklone ist Geschichte – und er ist fehlgeschlagen. Daß sie noch existieren verdanken sie der zeitweiligen Schwäche des ZVAB wie den geringen eigenen Kosten. Nur die Innovation vermag die Tradition auf eine solche Weise in die Neuzeit zu retten, daß sie in ihr als unverzichtbarer Teil fortleben wird."
Ein lesenswertes Statement zum letzte Woche ins Leben gerufenen "Aktionsbündnis unabhängiger Antiquariats-Homepages" hat der Hagener Antiquar Tobias Wimbauer verfasst (http://wimbauer.wordpress.com/2009/05/04/adnote-zum-aktionsbundnis-unab…, veröffentlicht am 4. Mai). Wimbauer wendet sich gegen einen "Tonfall" in der Branchendiskussion, nach dem sich das Bündnis mit an einer "asterixmäßigen Kampfansage" gegen die Antiquariats-Plattformen richte, die er selbst als Sammler für unverzichtbar hält. Den Sinn des Bündnisses sieht Wimbauer vor allem in zwei Aspekten: Kunden, die gezielt nach einer Ersparnis suchen, einen zusätzlichen Anreiz zu bieten und durch die Bündnis-Linkliste eine Einladung zu einem "virtuellen Rundgang" und zum Stöbern auszusprechen ("Geht ein Kunde nämlich auf eine der großen Plattformen mit den tausenden Anbietern, so wird das Stöbern allein der Masse wegen zum Irrsinn, da muss man schon wissen, wonach man sucht."). Wimbauer zieht als persönliches Fazit: "Ich sehe keine Alternative zu ZVAB, Abebooks, Booklooker, Antbo und den anderen Plattformen. Ich begrüße jeden Versuch, der zum Ziel hat, Menschen zum Lesen zu verführen und Bücher unter die Menschen zu bringen. Das AUAH wirbt für das Buch, für Antiquariate, und das ist gut. Stay home, buy a book!"
Ebenfalls zum neuen "Aktionsbündnis unabhängiger Antiquariats-Homepages" äußert sich Christa Wandowski, Kleve, in einem differenziert argumentierenden Beitrag mit der Überschrift "Angebotsbündnis - Ja - Nein - und dazwischen - Eine Sicht" (http://www.antiquariat-moments.de/wordpress/?p=438, 1. Mai). Der Text liest sich auch als Aufklärung gegen den Widerstand lautstark vorgetragener Pseudo-Mehrheitsmeinungen der Kollegen. Wandowski schreibt über das Selbstverständnis der Initiative: "Wir versenden weder Werbemails noch versprechen wir Dinge, die wir nicht halten können. Wir pflegen unseren Bestand und unsere Homepages, unsere virtuellen Läden und ich denke, mit ein wenig Geduld und Eigensinn und ohne gelehrtes Geschwafel werden wir irgendwann einen kleinen Kundenkreis erreichen. Ich bin trotz aller Unkenrufe davon überzeugt und werde mich nicht einschüchtern lassen." Man lese die Kommentare, die unter Wandowskis Text stehen, um die im letzten Satz angedeutete Herausforderung, sich nicht einschüchtern zu lassen, einzuschätzen! Nachvollziehbar ist hier exemplarisch, warum die 'antiquarische' Stimmenvielfalt im Netz den Vormündern der Branche nicht schmeckt.