Urheberrechtskonferenz

»Man muss das Seil fester halten«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
»Das ideale Urheberrecht gibt es nicht.« Das sagte Tilman Lüder zum Abschluss der Internationalen Konferenz zur Zukunft des Urheberrechts gestern in Berlin. Er habe sich, belehrt von langer Erfahrung, davon verabschiedet, dass es den einen großen Wurf geben könne. Notwendig seien Kompromisse, Ausnahmen, Beschränkungen als Teil eines hoch komplexen Prozesses, erklärte der Leiter des Referats Urheberrecht bei der Europäischen Kommission.

Zur Eröffnung der Konferenz am Donnerstag hatte die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die zugleich Gastgeberin war, ein starkes Urheberrecht gefordert. Notwenig sei der Schutz der Kreativen, aber auch die Position der Verwerter, insbesondere der Verlage, wollte Zypries gestärkt sehen.

Die vom Bundesministerium eingeladenen Keynote-Speaker, der Rechtsprofessor Reto Hilty und der Wirtschaftsprofessor Dietmar Harhoff plädierten dann aber mit markigen Worten für ein Minimum an Schutz. Insbesondere Harhoff sprach einer Selbstregulierung des Marktes das Wort, Urheberrecht erscheint aus dieser Sicht nur als überkommener Ballast. Da beide Redner die Aufgabe hatten, das Feld der nachfolgenden Diskussion zu bereiten und den Ton vorgeben konnten, durfte man sich fragen, wie ergebnisoffen die Diskussion tatsächlich geführt werden sollte, wie groß das Interesse der Ministerin an einem starken Urheberrecht tatsächlich sei.

Dass man im Ergebnis dennoch von einem gelungenen Treffen von in- und ausländischen Experten sprechen kann, verdankt sich der Kompetenz und der Engagement einiger Teilnehmer zweier Podien: zur Wissenswirtschaft und zur Unterhaltungswirtschaft. Der Heidelberger Germanist Roland Reuß, Initiator des Heidelberger Appells für Publikationsfreiheit und die Wahrung der Urheberrechte, etwa stellte dem Gedanken von der Prämisse des Marktes die Souveränität des Produzenten gegenüber. Ohne den Autor geht nichts, sagt er. Es gebe keine Balance zwischen Urhebern und Nutzern.

Von Hilty wurde die Frage aufgeworfen – und vermutlich nicht nur als Provokation – ob »Intermediäre«, also Vermittler zwischen Produzenten und Nutzern, überhaupt noch notwendig seien. Sie wurde von unterschiedlicher Seite deutlich beantwortet.
Es sei naiv, das zu glauben. »Wir brauchen sie mehr denn je«, sagte der Vorsitzende des Internationalen Rats der Musikschaffenden Bendik Hofseth.
Die Juristin Shira Perlmutter von der Internationalen Vereinigung der phonographischen Industrie, sagte: »Es gibt viele, die an der Verwertung Geld verdienen. Mann muss sich anschauen, wo das gut läuft und wo es vielleicht bessere Modelle gibt.« Letztlich gehe es darum, eine win-win-Lösung zu schaffen: für Produzenten, Nutzer, Verwerter und Provider. Eric Merkel-Sobotta von Springer Science+Business Media machte sich für die Arbeit der Verlage stark. Diese würden einen Mehrwert schaffen: »Der muss bezahlt werden«, verlangte er.

Auch Perlmutter argumentierte ähnlich wie später Lüder: »Es gibt keine perfekte Ausgewogenheit. Das Urheberrecht ist eine Annäherung.«  Zugleich sei sie überzeugt, dass man bei der Frage, ob das Urheberrecht neu bestimmt werden solle, nicht rein theoretisch beziehungsweise rein rechtlich argumentieren könne, es definiere sich auch durch die Funktion der Märkte.

»Wir müssen aufregende Geschäftsmodelle entwickeln«, urteilte schließlich Hofseth. Und als Aufforderung an alle, die ein starkes Urheberrecht wollen, schickte er hinterher: »Man muss das Seil fester halten, wenn der Wind stärker geht.«