Goethe-Universität verwundert über Suhrkamp

»Das Archiv gehört zu Frankfurt«

23. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Das Präsidium der Goethe-Universität hat heute einstimmig für den Erhalt des Suhrkamp-Archivs in Frankfurt votiert. „Das Suhrkamp-Archiv gehört ohne Frage zum geistigen Erbe Frankfurts und sollte von hier auch nicht abgezogen werden“, erklärte Universitätspräsident Werner Müller-Esterl. „Angesichts der großen nationalen und internationalen Bedeutung der Sammlung werden Stadt, Land und Universität an einem Strang ziehen, um ihren Verbleib in Frankfurt zu sichern“, so Müller-Esterl.

Zuvor hatte Ulrich Raulff, Leiter des Deutschen Literaturarchiv Marbach, Interesse an den Archivschätzen des Verlags bekundet. Raulff: »Mit großer Begeisterung und reinen Herzens: Ja, ich hätte es gern!« Raulff war am Montag bei Suhrkamp, um dort die Ergebnisse seiner Begutachtung der an verschiedenen Orten lagernden Archivalien des Suhrkamp Verlags  vorzustellen. »Der Verlag hat jetzt eine Sachbasis für eine Entscheidung«, sagte Raulff. Man habe sehr gute Gespräche miteinander geführt, von Verhandlungen seien beide Seiten jedoch noch »weit entfernt«.

Die Goethe-Universität beruft sich nun auf eine Vereinbarung mit der  Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz. Diese sehe eine  »dauerhafte Verankerung des Archivs« an der Goethe-Universität vor. „Die Universität hat bisher alle sich aus diesem Vertrag ergebenden Verpflichtungen erfüllt“, erklärte Müller-Esterl. „Daher nehmen wir mit einiger Verwunderung zur Kenntnis, dass die Verlagsleitung hinsichtlich der weiteren Verwendung des Archivs offenbar Verhandlungen mit dritter Seite aufgenommen hat, ohne zuvor mit uns das Gespräch gesucht zu haben.“

So seien es erst Wissenschaftler der Goethe-Universität gewesen, die aus dem 2002 in Umzugskisten angelieferten großen Mengen ungeordneten Materials, das sich zum Teil in einem konservatorisch bedenklichen Zustand befunden habe, überhaupt ein Archiv geformt hätten, das diesen Namen verdiene.

Es sei offensichtlich, dass es zwischen den an der Goethe-Universität beheimateten, reformorientierten Vordenkern des Nachkriegsdeutschlands wie zum Beispiel Adorno und dem Suhrkamp-Verlag eine nahezu symbiotische Beziehung gegeben habe, deren Geist das Archiv atmet. Müller-Esterl: »Ein Verbleib des Archivs an der Goethe-Universität ist schon deshalb sinnvoll, weil es zu einem nicht geringen Teil die Geschichte der Frankfurter Schule enthält. Damit erscheint die Goethe-Universität als der bestmögliche Ort, um dieses Erbe angemessen aufzuarbeiten, zu publizieren und der Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich zu machen.«